Schriftsteller
Michael Hamburger



... noch brachte ich es über mich,
die Treppe hinaufzusteigen
und
an unserer Wohnungstüre zu läuten ...
(Die Ringe des Saturn
) S. 208ff

Zwei Stunden zirka nach meiner wunderbaren Befreiung aus dem Heidelabyrinth erreichte ich endlich die Ortschaft Middleton, in der ich den seit nahezu zwanzig Jahren dort lebenden Schriftsteller Michael Hamburger aufsuchen wollte. Es war gegen vier Uhr. Weder auf der Dorfstraße noch in den Gärten war jemand zu sehen, die Häuser machten einen abweisenden Eindruck, und ich kam mir vor, mit dem Hut in der Hand und dem Rucksack über der Schulter, wie ein fahrender Geselle aus einem vergangenen Jahrhundert, so fehl am Platz, daß es mich gar nicht gewundert hätte, wenn auf einmal eine Schar Gassenbuben hinter mir hergesprungen oder einer der Hausbesitzer von Middleton über seine Schwelle getreten wäre, um mir ein »Schau, daß du weiterkommst!« zuzurufen. Schließlich zieht jeder Fußreisende, auch heute noch, ja gerade heute und vor allem, wenn er nicht dem gängigen Bild des Freizeitwanderers entspricht, sogleich den Verdacht der Ortsansässigen auf sich. Wahrscheinlich sah mich deshalb das Mädchen in dem Dorfladen mit ihren blauen Augen so entgeistert an. Die Türschelle war längst verklungen, und ich hatte schon eine Zeitlang in der kleinen, bis an die Decke mit Konservendosen und sonstiger unverderblicher Ware angeräumten Greißlerei gestanden, da trat sie aus dem vom Licht eines Fernsehers durchzitterten Nebenraum hervor und staunte mich mit halboffenem Mund einfach nur an wie ein Wesen von einem anderen Stern. Nachdem sie ein wenig sich gefangen hatte, maß sie mich mit einem mißbilligenden Blick, der zuletzt an meinem staubigen Schuhwerk hängenblieb, und als ich ihr einen guten Nachmittag wünschte, starrte sie mir wieder völlig fassungslos ins Gesicht. Es ist mir mehrfach schon aufgefallen, daß den Leuten auf dem Land beim Anblick eines Ausländers der Schreck in die Glieder fährt und daß sie ihn, selbst wenn er ihre Sprache gut beherrscht, zumeist nur schwer und manchmal überhaupt nicht verstehen. Auch das Mädchen in dem Dorfladen von Middleton hat auf meine Bitte um ein Mineralwasser nur mit verständnislosem Kopfschütteln reagiert. Verkauft hat sie mir schließlich eine Dose eiskaltes Cherry-Coke, die ich, ehe ich die letzten paar hundert Meter bis zum Haus Michaels zurücklegte, an die Kirchhofsmauer gelehnt, wie einen Schierlingsbecher mit einem langen Zug leerte.

Michael war neuneinhalb Jahre alt, als er im November 1933 zusammen mit den Geschwistern, mit der Mutter und mit deren Eltern nach England kam. Der Vater hatte Berlin bereits mehrere Monate zuvor verlassen, saß schon in Wolldecken gehüllt in einem dieser praktisch unheizbaren Steinhäuser in Edinburgh und wälzte bis weit in die Nacht hinein Lexika und Lehrbücher, denn obzwar er an der Charité Professor für Kinderheilkunde gewesen war, mußte er sich jetzt, in der ihm unvertrauten englischen Sprache und im Alter von über fünfzig Jahren, nochmals den medizinischen Zulassungsprüfungen unterziehen, wenn er weiterhin seinen Arztberuf ausüben wollte. In den späteren autobiographischen Aufzeichnungen Michaels wird beschrieben, wie die Befürchtungen und Ängste der ohne den Vater dem Unbekannten entgegenreisenden Familie ihren Höhepunkt in der Zollabfertigungshalle von Dover erreichten, als sie sprachlos zusehen mußte, wie die beiden Wellensittiche des Großpapas, die den Transport bislang unbeschadet überstanden hatten, beschlagnahmt wurden. Der Verlust dieser zahmen Vögel, das ohnmächtige Dabeistehen und Zusehenmüssen, wie sie für immer verschwanden hinter einer Art Paravent, führte uns, so schreibt Michael, deutlicher als alles andere vor Augen, mit welchen Ungeheuerlichkeiten das Überwechseln in ein neues Land unter den gegebenen Umständen verbunden war. Das Verschwinden der Wellensittiche in der Zollhalle von Dover ist der Anfang gewesen des Verschwindens der Berliner Kindheit hinter der im Verlauf des nächsten Jahrzehnts Stück für Stück neu erworbenen Identität.

