Leute
Cosmo Solomon
ca. 1890 - ca. 1925
Die Ausgewanderten S. 95ff.

Sebalds Großonkel Ambros Adelwarth versucht vergeblich, das Chaos der Welt und der eigenen Seele zu bändigen. Um die Jahrhundertwende wandert er in die USA aus, wo er auf Cosmo Solomon trifft, den von Lebensüberdruss geplagten Spross der großen jüdischen New Yorker Bankiersfamilie, wird sein Butler, Lebensbegleiter und Liebhaber. Das mondäne, gleichwohl todgeweihte Leben führt die beiden durch die Grandhotels und Spielkasinos der Alten Welt und in die eiskalte Welt der Hocharistokratie. Adelwarth, immer Perfektion in Person, Monument der Korrektheit: Lieber sterben als sich eine Nachlässigkeit erlauben ...
Weil aber keine Butler-Haltung gegen das Zerbrechen der Welt und die eigenen Depressionen ankommt, unterzieht Ambros sich geradezu sehnsuchtsvoll jener brutalen Elektroschockmethode (wie ein Gefangener, der die Folter bejaht, weil er nur noch sterben will), in jener Zeit hoch im Kurs ...
Ambros' Tagebuch beschreibt detailreich die Reise der zwei Männer über das Mittelmeer nach Konstantinopel und Jerusalem - Sebald plündert die Reiseberichte Chateaubriands ...
1991 fährt Sebald nach Deauville, erlebt im Traum Cosmo und Ambros 1913: Die geisterhaft Überlebenden vesammeln sich, wie Proust es erzählt, auf der Party des Prinzen de Guermantes. In ihrer Mitte sitzen Ambros und Cosmo, sich einen Hummer teilend.

Ambros' Tagebuch-Kommentar:

Die Erinnerung kommt mir oft vor wie eine Art von Dummheit. Sie macht einen schweren, schwindligen Kopf, als blickte man nicht zurück durch die Fluchten der Zeit, sondern aus großer Höhe auf die Erde hinab von einem jener Türme, die sich im Himmel verlieren.

Sonst war ich Tag und Nacht auf der Suche nach Cosmo und Ambros. Bisweilen glaubte ich, ich hätte sie in einem Eingang oder Aufzug verschwinden oder um eine Straßenecke biegen sehen. Dann wieder sah ich sie wirklich, wie sie beim Tee im Hof draußen saßen oder in der Halle in den frischen Zeitungen blätterten, die von dem Chauffeur Gabriel jeden Morgen früh in halsbrecherischer Fahrt von Paris nach Deauville gebracht wurden. Wie meistens die Toten, wenn sie in unseren Träumen auftauchen, waren sie stumm und schienen ein wenig betrübt und niedergeschlagen. Überhaupt verhielten sie sich, als sei ihre gewissermaßen auswärtige Verfassung ein furchtbares, unter keinen Umständen zu lüftendes Familiengeheimnis. Näherte ich mich ihnen, so lösten sie sich vor meinen Augen auf und hinterließen nichts als den leeren Platz, den sie soeben noch eingenommen hatten. Ich begnügte mich darum, wenn ich ihrer ansichtig wurde, sie aus der Ferne zu betrachten. Bald schien es mir, als bildeten sie, wo immer ich ihnen begegnete, einen ruhigen Punkt in dem unablässigen Getümmel ringsum. Es war tatsächlich, als habe sich hier in Deauville im Sommer 1913 die ganze Welt versammelt.

Einmal beispielsweise sah ich die zwei jungen Männer zu später Stunde im Speisesaal des Normandy an einem genau in der Mitte für sie eigens aufgestellten und darum gänzlich abgesondert wirkenden Katzentischchen sitzen. Ein wunderbar rosarot durch die gedämpfte Atmosphäre leuchtendes Hummertier, das langsam manchmal eines seiner Glieder rührte, lag zwischen ihnen auf einer silbernen Platte. Ambros nahm mit großem Geschick den Hummer nach und nach auseinander und legte dem Cosmo kleine Portionen vor, die dieser gleich einem wohlerzogenen Kinde verzehrte.



