Betlémská kaple
Bethlehemskapelle




Ich will nicht lügen angesichts Gottes noch gegen mein Gewissen und die Wahrheit handeln. Ich habe nie diese Artikel behauptet oder gepredigt, eher das Gegenteil. Ich kann auch die vielen Menschen nicht enttäuschen, denen ich gepredigt habe. Ich will nicht widerrufen!


Der das vor seiner Verbrennung auf dem Scheiterhaufen sagt, macht mit seinen Predigten die Bethlehemskapelle am Betlémské náměstí berühmt.
Geweiht 1391 am Gedenktag des Kindermordes zu Bethlehem, deshalb ihr Name. Und sie ist Exempel für den gandenlosen Kampf der Religionen, die alle mit demselben Buch der Bücher in der Hand Versöhnung predigen und sich unversöhnlich bekriegen.
Die Bethlehemskirche ist die Wiege der Reformbewegung, aus der die Hussitenkriege hervorgehen, danach Zentrum der Utraquisten, 1609 geht sie in die Hände der Böhmischen Brüder über, nach der Schlacht am Weißen Berg konfisziert sie die römische Kirche, 1661 ziehen die Jesuiten ein.
Nach Abschaffung dieses umstrittenen Ordens reißt Joseph II. das Bauwerk ab, in der heutigen Gestalt stammt sie aus den 1950er Jahren.


Auf der tschechischen Schrift sind viele Sonderzeichen, er beschäftigt sich mit den diakritischen Zeichen Caron und Hatschek zur Kennzeichnung der harten und weichen Zischlaute č, ř, š und ž.
Vor allem aber beschäftigt er sich mit theologischen Fragen, was ihm zum Verhängnis wird:
Prominenter Vertreter und am Ende Opfer einer reichen, mächtigen, mafiaähnlichen Organisation, die Nächstenliebe predigt, aber Kinder schändet, Frauen foltert, zu Hexen macht und verbrennt, Kritiker grausam ermordet und blutige Kriege gegen Andersdenkende führt: Die katholische Kirche mit einem autoritären Führer, der immer recht hat wegen der ungeheuerlichen Anmaßung, Stellvertreter Gottes auf Erden zu sein und -



Jan Hus

Die Kapelle, kopiert nach alten Bildern, wird 1954 eröffnet. Studenten versehen die Wände mit Zitaten aus zeitgenössischen Quellen, im Nebengebäude das "Haus der Prediger", eine Ausstellung.
Der markant-gotische Doppelgiebel am ansonsten schlichten Hallenbau fällt im Straßenbild auf. Der große rechteckige Kirchenraum hat hohe Bogenfenster und eine hölzernen Balkendecke, die zwei Satteldächer abschließen. Mittelpunkt des großen Saales ist nicht der Altar, sondern die Kanzel, was Programm ist: Die Bethlehemskapelle ist Predigtkirche, Vorläuferin protestantischer Kirchen, nicht Messekirche. Es gibt keinen Tabernakel ...
Die Kapelle steht im Eigentum der Universität, die dort die Ehrendoktorwürde verleiht.


















Jan Hus (1370 - 1415)

Er studiert in Prag, wird 1396 Magister, 1400 Priester, 1402 Professor. Beeinflusst von John Wiclif und enttäuscht vom sittlichen Verfalls des Klerus, predigt Hus gegen weltlichen Besitz der Kirche, die Machtstellung der Geistlichen, die Verweigerung des Kelches für alle Gläubigen, beruft sich auf die alleinige Autorität der Bibel gegen das Unfehlbarkeitspostulat des Papstes. Hus predigt strenge, tugendhafte Lebensweise, eifert gegen Zeitgeist und Mode, kritisiert die Habsucht des Klerus und dessen Lasterleben, tritt für Gewissensfreiheit ein.
In Böhmen, Kernland des Reiches, haben Deutsche in Kirche und Universität hohe Stellungen inne. Hus verbindet seinen Tadel des Machtmissbrauchs der Kirche mit der Kritik an der Bevormundung der Tschechen durch die Deutschen; eine Art tschechisches Nationalbewusstsein kommt auf, 1409 ziehen die deutschen Professoren und Studenten aus Prag weg und gründen die Universität Leipzig.

