Fundstücke


Morpheus in Chemnitz

Der Abend, mit Musik und Tanz.
Eine kräftige Männergestalt mit Weingerank, nach vollendetem Tagwerk dem Genuss hingegeben; trinkt Wein (Bacchus‘ Gabe) und lauscht dem Spiel der Mädchen.
Dann wird es beim Schloßteich in Chemnitz Nacht. Morpheus, geflügelter Gott des Traums und Sohn von Hypnos, Gott des Schlafs, wünscht dem müden Menschen angenehme Träume, der neben der Frauengestalt ruht, über deren Stirn sich eine Mondsichel entfaltet. Mit ihrem Kleid beschützt die Frau den Kleinen. "Nacht" und "Abends" sind 2 der 4 faszinierenden Skulpturen des berühmten Bildhauers Johannes Schilling aus Dresden, die „Vier Tageszeiten“ symbolisieren. Die Figuren setzen sich jeweils aus einer Hauptfigur zusammen, die abwechselnd einen Mann oder eine Frau darstellt, begleitet jeweils von zwei Kindern.

Johannes Schilling gehört mit seinem Meisterschüler Robert Diez neben Ernst Rietschel und Ernst Julius Hähnel zu den 4 grossen Bildhauern, die das künstlerische Antlitz Dresdens im 19. Jahrhundert maßgeblich bestimmen. In ihrem Schaffen lässt sich der Bogen ziehen vom Klassizismus Rauchscher Prägung über deutschen Realismus, durch die Gründerjahre und über "malerisch-plastische" Versuche hin zur Kunst des 20. Jahrhunderts.
Unter ihnen dürfte Schilling der bedeutendste sein. Ausgerüstet mit ungewöhnlicher Begabung und ausserordentlichem Fleiss, wird er zur gefeierten Bildhauerpersönlichkeit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zu Lebzeiten bereits so berühmt, dass sein Bildnis 1874 auf dem Dresdner Fürstenzug erscheint. Nach der Jahrhundertwende schiebt ihn die jüngere Kritik beiseite, Schilling gerät bald in völlige Vergessenheit; und doch prägt er wie kein anderer das städtebauliche Antlitz Dresdens mit seinen bedeutenden plastischen Kunstwerken. Vom Zwinger über den Opernplatz, die Oper selbst, die Treppen der Brühlschen Terrasse, die Terrasse selbst, das Ständehaus, bis hin zum Ausstellungsgebäude und Albertinum wandelt man auf "Schillings Spuren".
Von grösster Bedeutung für Schilling ist die Zusammenarbeit mit Gottfried Semper. 1853 schafft er für dessen Galerieneubau, nach seiner Wahl und Vorstellung, den entzückenden Kinderfries und krönt 1877 die Exedra mit seiner Panther-Quadriga.



Schillings 1892 geschaffenes Semper-Denkmal auf der Brühlschen Terrasse bezeugt seine Verehrung für den grossen Baumeister.

Die Statuengruppe am Schloßteichpark in Chemnitz - hier noch ungereinigt - hat ein bewegtes Schicksal:
Johannes Schilling bekommt 1861 den Auftrag zur Ausschmückung der Treppe zu der Brühlschen Terrasse in Dresden, die Figurengruppen errichtet er bis 1871 aus Postelwitzer Sandstein und stellt sie auf zwei Ebenen hintereinander auf. Schon 1861 erhalten zwei der Skulpturen den 1. Preis der Wiener Kunstausstellung. 1905 bis 1908 wird die Figurengruppe in Bronze gegossen und in Dresden aufgestellt und die urspüngliche Figurengruppe aus Sandstein der Stadt Chemnitz überlassen, da das Material durch Umwelteinflüsse (Elbeklima) stark in Mitleidenschaft gezogen ist. Die Stadt Chemnitz stellt sie 1909 am Königsplatz, heute Theaterplatz, auf und bindet sie in eine Brunnenanlage ein. 1928 wird sie demontiert und eingelagert, auf dem Platz entsteht das Hotel "Chemnitzer Hof" (in dem der Betreiber der Website 16 Jahre später gezeugt wird).
1936 stellt die Stadt die Figuren in den erweiterten Schloßteichanlagen auf und lässt sie 2011 sanieren.





Johannes Schilling wird 1828 als 5. Kind eines Prokuristen in Mittweida geboren und stirbt 1910 in Klotzsche. Er wächst in Dresden auf. Mit 14 kommt er an die Kunstakademie Dresden. Er unternimmt eine Forschungsreise nach Rom und richtete sich 1857 in Dresden ein eigenes Atelier ein. Die "Vier Tageszeiten" sind der Durchbruch als Bildhauer. Zahlreiche weitere Aufträge folgten, die ihn durch ganz Europa führen. 1868 erhält er den Ruf als Professor an die Kunstakademie, wo er bis zu seinem Tod lehrt. Seit 2005 gibt es ein Schilling-Museum in seiner Geburtsstadt.