Nur ein einziges von einem Solothurner Photographen 1863 aufgenommenes Bild existiert von ihm. Es zeigt einen ziemlich vierkantigen - niederösterreichischen, nicht slawischen - Kopf. Der Gesichtsausdruck ist lebendig und verbittert zugleich. Am auffälligsten ist das riesige abstehende linke Ohr, ein tatsächlich unübersehbarer Defekt, an dem Postl sein Leben lang gelitten haben muß. Wir wissen, daß Postl während seiner letzten Jahre im Solothurner Museum über den Rand der Zeitung spionierend sich gern misanthropischen Betrachtungen überließ und bei einer solchen Gelegenheit einmal die Bemerkung machte: Hüten Sie sich vor allen, welche Gott gezeichnet hat. Nicht ausgeschlossen, daß er damit auch sich selbst meinte und daß er aus einer Art von Selbsthaß heraus seine Existenz derart reduzierte. Wie immer, seine reale wie seine moralische Physiognomie bleibt indefinit, was natürlich auch nach seinem Tod zu fortgesetzten Mutmaßungen Anlaß gab. |
Sealsfield erfaßt die Natur als das prinzipiell Fremde, als etwas, das gebrochen werden muß, will man nicht von ihm gebrochen werden. Als Exempel des antagonistischen Verhältnisses zwischen Mensch und Natur, dessen zerstörerische Dynamik durch die kapitalistische Warenwirtschaft erst wirklich virulent wurde, läßt sich auf eine bekannte Sequenz des Cajütenbuchs verweisen, in der der Erzähler in der grenzenlosen Schönheit der Prärie am Jacinto schier um sein Leben kommt. Dieser Sequenz unmittelbar voraus geht eine Beschreibung der brachialen Art, vermittels derer in Texas wilde Pferde gezähmt werden. Dem einmal eingefangenen Tier, heißt es da, werden |
die Augen verbunden, das furchtbare, pfundschwere Gebiß in den Mund gelegt, und dann wird es vom Reiter - die nicht minder furchtbaren, sechs Zoll langen Sporen an den Füßen - bestiegen und zum stärksten Galopp angetrieben. Versucht es, sich zu bäumen, so ist ein einziger ... Riß dieses Martergebisses hinreichend, dem Thiere den Mund in Fetzen zu zerreißen, das Blut in Strömen fließen zu machen. Ich habe mit diesem barbarischen Gebiß Zähne wie Zündhölzer zerbrechen gesehen. Das Thier wimmert, stöhnt vor Angst und Schmerzen, und so wimmernd, stöhnend, wird es ein oder mehrere Male aufs schärfste geritten, bis es auf dem Punkte ist, zusammenzubrechen. — Dann erst wird ihm eine Viertelstunde Zeit zum Ausschnaufen gegeben, worauf man es wieder dieselbe Strecke zurücksprengt. Sinkt oder bricht es während dem Ritte zusammen, so wird es als untauglich fortgejagt oder niedergestoßen, im entgegengesetzten Falle aber mit einem glühenden Eisen gezeichnet und dann auf die Prairie entlassen. Von nun an hat das Einfangen keine besonderen Schwierigkeiten mehr; die Wildheit des Pferdes ist gänzlich gebrochen, aber dafür eine Heimtücke, eine Bosheit eingekehrt, von der man sich unmöglich eine Vorstellung machen kann. |
Die Passage hat als Indiz für das Verhältnis von Mensch und Natur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wohl nicht leicht ihresgleichen.
ist dem Tode schon anheimgegeben
paßte als Leitspruch über diese Konstellation, in der der antiweibliche Reflex einer von Gewalttätigkeit bestimmten Männerwelt in die wie die Frauen als feindselig verstandene Natur projiziert wird. Man könnte etwas anders auch sagen, daß dem Menschen des 19. Jahrhunderts, dessen Prototyp Sealsfield in vieler Hinsicht repräsentiert, die Natur, aufgrund seiner eigenen rapide fortschreitenden Integration in die Gesellschaft, immer mehr zum Ausland wird, zum Exil.