Seine legendäre Vergangenheit betreffend, sind natürlich gewisse Gerüchte im Umlauf gewesen, aber mit Sicherheit weiß ich nur, daß der Ambros Majordomus und Butler war bei den Solomons, die am Rock Point auf der äußersten Spitze von Long Island einen großen, auf drei Seiten von Wasser umgebenen Besitz hatten und zusammen mit den Seligmanns, den Loebs, den Kuhns, den Speyers und den Wormsers zu den reichsten jüdischen Bankiersfamilien von New York gehörten. Vor der Ambros Butler geworden ist bei den Solomons, war er Kammerdiener und Reisebegleiter des um ein paar Jahre jüngeren Solomon-Sohns, der Cosmo geheißen hat und in der gehobenen New Yorker Gesellschaft bekannt gewesen ist für seine Extravaganz und seine andauernden Eskapaden. Beispielsweise soll er einmal versucht haben, im Foyer des Hotels The Breakers in Palm Beach die Treppe hinaufzureiten. Aber dergleichen Geschichten kenne ich nur vom Hörensagen. Die Fini, die zuletzt für den Ambros zu einer Art von Vertrauten geworden ist, hat gelegentlich auch etwas gemunkelt von einem tragischen Verhältnis, das zwischen dem Ambros und dem Solomon-Sohn bestanden haben soll. Und soviel ich weiß, ist der junge Solomon Mitte der zwanziger Jahre tatsächlich an irgendeiner Geisteskrankheit zugrunde gegangen.



Innerhalb erstaunlich kurzer Zeit hat ihm der alte Samuel Solomon, der sogleich sehr beeindruckt war von seiner in allen Dingen unfehlbaren Sicherheit, die Position eines persönlichen Bediensteten und Hüters seines, wie er nicht zu Unrecht glaubte, äußerst gefährdeten Sohns angetragen. Zweifelsohne neigte der Cosmo Solomon, den ich nicht mehr habe kennenlernen können, zum Exzentrischen. Hochtalentiert, hat er ein vielversprechendes Ingenieurstudium abgebrochen, um selber in einer alten Fabrikhalle in Hackensack Flugapparate zu bauen. Zur gleichen Zeit hat er sich freilich auch viel an Plätzen wie Saratoga Springs und Palm Beach aufgehalten, einesteils, weil er ein hervorragender Polospieler war, und zum anderen, weil er in Luxushotels wie dem Breakers, dem Poinciana oder dem American Adelphi ungeheure Mengen Geld durchbringen konnte, woran ihm, wie der Onkel Adelwarth mir einmal erzählte, damals offenbar vorab gelegen war. Als nun der alte Solomon versuchte, das ihn mit Sorge erfüllende ausschweifende und, wie er meinte, zukunftslose Leben seines Sohnes durch Vorenthaltung der an sich grenzenlos zur Verfügung stehenden Gelder einzuschränken, ist der Cosmo auf die Idee verfallen, während der Sommermonate in den europäischen Spielcasinos eine sozusagen unversiegbare Einkommensquelle sich aufzutun. Im Juni 1911 ist er, mit dem Ambros als Freund und Führer, zum erstenmal in Europa gewesen und hat sogleich in Evian am Genfer See und anschließend in


Monte Carlo, in der Salle Schmidt,

beträchtliche Summen gewonnen. Der Adelwarth-Onkel erzählte mir einmal, daß der Cosmo beim Roulettespiel immer in einen Zustand der Geistesabwesenheit geraten sei, den er, Ambros, zunächst für Konzentration auf irgendein Probabilitätskalkül gehalten habe, bis Cosmo ihm bedeutete, daß er wirklich in einer Art Selbstversenkung versuche, die inmitten einer sonst undurchdringlichen Nebelhaftigkeit jeweils nur für den Bruchteil eines Augenblicks auftauchende richtige Ziffer zu erkennen, um sie dann ohne das geringste Zögern, gewissermaßen im Traum noch, entweder en plein oder à cheval zu setzen.