How little there has remained in me of my native country, konstatiert der Chronist bei der Durchsicht der wenigen ihm verbliebenen Erinnerungen, kaum daß es ausreicht für einen Nachruf auf einen verschollenen Knaben. Die Mähne eines preußischen Löwen, ein preußisches Kinderfräulein, Karyatiden, die den Erdball auf ihren Schultern trugen, die mysteriösen, von der Lietzenburgerstraße in die Wohnung heraufdringenden Verkehrsgeräusche und Autohupen, das Knistern des Zentralheizungsrohrs hinter der Tapete in der dunklen Ecke, in die man zur Strafe gestellt wurde mit dem Gesicht gegen die Wand, der ekelhafte Seifenlaugengeruch in der Wäscherei, ein Murmelspiel in einer Grünanlage in Charlottenburg, Malzkaffee, Rübenkraut, Lebertran und die verbotenen Himbeerbonbons aus der Silberdose der Großmama Antonina - sind das nicht nur Phantasmen gewesen, Trugbilder, die sich aufgelöst haben in leere Luft? Die Ledersitze im Buick des Großpapas, die Haltestelle Hasensprung im Grunewald, die Ostseeküste, Heringsdorf, eine von purem Nichts umgebene Sanddüne, the sunlight and how it fell . . . Immer wenn aufgrund irgendeiner im Seelenleben vor sich gegangenen Verschiebung ein solches Bruchstück in einem auftaucht, dann glaubt man, man könne sich erinnern. Aber in Wirklichkeit erinnert man sich natürlich nicht. Zu viele Bauwerke sind eingestürzt, zuviel Schutt ist aufgehäuft, unüberwindlich sind die Ablagerungen und Moränen. Schaue ich heute, schreibt Michael, zurück auf Berlin, dann sehe ich bloß einen schwarzblauen Hintergrund und darauf einen grauen Fleck, eine Griffelzeichnung, undeutliche Ziffern und Buchstaben, ein scharfes Eß, ein Zet, ein Vogelvau, mit dem Tafellappen verschmiert und ausgelöscht.

Möglicherweise ist diese blinde Stelle auch ein Nachbild der Ruinenlandschaft, in der ich 1947 herumgegangen bin, als ich erstmals in meine Heimatstadt zurückkehrte, um nach Spuren zu suchen aus der mir abhanden gekommenen Zeit. Ein paar Tage wanderte ich damals in einem ans Somnambule grenzenden Zustand an freistehenden Fassaden, Brandmauern und Trümmerfeldern vorbei durch die kein Ende nehmenden Straßenzüge von Charlottenburg, bis ich mich unversehens eines Nachmittags wiederfand vor dem - unsinnigerweise, wie es mir schien - der Zerstörung entgangenen Mietshaus in der Lietzenburgerstraße, in dem wir unsere Wohnung gehabt hatten. Ich spüre noch den kalten Anhauch, der mir über die Stirn strich beim Betreten des Foyers, und ich entsinne mich, daß das gußeiserne Treppengeländer, die Gipsgirlanden an den Wänden, der Platz, an dem immer der Kinderwagen gestanden hatte, und die größtenteils unveränderten Namen der Hausbewohner an den blechernen Briefkästen mir vorgekommen sind wie Elemente eines Rebus, das ich nur richtig auflösen müßte, um die unerhörten, seit unserer Auswanderung geschehenen Ereignisse ungeschehen zu machen. Es war, als läge es jetzt nur an mir, als könne durch eine geringfügige Geistesanstrengung die ganze Geschichte rückgängig gemacht werden, als lebte, wenn ich es nur wollte, die Großmama Antonina, die sich geweigert hatte, mit uns nach England zu gehen, genau wie früher in der Kantstraße, als sei sie nicht, wie es auf der kurz nach dem sogenannten Ausbruch des Krieges uns zugestellten Rotkreuzpostkarte hieß, verreist, sondern nach wie vor besorgt um das Wohlergehen ihrer Goldfische, die sie täglich unter dem Wasserhahn in der Küche wusch und bei gutem Wetter auf dem Fenstersims ein wenig an die frische Luft stellte. Es bedürfte bloß eines Augenblicks höchster Konzentration, der silbenweisen Zusammensetzung des in dem Rätsel verborgenen Schlüsselworts, und alles wäre wieder, wie es vordem gewesen war. Ich aber kam weder auf dieses Wort, noch brachte ich es über mich, die Treppe hinaufzusteigen und an unserer Wohnungstüre zu läuten. Statt dessen verließ ich mit einem Gefühl der Übelkeit in der Magengrube das Haus und ging, ohne Ziel und ohne den einfachsten Gedanken fassen zu können, geradeaus immer fort, bis über das Westkreuz oder das Hallesche Tor oder den Tiergarten hinaus, ich weiß es nicht mehr; nur daß ich zuletzt auf einem leeren Gelände anlangte, das weiß ich noch, und daß dort in langen, genau ausgerichteten Reihen die aus den Trümmern geborgenen Ziegel aufgeschichtet waren, immer zehn mal zehn mal zehn, tausend in jedem Kubus beziehungsweise neunhundertneunundneunzig, denn der tausendste Ziegel stand jeweils senkrecht obenauf, sei es als eine Art Sühnezeichen, sei es zum leichteren Zählen.

