1930 wird der Grundstein für das Avantgarde-Architektur-Mehrzweck-Projekt in der Dykova/Vinohrady gelegt:
Hussitische Kirche, Kolumbarium (vielleicht das größte Europas: mehrere tausend Urnen), Wohnhaus, Büro, Clubhaus, Architekturstudio und andere Einrichtungen. Pavel Janak entwirft den Plan, 1933 ist Einweihung.
Auffälliges Merkmal ist der Turm, ein Tetraeder aus Stahlbeton. Bis auf die halbe Höhe führen Wendeltreppen, dann geht ist auf Eisenleitern weiter. Kurz nach der Einweihung bringt eine feierliche Prozession den Kupferkelch (700 kg schwer), er wird auf die Spitze des Dachs gehoben und geweiht.
Nach dem Aufstand 1945 sendet vom Turm ein Ersatzrundfunkstudio, 2011 enthält der Turm drei Glocken.
|
Tschechoslowakische Hussitische Kirche
auch Neuhussitische Kirche (Črkev československá husitská, CČSH) mit heute etwa 40.000 Mitgliedern entsteht 1919 durch Abspaltung von der Römisch-Katholischen Kirche. In ihrer Ikonographie spielt der Kelch
eine große Rolle (im 15. Jahrhundert Feldzeichen auf den Fahnen der Hussiten). Sie beruft sich auf die Traditionen
des böhmischen Reformators Jan Hus (siehe
).
Der tschechischsprachige Klerus in Böhmen und Mähren ist Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend unzufrieden mit dem Erscheinungsbild der katholischen Kirche in Österreich-Ungarn. Liberal eingestellte tschechische Priester nehmen die Resultate des 1. Vatikanischen Konzils mit Unwillen zur Kenntnis in der Meinung, die katholische Kirche stütze das politische System der Donaumonarchie und damit die Vorherrschaft der Deutschen und Ungarn, während sie selbst mit den Politikern sympathisieren, die Veränderungen zu Gunsten der Tschechen und der anderen slawischen Völker forden.
1890 Gründung der Priestervereinigung Jednota (Einheit), die für Modernisierung und Demokratisierung der Kirche eintritt. Forderungen: Einführung der Volkssprache in der Messe, Abschaffung des Pflichtzölibats und Annäherung an die Orthodoxe Kirche. Episkopat und Hl. Stuhl versuchen, die Bewegung zu unterdrücken. Während des 1. Weltkriegs stellt sich die große Mehrheit der Tschechen gegen die Monarchie, bereitet Gründung eines unabhängigen Staates vor und wendet sich gegen den habsburgtreuen katholischen Episkopat. Der innerkirchliche Konflikt eskaliert nach Ausrufung der unabhängigen tschechoslowakischen Republik. Es kommt zur Gründung der Tschechoslowakische Kirche und der Wahl des
ersten Patriarchen der neuen Kirche, die Regierung erkennt die neue Kirche unverzüglich an, der Hl. Stuhl bricht die diplomatischen Beziehungen ab. Die neuhussitische Kirche bejaht die politische Ordnung der ČSR vorbehaltlos, sieht sich sich als Nationalkirche des neuen Staates.
Um 1930 hat die Tschechoslowakische Kirche über 300.000, 2011 39.000 Mitglieder. 1947 wird die Frauenordination zugelassen. Unter der kommunistischen Herrschaft ist das Verhältnis der Tschechoslowakischen Kirche zum Staat ambivalent.
|