Björn Both

Wer kennt ihn nicht den Frontmann von Santiano?
Er singt nicht nur vom Segeln, sondern segelt auch selbst, oft einhand auf seiner 6-KR-Yacht „Capella“.

Björn Both, geboren 1965 in Husum. Vater begnadeter Orgel- und Akkordeonspieler, er sorgt für die Musikalität in der Familie. So kommt es, dass der junge Björn sich von seinem Konfirmationsgeld eine E-Gitarre zulegt und seit diesem Tag das Gitarrespielen nicht mehr aufgab.
Irgendwann wird es ganz still um den begabten Sänger, denn aufgrund verschiedener Vorkommnisse mit seiner Familie (eine Tochter) und der Band zieht sich Björn Both ganz aus der Musikszene zurück. Später widmet er sich unter seinem Künstlernamen Sangit Psytrance, Rock und Electronic, bis es 2012 zur Gründung von Santiano kommt. Das Erfolgsmärchen nimmt seinen Lauf.

Lange singt Björn Both nur vom Meer. Seit er sich aber in „Capella“ verliebte, geht er in jeder freien Minute mit ihr aufs Wasser.
Johannsen hat den Sänger interviewt ("YACHT" 27.11.2022)
"Wenn sie ihn nicht eines Tages gefunden hätte, sagt er, dann wäre er heute mit Sicherheit auf der Suche nach „Capella“. Und doch - wenn er von jenem Tag erzählt, als sie sich das erste Mal begegnet sind, dann legt er großen Wert darauf, dass die Initiative zu allem, was seitdem geschah, von ihr ausging - nicht umgekehrt. „Sie lag da im Flensburger Museumshafen am Steg, so richtig rausgeputzt und über die Toppen geflaggt, und hat mich angebaggert!“
Mehr als sechs Jahre ist das nun her. Jahre, in denen der heutige Eigner sein Schiff umfassend restauriert und viele Tausend Seemeilen gesegelt hat. Jahre, in denen sie zusammengewachsen sind, wie nur selten Eigner und Schiff zusammenwachsen. Jahre, die sein Leben, ja die ihn selbst vollständig verändert haben, wie Both erzählt, wenn er gefragt wird, was da alles passiert ist.
Dabei stand die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt so kommt, nach seiner rückblickenden Einschätzung eher schlecht an jenem Sommermorgen im Jahr 2015, als der Frontmann der Kult-Band Santiano zur Taufe der zweiten „Ragtime“ seines langjährigen Freundes und Musiker-Kollegen Pete Sage eingeladen war. „Die Chance, dass ich an einem Samstag so früh aufstehe, dass ich schon um 10 Uhr an einem 120 Kilometer weit entfernten Ort wie Flensburg aufschlage, war nicht sonderlich groß“, sagt Both und lacht, doch er habe es geschafft. Und da am Steg lag dann eben auch „Capella“.
„Und dann gucke ich sie so an und höre eine ganz dunkle Stimme aus dem Niedergang: ‚Kannst kaufen!‘ Das war Günthi.“



Günther Wulf ist damals Eigner der „Capella“. Das Flensburger Urgestein segelt seit Schulzeiten, im Gegensatz zu Both, der zwar in seiner Kindheit auf dem väterlichen Boot so lange an der Nordseeküste unterwegs war, bis er jede friesische Insel mit Vornamen kannte, dessen Dasein als Musiker ihm später aber keine Möglichkeit ließ, sich den Traum vom Segeln auf eigenem Kiel zu verwirklichen. „Meine Frau war dann als Erste an Bord und rief mich, ich solle mir das mal angucken.“ Er habe ihr noch entgegnet, er werde sich hüten – nicht, dass er das Schiff am Ende wirklich kaufe! Aber Both gab dann doch nach und kletterte an Bord. „Eigentlich hatte sie da schon gewonnen“, sagt er rückblickend und meint dabei nicht seine Frau.
Heute sagt Björn Both, dass es wohl eines Tages so kommen musste. Er sitzt in der Plicht, hat eine Mug Kaffee in der Hand, zündet sich genussvoll eine Zigarette an, schaut zufrieden übers Deck und erzählt. Von der Jugend an der Westküste etwa. Vom Großvater. Der fuhr als Kapitän zur See und konnte Storys von Fahrten um das Kap Hoorn zum Besten geben. Nach der Schule will Both dann ursprünglich seinem Vater nacheifern und schiffsbetriebstechnischer Ingenieur werden. Er absolviert sogar entsprechende Praktika und macht eine Ausbildung zum Maschinenbauer.
„Egal wo ich war, ich lungerte immer am Hafen herum und habe mit sehnsüchtigem Blick auf die Boote geschaut“, erinnert sich Both. Doch Musik und Seefahrt sind damals zwei Welten, die sich für ihn nicht so einfach unter einen Hut bringen lassen.
„Ich hatte meine Scherflein ja noch gar nicht im Trockenen, war immer nur auf Tour, habe wieder Verträge gemacht und musste mir ständig etwas Neues einfallen lassen. Das war alles eine ziemliche Tretmühle.“
Santiano, so Both, sei eine Schnapsidee gewesen. „Wir haben auf einer Party mit Attitüde Seemannslieder gesungen, und irgendwie hatte das was.“ Statt Katerstimmung ging es anderntags weiter. Es entstanden drei Lieder. Als man bei der Plattenfirma das erste davon gehört hatte – Santiano –, war das Gespräch erfolgreich beendet und das erste Album unter Vertrag. Noch immer ging Both davon aus, dass es eine schöne Episode werden würde, nichts weiter. „Kein Mensch hat damit gerechnet, dass das so abgeht.“
Heute, so Both, könne er seine Musik und die Zeit auf dem Wasser gut miteinander verbinden. Erleben, wie sich beides ergänze. Mit „Capella“ trat daher mehr in sein Leben als die wunderschöne, klassische Yacht, die sie für Außenstehende ist. Björn Both öffnete sie das Tor zu einer ganzen Welt. Eine Welt, von der er bis dahin nur schemenhaft ahnte, dass sie ihm fehlen könnte.