Denke ich heute an diesen Lagerplatz zurück, so sehe ich keinen einzigen Menschen, nur Ziegel sehe ich, Millionen von Ziegeln, eine gewissermaßen vollendete Backsteinordnung, bis hin an den Horizont, und darüber den Berliner Novemberhimmel, aus dem gleich der Schnee herabkreiseln wird - ein totenstilles Vorwinterbild, von dem ich mich manchmal frage, ob es seinen Ursprung nicht hat in einer Halluzination, insbesondere wenn ich aus der über jedes Vorstellungsvermögen gehenden Leere heraus die letzten Takte der Freischütz-Ouvertüre zu vernehmen glaube und danach, unaufhörlich, tage- und wochenlang das Kratzen der Nadel eines Grammophons. Meine Halluzinationen und Träume, schreibt Michael an anderer Stelle, spielen häufig in einer Umgebung, deren Merkmale teilweise auf die Weltstadt Berlin, teilweise auf das ländliche Suffolk verweisen.

Ich stehe beispielsweise an einem Fenster im oberen Stock unseres Hauses, aber der Blick geht nicht auf die vertrauten Marschwiesen und die ständig bewegten Weiden hinaus, sondern aus einer Höhe von mehreren hundert Metern hinunter auf eine Schrebergartenkolonie, die so groß ist wie ein ganzes Land und durch die eine schnurgerade Autoverkehrsstraße hindurchführt, auf der schwarze Droschken stadtauswärts sausen in Richtung Wannsee. Oder ich kehre in der Abenddämmerung von einer langen Reise zurück. Den Rucksack über der Schulter, gehe ich das letzte Stück Weg auf unser Haus zu, vor dem, unbegreiflicherweise, die verschiedensten Fahrzeuge abgestellt sind, mächtige Limousinen, motorisierte Rollstühle mit enormen Handbremsen und Ballonhupen an der Seite und ein ominöser, elfenbeinfarbener Krankenwagen, in dem zwei Diakonissinnen sitzen. Unter ihren Blicken trete ich zögernd über die Schwelle, und schon weiß ich nicht mehr, wo ich bin.

Die Zimmer sind in ein trübes Licht getaucht, die Wände sind kahl, das Mobiliar ist verschwunden. Tafelsilber liegt auf dem Parkett, lauter schwere Messer, Löffel und Gabeln und ein Fischbesteck für ungezählte Personen zum Verspeisen des Leviathans. Zwei Männer in grauen Übermänteln sind dabei, einen Gobelin abzunehmen. Aus den Porzellankisten quillt Holzwolle heraus. Es braucht in der Traumzeit wohl eine Stunde und mehr, bis ich begreife, daß ich mich nicht in dem Haus in Middleton, sondern in der weitläufigen Wohnung der Eltern der Mutter in der Bleibtreustraße befinde, deren museale Räumlichkeiten mich bei meinen Kindheitsbesuchen kaum weniger beeindruckten als die Zimmerfluchten von Sanssouci. Und jetzt ist hier alles versammelt, die Berliner Verwandten, die deutschen und die englischen Freunde, meine Schwiegerleute, meine Kinder, die Lebendigen und die Toten. Unerkannt schreite ich durch sie hindurch, von einem Salon zum anderen, through galleries, halls and passages thronged with guests until, at the far end of an imperceptibly sloping corridor, I come to the unheated drawing room that used to be known, in our house in Edinburgh, as the

Auf einem viel zu niedrigen Schemelchen sitzt dort der Vater und übt auf dem Cello, während auf einem hohen Tisch festtäglich gekleidet die Großmama liegt. Die glänzenden Spitzen ihrer Lackschuhe zeigen gegen die Decke, ein grauseidenes Tuch hat sie gebreitet über ihr Gesicht, und wie immer in den Zeiten ihrer regelmäßig wiederkehrenden Schwermütigkeit spricht sie seit Tagen schon kein einziges Wort. Vom Fenster aus erblicke ich in der Ferne eine schlesische Gegend. Ein goldenes Kuppeldach schimmert herauf aus einem von blau bewaldeten Bergen umrahmten Tal. This is Myslowitz, a place somewhere in Poland, höre ich meinen Vater sagen, und wie ich mich umwende, sehe ich den weißen Atem, der seine Worte getragen hat, noch in der eiskalten Luft.