Der Andrang zu Hus' Predigten auf Tschechisch - er führt auch das gemeinsame Singen in der Landessprache während des Gottesdienstes ein - ist riesig, sonntags muss er bis zu fünf Mal predigen. Königin Sophie, die zweite Frau Wenzels IV., gehört zu den Zuhörern und Hus ist ihr Beichvater. Hus predigt ab 1402 in der Bethlehemskapelle - bis zu seiner Flucht 1412
Nach seiner Vertreibung wirkt er unter dem Schutz tschechischer Adliger als Prediger in Südböhmen weiter. Dort trägt er maßgeblich zur Bibelübersetzung ins Tschechische bei.
Der Prager Erzbischof verklagt Hus bei Alexander V., einem der damaligen drei Päpste, Papst Johannes XXIII. bannt ihn 1411, Hus wird exkommuniziert, in Prag brechen Unruhen aus.
Hus predigt weiter, verurteilt Kreuzzugs- und Ablassbullen des Papstes, muss aber fliehen, durchzieht das Land als Wanderprediger und findet zahlreiche Anhänger.
Unter Zusicherung freien Geleits lädt ihn König Sigismund 1414 zum Konzil nach Konstanz, 1415 flieht Papst Johannes XXIII., als dessen Gefangener Hus gilt, aus Konstanz, Hus kommt in den Gewahrsam des Bischofs, der Papst wird verhaftet. Das Konzil verurteilt Hus als Ketzer zum Feuertod, Pfalzgraf Ludwig verbrennt ihn im Auftrag des Königs auf dem Scheiterhaufen.
Königlicher Wortbruch und kirchlicher Justizmord führen zum Volksaufstand in Böhmen, ausgelöst durch den ersten Prager Fenstersturz 1419 (der zweite von 1618 ist Auslöser des 30jährigen Krieges, (zum "dritten" 1948 vgl. ) aufgebrachte Hus-Anhänger werfen deutsche Schöffen aus dem Neustädter Rathaus.
Die böhmischen Adligen stehen gegen den böhmischen König, der in Personalunion Kaiser des Heiligen Römischen Reichs ist, und gegen die römisch-katholische Kirche auf. In fünf Kreuzzügen in den Jahren 1420-1430 versuchen kaiserlich-katholische Heere, die aufständischen Hussiten niederzuschlagen. Auch nach dem Abkommen von Ihlau 1436 zwischen den gemäßigten Hussiten und dem Baseler Konzil halten die religionspolitischen Spannungen zwischen den evangelischen Ständen und dem katholischen Landesherren während des gesamten 15. und 16. Jahrhunderts an. 1618 eskalieren sie nach dem zweiten Prager Fenstersturz, der den Dreißigjährigen Krieg auslöst. Zwei Jahre später folgt das Schlüsselereignis der neueren tschechischen Geschichte, das als zentrale historische Ursache für die außergewöhnliche Säkularisierung der heutigen tschechischen Gesellschaft angesehen werden kann: die Niederlage der böhmischen Stände gegen die Truppen der Katholischen Liga in der Schlacht am Weißen Berg im Jahr 1620. Mit ihr beginnt eine Ära der Rekatholisierung.
Die katholische Kirche lehnt eine Rehabilitierung Hus' ab.





"Jan Hus"
- die einstige Bahnverbindung Nürnberg-Prag und zurück -
ist seit 2012 eingestellt.





Hussiten

"Wir alle sind Hussiten"
Jedes tschechische Schulkind kennt den Namen Jan Hus und sein Martyrium. Und für die Erwachsenen ist er Wegbereiter der tschechischen Nation, sein Märtyrertod begründet den tschechischen Opfermythos. Der Gedanke "Europa hat uns verlassen" kehrt stetig zurück, beim Münchner Abkommen oder 1968 beim Einmarsch des Warschauer Pakts.
Die Mehrheit der Böhmen erkennt den Konstanzer Schuldspruch nicht an, fast 500 Adlige senden 1415 dem Konstanzer Konzil Protest, schließen ein Bündnis, in der Bevölkerung entsteht die böhmische Freiheitsbewegung, die wesentliche Ziele von Jan Hus übernimmt. 1419 treffen sich 42.000 Anhänger auf dem Burkovák, der seitdem Tábor heißt.
König Wenzel versucht die empörten Hussiten aus Kirchen- und Staatsämtern auszuschließen, was zum Aufstand und dem ersten Prager Fenstersturz führt
1420 fordern die Vier Prager Artikel
Freiheit
- für die Predigt
- für den Kelch
- von säkularer Kirchenherrschaft
- von ungerechter weltlicher Herrschaft
Die Hussitenkriege beginnen ...











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