1. Oktober

Mozart KV 492 La nozze di Figaro: Terzett Cosa sento!
Chor Contadine e Contadine

Odyssee 18, 206 - 242


Penelope kommt aus ihren Gemächern zu den Freiern.

Als diese sie sehen, schlägt ihnen allen das Herz im Leibe, jeder wünscht sie als Gattin. Die Königin wendet sich an Telemach ihren Sohn, macht ihm Vorwürfe, welche Tat er im Saale begehen ließ?
"Das muss uns ja vor allen Menschen Schande bringen!"
Telemach: "Ich verarge dir deinen Eifer nicht, aber diese feindseligen Männer, betäuben mich ganz."
Der Kampf des Fremden mit Iros sei nicht so ausgegangen, wie die Freier es wünschten.

Auch in der Oper von der Hochzeit des Figaro wird es dramatisch ...
7. Terzett: „Cosa sento! Tosto andate, e scacciate il seduttor“ – „Wie? Was hör' ich? Unverzüglich geh' und jage den Bösewicht gleich fort“: Als der Graf und Basilio auftreten, versteckt sich Cherubino und Susanna täuscht eine Ohnmacht vor; in dem Durcheinander springt der Page auf einen Stuhl und verbirgt sich unter einem Kleid.

8. Chor: „Giovani liete, fiori spargete“ – „Muntere Jugend, streue ihm Blumen“: Der von Susanna bisher abgewiesene Graf entdeckt ihn, und er wird nur durch den Auftritt der Landleute von einer Bestrafung des eifersüchtigen Schlossherrn verschont.

KV 492 Terzett 19:10, Chor 24:33

No. 7. Terzetto
CONTE
Cosa sento! tosto andate,
E scacciate il scduttor.
BASILIO
In mal punto son qui giunto!
Perdonate, o mio signor.
SUSANNA
Che ruina, me meschina!
Son oppressa dal dolor.
BASILIO E CONTE
Ah, già svien la poverina!
Come, oh Dio! le batte il cor!
BASILIO
Pian pianin: suquestoseggio.
SUSANNA
Dove sono? cosa veggio?
Che insolenza, andate fuor.
CONTE
Siamo qui per aiutarti,
Non turbarti, o mio tesor.
BASILIO
Siamo qui per aiutarvi,
È sicuro il vostro onor.
Ah del paggio quel ch’ho detto
Era solo un mio sospetto!
SUSANNA
E un’insidia, una perfidia,
Non credete all'impostor.
CONTE
Parta, parta il damérino!
SUSANNA E BASILIO
Poverino!
CONTE
Poverino!
Ma da me sorpreso ancor.
SUSANNA
Come!
BASILIO
Che!
CONTE
Da tua cugina
L’uscio ier trovai rinchiuso,
Picchio, m’apre Barbarina
Paurosa fuor dell’uso.
Io dal muso insospettito, Guardo, cerco in ogni sito,
Ed alzando pian pianino
Il tappeto al tavolino,
Vedo il paggio!
Ah, cosa veggio!
SUSANNA
Ah, crude stelle!
BASILIO
Ah, meglio ancora!
CONTE
Onestissima signora!
Or capisco come va.
SUSANNA
Accader non può di peggio;
Giusti Dei! che mai sarà?
BASILIO
Cosi fan tutte le belle!
Non c’è alcuna novità.