Der Nachmittag begann sich zu neigen, als ich das in den Marschwiesen am Ortsrand von Middleton gelegene Haus Michaels erreichte. Ich war dankbar, mich in dem stillen Garten ausruhen zu können von den Irrgängen auf der Heide, die mir jetzt, da ich von ihnen erzählte, unwillkürlich den Charakter des bloß Erfundenen anzunehmen schienen. Michael hatte einen Topf Tee herausgebracht, aus dem ab und zu ein Wölkchen aufstieg wie aus einer Spielzeugdampfmaschine. Sonst rührte sich nichts, nicht einmal die grauen Blätter der in dem Wiesengrund jenseits des Gartens stehenden Weiden. Wir unterhielten uns über den leeren und lautlosen Monat August.
For weeks, sagte Michael, there is not a bird to be seen. It is as if everything was somehow hollowed out. Alles ist kurz vor dem Niedersinken, nur das Unkraut wächst weiter, die Ackerwinden erwürgen die Sträucher, die gelben Wurzeln der Brennesseln kriechen unter der Erde fort, die Klettenstauden überragen einen um Haupteslänge, die Braunfäule und die Milben breiten sich aus, und sogar das Papier, auf dem man mühselig Wörter und Sätze aneinanderreiht, fühlt sich an, als sei es vom Meltau überzogen. Tage- und wochenlang zermartert man sich vergebens den Kopf, wüßte, wenn man danach befragt würde, nicht, ob man weiterschreibt aus Gewohnheit oder aus Geltungssucht, oder weil man nichts anderes gelernt hat, oder aus Verwunderung über das Leben, aus Wahrheitsliebe, aus Verzweiflung oder Empörung, ebensowenig wie man zu sagen vermöchte, ob man durch das Schreiben klüger oder verrückter wird. Vielleicht verliert ein jeder von uns den Überblick genau in dem Maß, in dem er fortbaut am eigenen Werk, und vielleicht neigen wir aus diesem Grund dazu, die zunehmende Komplexität unserer Geisteskonstruktionen zu verwechseln mit einem Fortschritt an Erkenntnis, während wir zugleich schon ahnen, daß wir die Unwägbarkeiten, die in Wahrheit unsere Laufbahn bestimmen, nie werden begreifen können.

Begleitet einen der Schatten Hölderlins ein Leben lang, weil man zwei Tage nach ihm Geburtstag hat? Ist man deshalb immer wieder versucht, die Vernunft abzulegen wie einen alten Mantel, Briefe und Gedichte unterthänigst zu zeichnen als Scardanelli und die unliebsamen Gäste, die einen anschauen kommen, sich mit Anreden wie Euer Hoheit und Majestät vom Leib zu halten? Beginnt man mit fünfzehn oder sechzehn Elegien zu übersetzen, weil man vertrieben worden ist aus seinem Heimatland? Ist es möglich, daß man sich später in diesem Haus in Suffolk hat niederlassen müssen, nur weil in seinem Garten die Zahl 1770, das Geburtsjahr Hölderlins, auf einer eisernen Wasserpumpe steht? For when I heard that one of the near islands was Patmos, I greatly desired there to be lodged, and there to approach the dark grotto. Und hat Hölderlin nicht die Patmoshymne gewidmet dem Landgrafen von Homburg, und war Homburg nicht der Mädchenname der Mutter? Über was für Zeiträume hinweg verlaufen die Wahlverwandtschaften und Korrespondenzen? Wie kommt es, daß man in einem anderen Menschen sich selber und wenn nicht sich selber, so doch seinen Vorgänger sieht?

Daß ich dreiunddreißig Jahre nach Michael zum erstenmal durch den englischen Zoll gegangen bin, daß ich jetzt daran denke, meinen Lehrberuf aufzugeben, wie er es getan hat, daß er sich in Suffolk und ich mich in Norfolk mit dem Schreiben plage, daß wir beide den Sinn unserer Arbeit bezweifeln und daß wir beide an einer Alkoholallergie leiden, das ist nicht weiter verwunderlich. Aber warum ich gleich bei meinem ersten Besuch bei Michael den Eindruck gewann, als lebte ich oder als hätte ich einmal gelebt in seinem Haus, und zwar in allem geradeso wie er, das kann ich mir nicht erklären. Ich weiß nur noch, daß ich in dem hohen Atelierzimmer, dessen Fenster nach Norden gehen, gebannt gestanden bin vor dem schweren, noch aus der Berliner Wohnung stammenden Mahagonisekretär, den Michael, wie er mir sagte, als Arbeitsplatz aufgegeben hatte, wegen der in dem Atelier sogar mitten im Sommer herrschenden Kälte, und daß es mir, indem wir über die Schwierigkeiten des Heizens alter Häuser redeten, mehr und mehr war, als hätte nicht er diesen kalten Arbeitsplatz verlassen, sondern ich, als wären die in dem sanften Nordlicht offenbar seit langen Monaten unberührt daliegenden Brillenfutterale, die Briefschaften und das Schreibzeug einmal meine Brillenfutterale, meine Briefschaften und mein Schreibzeug gewesen. Auch in dem Vorhaus zum Garten schien es mir, als hätte ich oder einer wie ich dort gewirtschaftet seit Jahr und Tag. Die Weidenkörbe mit dem aus kleinsten Zweigen zusammengeschnittenen Feuerreisig, die abgeschliffenen weißen und hellgrauen Steine, Muscheln und sonstigen Fundstücke vom Ufer des Meers in ihrer lautlosen Versammlung auf der Kommode vor der blaßblauen Wand, die in einer Ecke bei der Tür zur Speisekammer aufgestapelten und ihrer Wiederverwendung entgegenharrenden Versandcouverts und Kartonagen wirkten auf mich,