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Karl Postl war dreißig, als er 1823 Österreich verließ. Was ihn zu diesem Schritt bewog, läßt sich mit Gewißheit nicht mehr sagen. Postl war im Alter von fünfzehn Jahren als Konventstudent im Prager Kreuzherrenstift aufgenommen worden. Fünf Jahre später trat er als Novize in den Orden ein. Nach weiteren drei Jahren wurde er zum Priester geweiht, und bald darauf schon war er zum jüngsten Sekretär des Ordens avanciert, was eine beträchtliche Verantwortung in geschäftlichen Angelegenheiten mit sich brachte. Es spricht im Grunde alles dafür, daß Postl über diese für einen Weinhauersohn nicht unebene Karriere einige Genugtuung verspürte. Auf seinen Reisen in Sachen des Ordens kam er viel in Kontakt mit den Fürsten des Landes, ein Aspekt seiner Arbeit, der für ihn, dem zeitlebens der Sinn nach höheren Konnexionen stand, nicht unbedeutend gewesen sein dürfte. Um in seinem persönlichen Habitus nicht hinter seinen gesellschaftlichen Aspirationen zurückzubleiben, lernte Postl Englisch, Französisch, Klavierspielen und Reiten. Sämtliche verfügbaren biographischen Informationen weisen ihn, auch für die spätere Zeit, als einen in erster Linie auf die eigenen Interessen bedachten Menschen aus. Es ist also wenig wahrscheinlich, daß der ehrgeizige junge Ordensherr, dem der Posten des General-Großmeisters bereits ins Auge stechen mochte, seine glänzenden Aussichten leichthin aufs Spiel setzte, um sich auf ein ungesichertes und unstetes Leben einzulassen. ![]() Bolzano wird Postl als Zeichen gewertet haben, daß seine eigenen Aktien in dem sich ausbreitenden Klima des Illiberalismus im Sinken begriffen waren, eine Annahme, die sich ihm vermutlich bestätigte, als er, versehen mit einer Empfehlung eines seiner Gönner, aber ohne Wissen seiner Ordensoberen im Sommer 1823 nach Wien fuhr, um beim Grafen Franz Josef Saurau vorzusprechen, in der Hoffnung auf eine Anstellung bei der Studienhofkommission. Es ist nicht ausgeschlossen, daß gerade diese Unterredung mit ![]() Saurau,
der zu den gefürchtetsten Exponenten der damaligen Reaktion gehörte, Postl vollends davon überzeugte, daß er seine Hoffnungen in Österreich nicht würde realisieren können. Jedenfalls brachte die Konstellation, unter der Postls Entfernung aus seiner Heimat sich vollzog, das Gerücht auf, Postl sei ein bedingungslos freisinniger, ja revolutionärer Geist gewesen, den es in Österreich nicht mehr litt, während ihm in Wirklichkeit wahrscheinlich nur die Akkommodierung mit einem erzreaktionären Regime mißlang. ![]() Kanzler Metternich
richtet, um diesem konterrevolutionäre Agentendienste anzubieten. Der in einem etwas unebenen und an ein, zwei Stellen fehlerhaften Englisch abgefaßte Brief verweist auf aufrührerische, angeblich von englischer Seite dirigierte Umtriebe in Ungarn, über welche der Unterfertigte nähere Angaben zu machen imstande sei.
![]() Haus in der Nähe von Solothurn
und steuerte allmählich auf das Ende zu.
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Sealsfields keineswegs exzentrischer, sondern vielmehr zeit-typischer Rassismus zeigt sich auch daran, daß er Völker und Nationen nach dem Grad ihrer angeblichen Lebenstüchtigkeit und ihres Zukunftspotentials in ein hierarchisches System einordnet. Auf der alleruntersten Stufe stehen die wirklich Wilden und Unzivilisierten, sodann kommen die halbdomestizierten Neger* und Kreolen und nicht um vieles darüber die Mexikaner. |