Doch dann wechselt „Capella“ (Capella, das wissen Segler, hat nichts mit einer Kapelle zu tun, sondern ist der Hauptstern im Fuhrmann) tatsächlich in seinen Besitz, und gemeinsam mit Voreigner Günthi und Bootsmann Jan geht es auf erste Reisen über das salzige Wasser der westlichen Ostsee. Der Rockmusiker Both, der zu diesem Zeitpunkt seit drei Jahren mit seiner Band Santiano davon singt, die Segel zu setzen, steht auf einmal am Großfall und am Ruderrad und ist „völlig geflasht“. Wenn er heute von diesen ersten Erlebnissen an Bord erzählt, blitzen seine Augen, und das Gesicht ist ein einziges breites Grienen: „Ich habe gedacht, was waren die Jahre bisher doch bloß für eine Zeitverschwendung!“



Ich habe nicht ein Schiff gekauft, ich habe ein ganzes Leben gekauft“. Die Faszination für sein neues Leben betritt er über eine Brücke aus seinem bisherigen. „Es gibt Parallelen zur Musikwelt“, so Both. „Da sind die großen Werke, die man durch die Jahrhunderte trägt. Und da sind die alten Schiffe, auf denen in hundert Jahren Tausende von Leuten gesegelt sind und sie durch die Zeit getragen haben“, sagt er mit Begeisterung in der Stimme. Und erzählt von der Verliebtheit in die schönen Werke und der Leidenschaft, mit der sich Menschen ihnen hingeben, koste es, was es wolle.
Die 1968 bei Henningsen & Steckmest in Kappeln an der Schlei auf Kiel gelegte 6-KR-Yacht läuft 1969 vom Stapel.
Both renoviert 4 Jahre lang die "Capella", nach der Arbeit an der „Capella“ muss er die Hände wieder weichspielen. Er genießt, dass immer Wasser da ist, wenn er segeln will, und immer ein Hafen, wenn er davon genug hat. „Da ging eine Welt für mich auf, und die wollte ich entdecken.“ Strecke machen wird zu seiner Devise, in den kommenden Sommern loggt „Capella“ nie weniger als 2.000 Seemeilen. Both erkundet Schwedens Osten und lässt das Schiff, wenn Auftritte anstehen, unterwegs liegen. Oft begleiten ihn Freunde, meistens ist Jan dabei. Der Flensburger kam schon zu Voreigners Zeiten an Bord und gehört seitdem zum Schiff wie Mast und Motor.
Wer ihn fragt, ob es seine Musik beeinflusst, dass er nun tatsächlich selbst die Segel setzt, dem entgegnet er, ohne lange nachzudenken, es bringe ihn vor allem als Menschen weiter. „Der ich ja auch in der Musik bin. Ich habe durchs Segeln eine ganz neue Ruhe gefunden. Ich lasse mich nicht mehr in meinen Grundfesten erschüttern. Das hat schon das Segeln gemacht.“
Natürlich fänden sich mittlerweile auch Zeilen in seinen Liedtexten, die nur aufschreiben könne, wer selbst regelmäßig Salzwasser ins Gesicht bekomme. „Vor allem ist es aber einfach ein verdammt gutes Gefühl, wenn ich in Schweden festmache und nach Hause fahre, weil ein Konzert ansteht und ich wirklich vom Schiff auf die Bühne komme. Der Boden schwankt, ich bin in Gedanken noch an Bord und gebe in diesem Zustand ein Konzert vor 10.000 Leuten. Und ich singe genau darüber, was ich empfinde! Das fühlt sich für mich dann alles wirklich echt an! Und dann schäme ich mich manchmal fast für dieses Glück.“