als wären es Stilleben, entstanden unter meiner eigenen, am liebsten das Wertlose bewahrenden Hand. Und beim Hineinblicken in die eine besondere Anziehungskraft auf mich ausübende Speisekammer, wo auf den größtenteils leeren Stellagen ein paar Gläser mit Eingewecktem verdämmerten und ein paar Dutzend sehr kleine rotgoldene Äpfel auf dem Brett vor dem von einem Eibenbaum verdunkelten Fenster leuchteten, ja strahlten wie die Äpfel in dem biblischen Gleichnis, ergriff die zugegebenermaßen gänzlich vernunftwidrige Vorstellung von mir Besitz, daß mich diese Dinge, das Feuerreisig, die Kartonagen, die eingeweckten Früchte, die Seemuscheln und das Rauschen in ihrem Inneren überdauert hatten und daß ich von Michael geführt wurde durch ein Haus, in dem ich vor langer Zeit einmal logiert haben mußte. Aber so geschwind, wie einem dergleichen Gedanken kommen, so geschwind lösen sie sich in der Regel auch wieder auf. Jedenfalls habe ich sie während der inzwischen vergangenen Jahre nicht weiterverfolgt, vielleicht weil man sie, ohne irrsinnig zu werden, gar nicht weiterverfolgen kann. Um so erstaunlicher ist es für mich nach alledem gewesen, als ich unlängst beim Wiederlesen der autobiographischen Aufzeichnungen Michaels auf den mir aus meiner Zeit in Manchester bekannten, seither aber beinahe entfallenen Namen Stanley Kerrys gestoßen bin, den ich bei der ersten Lektüre aus irgendeinem Grund überhaupt nicht wahrgenommen hatte. Michael berichtet an der fraglichen Stelle, wie er im April 1944, ein dreiviertel Jahr nachdem er eingerückt war in das Queen’s Own Royal West Kent Regiment, von Maidstone aus zu einem in Blackburn in der Nähe von Manchester stationierten, in einer aufgelassenen Baumwollspinnerei untergebrachten Bataillon versetzt und wie er bald nach seiner Ankunft in Blackburn von einem seiner Kameraden eingeladen wurde, den Ostermontag bei ihm zu Hause in



Burnley

zu verbringen, einer Stadt, die ihm mit ihren schwarz im Regen glänzenden Kopfsteinpflastern, ihren stillgelegten Webereien und den gleich einer Drachensaat gegen den Himmel sich abzeichnenden Zackenlinien der Dächer der Arbeiterhäuser einen desolateren Eindruck bot als alles, was er bis dahin in England gesehen hatte. Sonderbarerweise war auch, als ich zweiundzwanzig Jahre später, im Herbst 1966, von der Schweiz aus nach Manchester kam, das Ziel meines ersten, zusammen mit einem angehenden Volksschullehrer am Allerseelentag unternommenen Ausflugs die Stadt Burnley beziehungsweise das Hochmoor oberhalb von Burnley gewesen. Ich sehe noch genau vor mir, wie wir in dem roten Lieferwägelchen des Schullehrers von dem Moor herab über Burnley und Blackburn nach Manchester zurückfuhren durch die dort droben im November um vier Uhr nachmittags bereits einbrechende Dämmerung. Und nicht nur bin ich bei meinem ersten aus Manchester mich hinausführenden Ausflug, so wie Michael im vierundvierziger Jahr, in Burnley gewesen, sondern es hat auch zu den ersten Bekanntschaften, die ich in Manchester geschlossen habe, jener Stanley Kerry gehört, mit dem Michael seinerzeit von Blackburn nach Burnley gefahren war. Stanley Kerry muß, als ich meine Lehrstelle an der Universität in Manchester antrat, von den beiden Professoren abgesehen, der dienstälteste Dozent der deutschen Abteilung gewesen sein.

Er stand im Ruf einer gewissen Exzentrizität, die sich darin äußerte, daß er von seinen Kollegen Abstand hielt und den Hauptteil seiner Studien- und Freizeit weniger der Erweiterung seines deutschen Fachwissens als dem Erlernen des Japanischen widmete, in dem er die staunenswertesten Fortschritte machte. Als ich nach Manchester kam, war er bereits damit befaßt, sich in der japanischen Schreibkunst zu üben. Stunden um Stunden verbrachte er vor großen Papierbögen, auf die er mit dem Pinsel, unter höchster Konzentration, ein Zeichen ums andere setzte. Ich entsinne mich jetzt auch, wie er mir gegenüber einmal geäußert hat, daß eine der Hauptschwierigkeiten beim Schreiben darin bestehe, mit der Spitze des Schreibgeräts einzig und allein an das zu schreibende Wort zu denken und darüber das, was man beschreiben wolle, restlos zu vergessen. Und ich entsinne mich ferner, daß wir, als Stanley diese für Schriftsteller geradeso wie für Schreibschüler geltende Äußerung tat, in dem japanischen Garten gestanden sind, den er hinter seinem Bungalow in Wythenshaw angelegt hatte. Es ging auf den Abend zu.