Die Aufgabe des Ambros sei es bei dieser, wie Cosmo behauptete, gefahrvollen Entfernung aus dem normalen Leben gewesen, über ihn zu wachen wie über ein schlafendes Kind. Ich weiß natürlich nicht, was da in Wahrheit vor sich gegangen ist, sagte die Tante Fini, aber fest steht, daß die beiden in Evian und Monte Carlo Gewinne erzielt haben in einer Höhe, daß der Cosmo dem französischen Industriellen Deutsch de la Meurthe einen Aeroplan abkaufen konnte, in dem er im August in Deauville an der Quinzaine d’Aviation de la Baie de Seine teilgenommen und bei weitem die waghalsigsten Schleifen geflogen hat. Auch im Sommer 1912 und 1913 war Cosmo mit dem Ambros in Deauville und hat dort die Phantasie der eleganten Welt bald sehr stark in Anspruch genommen, wozu nicht nur sein staunenswertes Glück im Roulette und seine akrobatische Kühnheit auf dem Polofeld beitrugen, sondern in erster Linie gewiß die Tatsache, daß er sämtliche Einladungen zu Thees, Diners und dergleichen ausschlug und nie mit jemand anderem als mit dem Ambros, den er stets wie einen Gleichgestellten behandelte, ausging oder speiste.

Im Postkartenalbum des Onkels Adelwarth gibt es übrigens, sagte die Tante Fini, eine Abbildung, auf der der Cosmo zu sehen ist, wie ihm nach einem wahrscheinlich zu Wohltätigkeitszwecken im Hippodrom von Clairefontaine veranstalteten Match von einer aristokratischen Dame - wenn ich mich recht entsinne, war es die Comtesse de Fitz James - der Siegerpreis überreicht wird. Es ist die einzige in meinem Besitz befindliche Aufnahme von Cosmo Solomon, wie ja auch von Ambros nur verhältnismäßig wenig Fotografien existieren, wahrscheinlich, weil er, nicht anders als der Cosmo, trotz seiner Weltgewandtheit ausgesprochen leutscheu gewesen ist.

Im Anschluß an den Sommer in Deauville fuhren Cosmo und Ambros über Paris und Venedig nach Konstantinopel und Jerusalem.

Kurz nach der Rückkehr der beiden Weltreisenden aus dem Heiligen Land, so hatte die Tante Fini sich ausgedrückt, brach in Europa der Krieg aus, und je weiter er um sich griff und je mehr das Ausmaß der Verwüstung bei uns bekannt wurde, desto weniger gelang es dem Cosmo, in dem so gut wie unveränderten amerikanischen Leben wieder Fuß zu fassen. Für seinen ehemaligen Freundeskreis wurde er ein Fremder, seine New Yorker Stadtwohnung verwaiste, und auch draußen auf Long Island zog er sich bald völlig auf sein eigenes Quartier und letztendlich in ein entlegenes Gartenhaus, die sogenannte Sommervilla, zurück. Von einem alten Gärtner der Solomons, sagte die Fini, habe sie einmal erfahren, daß zu jener Zeit der Cosmo tagsüber oft in tiefem Trübsinn verharrte, wohingegen er in der Nacht in der ungeheizten Sommervilla leise klagend hin- und widerging. In irrer Aufgeregtheit soll er bisweilen auch irgendwie mit den Kriegshandlungen in Zusammenhang stehende Wörter aneinandergereiht haben, und bei der Aneinanderreihung solcher Kriegswörter hat er sich anscheinend, als ärgere er sich über seine Begriffsstutzigkeit oder als gelte es, das Gesagte auf ewig auswendig zu lernen, mit der Hand immer wieder vor die Stirn geschlagen. Mehrfach geriet er darüber so außer sich, daß er nicht einmal den Ambros zu erkennen vermochte. Hingegen behauptete er, in seinem Kopf wahrzunehmen, was in Europa vor sich ging, das Brennen, das Sterben und das Verwesen unter der Sonne auf dem offenen Feld. Es kam sogar so weit, daß er mit einem Prügel über die Ratten hergefallen ist, die er durch die Schützengräben laufen sah. Mit Kriegsende trat eine zeitweilige Besserung im Befinden Cosmos ein. Er begann von neuem Flugmaschinen zu entwerfen, machte Pläne für ein Turmhaus an der Küste von Maine, nahm das Cellospiel wieder auf, studierte Schiffs- und Landkarten und besprach mit dem Ambros verschiedene Reisevorhaben, von denen, meines Wissens, nur eines verwirklicht wurde, im Frühsommer 1923, als die beiden in Heliopolis gewesen sind.

