Ich erinnere mich hier an einen Vorfall aus meiner Jugend. In einer benachbarten, aber immerhin
sehr weit entfernten Provinz war ein Aufstand ausgebrochen. Die Ursachen sind mir nicht mehr
erinnerlich, sie sind hier auch nicht wichtig, Ursachen für Aufstände ergeben sich dort mit jedem
neuen Morgen, es ist ein aufgeregtes Volk. Und nun wurde einmal ein Flugblatt der Aufständischen
durch einen Bettler, der jene Provinz durchreist hatte, in das Haus meines Vaters gebracht.
Es war gerade ein Feiertag, Gäste füllten unsere Stuben, in der Mitte saß der Priester und studierte das Blatt.
Plötzlich fing alles zu lachen an, das Blatt wurde im Gedränge zerrissen, der
Bettler, der allerdings schon reichlich beschenkt worden war, wurde mit Stößen
aus dem Zimmer gejagt, alles zerstreute sich und lief in den schönen Tag. Warum?
Der Dialekt der Nachbarprovinz ist von dem unseren wesentlich verschieden, und
dies drückt sich auch in gewissen Formen der Schriftsprache aus, die für uns einen
altertümlichen Charakter haben. Kaum hatte nun der Priester zwei derartige Seiten
gelesen, war man schon entschieden. Alte Dinge, längst gehört, längst verschmerzt.
Und obwohl – so scheint es mir in der Erinnerung – aus dem Bettler das grauenhafte
Leben unwiderleglich sprach, schüttelte man lachend den Kopf und wollte nichts mehr
hören. So bereit ist man bei uns, die Gegenwart auszulöschen.
Frank Kafka meint Beim Bau der Chinesischen Mauer, sie sei etwas
Unzweckmäßiges, sozusagen eine Beschäftigungstherapie für Arbeitslose.
Auch geht die Sage, der Zweck des Mauerbaus sei Arbeitsbeschaffung für die
unter der Hungersnot von 1361 leidenden Armen.
Die wirklichen Absichten sind rein strategisch, die Hungersnot bricht erst aus, als die Mauer bereits in Bau ist.
Karl IV. lässt die "Hungermauer" von 1360 bis 1362 erbauen, um Hradschin und Kleinseite
gegen Angriffe von Westen und Süden zu schützen. Sie ist gut 4m hoch, im oberen Teil
befinden sich Zinnen, Schießscharten, ein Rundgang und acht vorgesetzte Türme.
Sie zieht sich vom Újezd über Strahov weiter bis zum Hradschin.
In eine der Bastionen wird später das Štefánik-Observatorium
(siehe ) gebaut,
von wo aus Alois Martin David die Distanz zwischen Prag und Dresden astronomisch bestimmt.
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Alois Martin David (1757 - 1836)
Rektor der Sternwarte Clementinum und der Karl-Ferdinands-Universität Prag,
Astronom, Priester, Kartograph und Pionier auf seinem Gebiet, beginnt 1801 mit der Vermessung des Landes Böhmen.
Er erstellt mit Hilfe von Halleys Spiegelsextanten, den Emery-Chronometern und
dem demochromatischen Fernrohr von Ramsden eine Landkarte von Böhmen.
Große Beachtung findet seine Perfektionierung der Bestimmung zweier Punkte der geographischen Längen.
David gelingt es, die Zeitdifferenz zwischen den Messungen auszuschließen und die genauen
geographischen Längen der Sternwarten in Prag, Breslau und Dresden zu errechnen.
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