Die Moosbänke und die Steine begannen dunkler zu werden, aber in den letzten, durch die Blätter der Ahornsträucher dringenden Strahlen der Sonne waren die Spuren des Rechens noch zu sehen in dem feinen Kies zu unseren Füßen. Stanley trug wie immer einen etwas verknitterten grauen Anzug und braune Wildlederschuhe, und wie immer lehnte er sich einem beim Reden, aus Interesse und aus unbedingter Höflichkeit heraus, mit dem ganzen Körper entgegen, so weit als es nur ging. Die Haltung, die er dabei einnahm, erinnerte an die eines Menschen, der gegen den Wind geht, oder an einen Skiflieger, der gerade abgehoben hat vom Schanzentisch. Tatsächlich hatte man im Gespräch mit Stanley nicht selten den Eindruck, als segelte er aus der Höhe hernieder. Wenn er zuhörte, legte er lächelnd und mit einem Ausdruck der Seligkeit seitwärts den Kopf auf die Schulter, doch wenn er selber sprach, so war es, als ringe er verzweifelt nach Atem. Nicht selten verzerrte sich sein Gesicht zu einer Grimasse, vor Anstrengung traten ihm Schweißperlen auf die Stirn, und die Wörter kamen aus ihm heraus auf eine stoßweise und überstürzte Art, die von einer schweren Gehemmtheit in seinem Inneren zeugte und die damals schon ahnen ließ, daß sein Herz lang vor der Zeit zu schlagen aufhören würde. Wenn ich jetzt zurückdenke an Stanley Kerry, dann scheint es mir nicht zu fassen, daß sich in diesem außergewöhnlich leutscheuen Menschen die Lebensbahn Michaels mit der meinigen überkreuzt haben soll, und daß wir, als wir ihm 1944 beziehungsweise 1966 begegneten,

beide gerade zweiundzwanzig gewesen sind. Sooft ich mir sage, daß dergleichen Zufälle sich weitaus häufiger ereignen, als wir ahnen, weil wir uns alle, einer hinter dem anderen, entlang derselben, von unserem Herkommen und unseren Hoffnungen vorgezeichneten Straßen bewegen, sowenig vermag ich mit meiner Vernunft gegen die mich immer öfter durchgeisternden Phantome der Wiederholung. Kaum befinde ich mich in Gesellschaft, ist es mir, als sei ich irgendwo zuvor bereits Zeuge gewesen, wie dieselben Meinungen von denselben Leuten vertreten worden sind auf genau dieselbe Weise, mit denselben Worten, Wendungen und Gesten. Das Körpergefühl, das sich am ehesten mit dem manchmal sehr lange anhaltenden, äußerst befremdlichen Zustand vergleichen läßt, ist das einer durch einen schweren Blutverlust hervorgerufenen Benommenheit, die sich ausweiten kann zu einer momentanen Lähmung des Denkvermögens, der Sprechorgane und der Glieder, wie sie einer empfinden mag, der, ohne es zu wissen, gerade von einem Schlag gestreift worden ist. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Phänomen, für das es bis heute keine rechte Erklärung gibt, um so etwas wie ein Vorwegnehmen des Endes, um ein Ins-Leere-Treten oder um eine Art Ausrasten, das, ähnlich wie bei einem immer wieder durch die gleiche Tonfolge laufenden Grammophon, weniger etwas mit einem Schaden der Maschine zu tun hat als mit einem irreparablen Defekt des der Maschine eingegebenen Programms.

Wie dem auch sei, ich glaubte, entweder aus Überanstrengung oder aus einem anderen Grund, an jenem späten Augusttag im Haus Michaels mehrmals den Boden unter meinen Füßen zu verlieren. Als es schließlich an der Zeit war, mich zu verabschieden, trat Anne, die ein paar Stunden ausgeruht hatte, ins Zimmer und setzte sich zu uns. Ich kann mich nicht erinnern, ob sie es war, die das Gespräch darauf brachte, daß heute niemand mehr Trauer trägt, nicht einmal ein schwarzes Armband oder einen schwarzen Knopf im Revers. Jedenfalls erzählte sie, im Zusammenhang mit diesem Gespräch, die Geschichte eines gewissen, in Middleton wohnhaften und fast schon im Pensionsalter stehenden Mr. Squirrel, der, so weit man zurückdenken könne, nie etwas anderes als Trauer getragen habe, auch in seiner Jugendzeit schon, als er noch nicht bei dem Leichenbestatter in Westleton angestellt gewesen war. Anders als sein Name es vermuten lasse, sagte Anne, sei Mr. Squirrel nicht etwa besonders eilfertig und behende, sondern ein finsterer und schwerfälliger Riese, den der Leichenbestatter wahrscheinlich weniger wegen seiner Trauermanie als wegen seiner enormen Körperkraft als Sargträger in Dienst genommen habe. Im Ort behaupte man, sagte Anne, daß Squirrel über keinerlei Gedächtnis verfüge, daß er sich an nichts erinnern könne, was in seiner Kindheit, im Vorjahr, im vergangenen Monat oder in der letzten Woche sich zugetragen hat. Wie er der Toten gedenke, sei somit ein Rätsel, auf das niemand eine Antwort wisse. Seltsam sei auch, daß Squirrel, seiner Gedächtnislosigkeit ungeachtet, von klein auf den Wunsch gehegt habe, Schauspieler zu werden, und daß er mit diesem Wunsch den Leuten, die in Middleton und in den umliegenden Orten gelegentlich ein Theaterstück einstudierten, so lange in den Ohren gelegen sei, daß man ihm schließlich bei einer Freilichtaufführung des