Der Ausbruch der zweiten schweren Nervenkrise Cosmos stand anscheinend in Verbindung mit einem deutschen Film über einen Spieler, der damals in New York gezeigt wurde und den Cosmo als ein Labyrinth bezeichnete, in dem er gefangen und durch Spiegelverkehrungen verrückt gemacht werden sollte.
Bald darauf, so erzählte die Tante Fini weiter, ist der Cosmo eines Tages tatsächlich verschwunden gewesen. Ich weiß nicht, wo überall und wie lang nach ihm gesucht wurde, nur, daß ihn der Ambros nach zwei, drei Tagen endlich im obersten Stock des Hauses in einem der seit vielen Jahren versperrten Kinderzimmer entdeckt hat. Mit bewegungslos herabhängenden Armen stand er auf einem Schemelchen und starrte hinaus auf das Meer, wo manchmal, sehr langsam, die Dampfschiffe vorbeifuhren nach Boston und nach Halifax. Als der Ambros ihn fragte, zu welchem Zweck er hier heraufgegangen sei, sagte Cosmo, er habe nach seinem Bruder schauen wollen. Einen solchen Bruder aber hat es, dem Adelwarth-Onkel zufolge, nie gegeben. Bald darauf, nachdem eine gewisse Besserung eingetreten war, reiste der Ambros mit Cosmo auf Anraten der Ärzte zu einer Luftkur nach Banff im kanadischen Hochgebirge. Den ganzen Sommer verbrachten sie in dem berühmten


Banff Springs Hotel,

der Cosmo zumeist wie ein braves, aber an nichts interessiertes Kind, der Ambros vollauf beschäftigt mit seiner Arbeit und der Sorge um ihn. Mitte Oktober begann es zu schneien. Cosmo sah viele Stunden lang zum Turmfenster hinaus auf die ungeheuren, ringsherum sich ausdehnenden Tannenwälder und den gleichmäßig aus unvorstellbarer Höhe niedertaumelnden Schnee. Er hielt sein Taschentuch zusammengeballt in der Faust und biß wiederholt vor Verzweiflung in es hinein. Als es finster wurde draußen, legte er sich auf den Boden, zog die Beine an den Leib und verbarg das Gesicht in den Händen. In diesem Zustand mußte der Ambros ihn nach Hause bringen und eine Woche später in die Nervenklinik Samaria in Ithaca, New York, wo er innerhalb desselben Jahres noch, stumm und unbeweglich, wie er war, verdämmerte.