König Lear

auf der Heide von Westleton die Rolle des nur in der siebten Szene des vierten Akts auftretenden, das Geschehen stumm mitverfolgenden und nur am Schluß ein oder zwei Sätze vorbringenden Edelmanns zugeteilt habe. Ein ganzes Jahr lang, sagte Anne, lernte Squirrel an diesen paar, am entscheidenden Abend dann tatsächlich von ihm auf das eindringlichste gesprochenen Sätzen, von denen er übrigens den einen oder anderen bis heute bei mehr oder weniger passenden Anlässen wiederholt, wie ich selber, sagte Anne, schon einmal erlebt habe, als er mir auf meinen Morgengruß mit lauter Stimme über die Straße hinweg antwortete: They say his banished son is with the Earl of Kent in Germany. Bald nachdem Anne mit ihrer Geschichte zu Ende war, bat ich sie, mir ein Taxi zu rufen. Als sie vom Telephonieren zurückkam, sagte sie, beim Auflegen des Hörers sei ihr der Traum wieder eingefallen, den sie kurz vor dem Erwachen aus ihrem Nachmittagsschlaf geträumt habe. Ich war, sagte sie, mit Michael in Norwich, und weil er, wegen irgendwelcher Verpflichtungen, dort zurückbleiben mußte, hätte ich ihr ein Taxi bestellt. Als es vorfuhr, war es eine große glänzende Limousine. Ich hätte ihr den Schlag aufgehalten, und sie hätte Platz genommen im Fond.

Geräuschlos hätte die Limousine sich in Bewegung gesetzt, und ehe sie sich zurücklehnen konnte, hätte sie die Stadt bereits verlassen gehabt und wäre eingetaucht gewesen in einen unvorstellbar tiefen, von einzelnen Lichtstrahlen durchfunkelten Wald, der sich bis vor die Tür des Hauses in Middleton erstreckte. In einem Tempo, von dem man nicht sagen konnte, ob es schnell oder langsam war, ging es dahin, aber nicht auf einer Straße, sondern auf einer wunderbar weichen, bisweilen leicht geschwungenen Bahn. Die Atmosphäre, durch die sich der Wagen bewegte, war dichter als Luft und hatte beinahe etwas von einem still strömenden Wasser. Bis in die kleinsten, unmöglich wiederzugebenden Einzelheiten und mit vollkommener Klarheit sah ich den Wald, der draußen vorüberglitt, die winzigen Blütenstände der Moospolster, die haarfeinen Halme des Grases, die zitternden Farne und die gerade aufragenden grauen und braunen, glatten und borkigen Stämme der Bäume, die in einer Höhe von ein paar Metern verschwanden in dem undurchdringlichen Blattwerk der zwischen ihnen aufgewachsenen Stauden. Weiter droben noch breitete ein Meer von Mimosen und Malvazeen sich aus, in welches wiederum, aus der nächsten Etage dieser wuchernden Waldwelt, in teils schneeweißen, teils rosafarbenen Wolken hundertertlei Schlingpflanzen herabhingen aus den mit Orchideen und Bromelien überladenen, den Querrahen großer Segelschiffe gleichenden Ästen der Bäume. Und darüber, in einer Höhe, in die das Auge kaum mehr vordrang, schwankten Palmenwipfel, deren fein gefiederte und gefächerte Zweige von jenem unergründlichen, scheinbar mit Gold oder Messing unterlegten Schwarzgrün waren, in dem die Kronen der Bäume in den Bildern Leonardos gemalt sind, zum Beispiel in der Heimsuchung Maria oder in dem


Portrait der Ginevra de Benci

Wie unglaublich schön das alles gewesen ist, sagte Anne, davon habe ich jetzt nur mehr eine ganz undeutliche Ahnung, und auch das Gefühl des Dahinfahrens in der anscheinend führerlosen Limousine kann ich nicht mehr richtig beschreiben. Es war eigentlich gar kein Fahren, sondern ein Schweben, wie ich es seit den Kinderjahren, als ich ein paar Zoll über der Erde mich fortbewegen konnte, kein einziges Mal mehr verspürt habe. Wir waren während der Erzählung Annes miteinander hinausgetreten in den schon umnachteten Garten. Auf die Ankunft des Taxis wartend, standen wir neben der Hölderlinpumpe, und mit einem mir bis in die Haarwurzeln gehenden Erschauern sah ich, in dem schwachen Schein, der von einem der Wohnzimmerfenster auf das ummauerte Brunnenloch fiel, wie ein Schwimmkäfer auf dem Spiegel des Wassers ruderte von einem dunklen Ufer zum andern.

Moralität des Ästhetischen

Es gibt eine Fotografie, auf der Michael zu sehen ist vor einem mächtigen Maulbeerbaum in seinem Garten. Bald nachdem diese Aufnahme gemacht worden war, wurde der Baum in einer Sturmnacht zu Boden gedrückt, hielt aber jahrelang noch aus gegen den Tod.
Besser sehen wir jetzt, schreibt Michael, was bleibt. Weniger als der gewesene Baum und mehr doch durch die Verminderung, an die Erde gelegt, gebettet ins Gras, bei Mohn und bei saftdunklem Balsam, dort, wo der Schatten war, den grösseres Gedeihen einst warf.
An der vollkommen unsentimentalen Präzision solcher Zeilen ist mir aufgegangen, dass Zuneigung und Sachverstand einander nicht ausschliessen, dass eine gewisse Befähigung zum richtigen Schreiben nicht reicht, dass es so etwas gibt wie eine Moralität des Ästhetischen, die, letztlich, auf der wahren Anschauung der Dinge beruht.
Für die falsche Anschauung weiss ich kein besseres Beispiel als das Unwesen, das die Hüter und Heger des deutschen Geistes, allen voran der Freiburger Rektor mit dem Hitlerbärtchen, mit dem armen Hölderlin trieben. Damals, in den dreissiger und vierziger Jahren, ist der wahre Platz Hölderlins nicht, wie es hiess,
im Erlebnis des deutschen Volkes gewesen, sondern einzig in den englischen Übersetzungen, die der junge Exilant Michael Hamburger von den Elegien, Oden und Hymnen anzufertigen begann in einer dann über lange Jahre noch fortgesetzten Arbeit, neben der für mich vieles von dem, was sonst Literatur heisst, verblasst.


Michael Hamburger, Order of the British Empire

Geboren wurde er 1924 in Berlin-Charlottenburg, gestorben ist er ein paar Jahre später als sein Freund Max, nämlich 2007 in Middleton/Suffolk.
Seine Eltern waren Juden, die Familie emigriert 1933 nach England, wo Miachael ab 1941 Deutsch und Französisch studiert, 1943 bis 1947 dient er als Infanterist bei der Army, 1948 bis 1952 lebt er als freier Schriftsteller, bis 1984 lehrt er Deutsch an Universitäten, ist Gastprofessor in Großbritannien und den USA.
Neben der Lyrik widmet sich Hamburger seinem Garten in Middleton, besonders der Apfelzucht. 1951 heiratet er Anne Ellen File, Künstlernamen Anne Beresford, unter dem sie mehrere Lyrikbände veröffentlicht. Von Sebald übersetzt er "After Nature" und "Unrecounted" ins Englische.



Ich schaue; Stück für Stück an diesem Morgen
Wird der mit Reif bedeckte Rasen grün.


Lass ich dich hinein?
Bis hierher und nicht weiter, Freund,
Verhalten, angehalten vor dem Ende einer Geschichte,
Die weder enden noch beginnen kann …



Seltner, kürzer die Strahlen,
Scheinen kostbarer
Und weiter durch das nackte
Gezweig der laubwerfenden Bäume.
Und die Koniferen, schwarz,
Kommen zu sich
Als Gedenken der Nacht,
Überdauern Glanz des Laubes,
Ob sie, Zypresse, gradauf gedrängt
Oder seitwärts, Eibe, sich füllen.



Vom Osten und von Norden her
Noch zögerlich das Licht,
Bis es sich aufschwingt übers Dach,
Den Horizont im Süden erhellt
Und nackte, Ikonen knospende Stämme färbt,
Glorienscheine um die Schwärze legt,
Die Nadelbäume an ihr Kernholz drücken.



Du bist kein Fantast,
beim Träumen höchstens,
Packst alles Mögliche in ein Gedicht;
Die Aura der Dinge, den Wandel, ihr Verschwinden



Zwiebel, Apfel, Ei.
Ja, sie kreisen, entstehen
Und vergehen geduldig:
Die geschwungene Unterseite dieser Blaumeise,
die kleine Welle gelben Gefieders,
Die hier in die Stille gefallen ist,
Dieser umgestürzte, verfaulende Stamm,
So langsam ist am Ende unser Kreisen –
Man kann das Auf und Ab nicht unterscheiden
Das Dauernde von der Veränderung.