Mancher Sohn eines reichen Bankiers, der in diesem Augenblick in das Theater kam, hätte angesichts des gutmütigen Lächelns, hinter dem der Grandseigneur die unüberschreitbare Schwelle seines kleinen Privatuniversums verbarg, ihn für einen einfachen Mann halten können, wäre ihm nicht die erstaunliche Ähnlichkeit mit der aus allen illustrierten Blättern bekannten Abbildung eines Neffen des Kaisers von Österreich, des Prinzen von Sachsen, aufgefallen, der damals sich gerade in Paris aufhielt. Der war, wie ich wußte, ein naher Freund der Guermantes. Als ich mich jetzt selbst dem Kontrolleur näherte, hörte ich diesen wirklichen oder vermeintlichen Prinzen von Sachsen lächelnd sagen: »Ich weiß die Nummer der Loge nicht, meine Kusine hat mir gesagt, ich brauche nur nach ihrer Loge zu fragen.«
Es war vielleicht der Prinz von Sachsen, und die Frau, die seine Augen in Gedanken sahen, als er sagte: »Meine Kusine hat mir gesagt, ich brauche nur nach ihrer Loge zu fragen«, war vielleicht die Herzogin von Guermantes (die ich dann einen der Augenblicke ihres unvorstellbaren Lebens in der Loge ihrer Kusine würde leben sehn können); sein eigentümlich lächelnder Blick, seine einfachen Worte streichelten mir das Herz (angenehmer als eine abstrakte Träumerei es gekonnt hatte) abwechselnd mit den Fühlern eines möglichen Glücks und eines ungewissen Zaubers. Soviel war sicher: er zweigte mit seinen Worten zum Kontrolleur von diesem gewöhnlichen Abend meines alltäglichen Lebens einen Weg ab, welcher vielleicht in eine neue Welt führte. Nun betrat er einen Seitengang, den man ihm anwies, als er das Wort Parterreloge ausgesprochen hatte; der Gang war feucht und rissig und schien zu Meeresgrotten hinzuleiten, zum mythologischen Königreiche der Wassernymphen. Ich hatte vor mir nur einen Herrn im Frack, der sich entfernte; aber ich ließ ihn wie von einem unsicher eingestellten Scheinwerfer, dessen Licht nie genau auf ihn fiel, umspielt werden von dem Gedanken: es ist vielleicht der Prinz von Sachsen, er geht zur Herzogin von Guermantes. Und obwohl er ganz allein war, schien dieser Gedanke unfaßbar, groß mit ruckweisen Bewegungen wie eine Projektion ihm voranzugehn und ihn zu leiten, wie jene Gottheit, die unsichtbar für alle andern Menschen bei dem griechischen Kämpfer weilt.

Marcel Proust, Die Welt der Guermantes

Goerg D. Painter (Proust-Biograf):
Eine von Prousts zahlreichen Gastgeberinnen, die Comtesse Rosa de Fitz James, geborene Gutmann, habe ein Verzeichnis aller jüdischen Heiraten des europäischen Adels als Geheimwaffe in ihrem Schreibtisch bewahrt. Der Faubourg Saint-Germain, der sich als uneinnehmbarer Adelshorst geriert, hält die hinaufgeheiratete Rosa Gutmann aus Wien zunächst nicht für akzeptabel; läßt sich aber durch die Tatsache, daß ihr Mann, Comte Robert de Fitz James, sie nur betrog, für sie erweichen.
Das Unglück der schwermütigen Comtesse Rosa beschert dem Faubourg nur Kurzweil und bringt ihr den Namen "Rosa Malheur" ein (nach der Malerin Rosa Bonheur). "Sie wollte einen Salon haben", sagte Comte Aimery de La Rochefoucauld, "brachte es aber nur bis zu einem Eßzimmer." Wenn sie anfing: ''In Wien, wo ich erzogen wurde'', unterbrach sie ihr Mann, der Comte de Fitz James: ''Sie wollen sagen: großgezogen.'' Eine Freundin meinte ihr gegenüber: "Alle sagen, Sie seien dumm, meine liebe Rosa, doch sage ich immer, das sei übertrieben."
Der eingeschränkten Wertschätzung für einen aristokratischen Salon, dessen Gastgeberin Jüdin ist, erliegt auch Proust, Sohn einer Jüdin, der in den neunziger Jahren seinen Aufstieg in die höchsten Kreise betreibt. Die Einladung der Prinzessin de Wagram und ihrer Schwester, der Herzogin de Gramont, die Proust 1893 erhält, bedeutet für ihn nur eine Vorstufe zum eigentlichen Gipfel, da beide Damen geborene Rothschilds waren "und ihre Ehemänner durch die Einheirat in jüdisches Geld als leicht deklassiert galten".