Nr. 7 Terzett
GRAF Was hör ich! Geht sofort. Und jagt den Verführer davon. BASILIO Zur Unzeit kam ich. Verzeiht, mein Herr. SUSANNA
Welch’ Unglück, ich Arme! Mich überwältigt der Schmerz. BASILIO UND GRAF Oh, schon wird die Arme ohnmächtig! O Gott, wie schlägt ihr Herz. BASILIO Vorsichtig, auf diesen Sitz. SUSANNA Wo bin ich? Was seh’ ich? Welche Frechheit, geht hinaus. GRAF Wir wollen dir helfen, Nicht dich erschrecken, mein Schatz. BASILIO Wir wollen dir helfen, Eure Ehre ist ungefährdet. Was ich über den Pagen sagte, War nur ein Verdacht! SUSANNA Es ist eine Falle, eine Gemeinheit, Glaubt dem Lügner nicht. GRAF Der lose Jüngling soll gehen. SUSANNA UND BASILIO Der Arme! GRAF Der Arme! Ich habe ihn schon wieder ertappt. SUSANNA Wie! BASILIO Was! GRAF Deiner Kusine Tür Fand ich gestern verschlossen. Ich klopfte, Barbarina öffnet mir Besonders ängstlich. Dies Benehmen ließ mich argwöhnen, Ich schaue, ich suche in jedem Winkel, Ganz vorsichtig lüft’ich Das Tuch am Tische Und sehe den Pagen! Oh, was seh’ich! SUSANNA Oh, grausamer Himmel! BASILIO Oh, noch besser! GRAF Tugendreichste Dame! Nun versteh' ich, was man spielt. SUSANNA Schlimmeres konnte nicht geschehen; Gerechte Götter! Was wird nun werden? BASILIO So machen es alle Schönen! Das ist nicht neu.

N. 8. Coro
CONTADINI E CONTADINE
Giovani liete,
Fiori spargete
Davanti al nobile
Nostro signor.
II suogran core
Vi serba intatto
D’un più bel fiore
L’almocandor.

Nr. 8 Chor BURSCHEN UND MÄDCHEN Fröhliche Jugend, Streut Blumen Vor unserem Edlen Herrn. Sein großes Herz Läßt unberührt Der schönsten Blume Göttliche Reinheit.

Ulysses S. 622f





2. Oktober

Mozart KV 492 Le nozze di Figaro: Cavatina Porgi amor qualche ristoro
Arie Venite, inginocchiatevi

Odyssee 18, 243 - 280


Penelope bei den Freiern.

Eurymachos, trunken vom Anblick der reizenden Königin:
"Ikarios' Tochter, wenn dich alle Achaier in ganz Griechenland sehen könnten, wahrhaftig, es erschienen morgen noch viel mehr Freier zum Schmause: so weit übertriffst du alle Weiber an Gestalt und Geist!"
"Ach, Eurymachos, meine Schönheit ist dahin, seit mein Gemahl mit den Griechen gen Troja fuhr! Als Odysseus das Ufer verließ und mir zuletzt die Hand reichte, da sprach er: ›Liebes Weib, die Griechen werden, denk ich, wohl nicht alle gesund von Troja heimkehren: die Trojaner sollen des Streites kundige Männer sein, treffliche Speerschleuderer, Bogenschützen, Wagenlenker. Wenn dein Sohn herangewachsen ist und ich nicht mehr heimkehre, dann magst du dich vermählen.‹
Weh mir, der entsetzliche Tag der Hochzeit naht heran, und unter welchem Kummer gehe ich ihm entgegen! Denn diese Freier sind furchtbar. Wenn andere eines ansehnlichen Mannes Tochter zum Weibe begehren, so bringen sie Rinder und Schafe zum Schmause mit und Geschenke für die Braut und verprassen nicht fremdes Gut ohne alle Entschädigung!"

Tu den Affektthemen Rache und Sehnsucht nach erfüllter Liebe in der Odyssee kommt in Mozarts Oper 'Le nozze di Figaro' ein weiteres hinzu: das Erwachen erotischen Verlangens. Um alle drei Themen drehen sich die meisten Arien. Revolutionär ist "Figaro" an unscheinbaren Stellen, so im 2. Akt in der Cavatina der Contessa (Nr. 10 "Porgi amor") und in der Arie der Susanna (Nr. 12 "Venite, inginocchiatevi"). Letztere charakterisiert sowohl Susannas patente Geschäftigkeit, als auch kommt in ihr die Einzigartigkeit Amadés zum Vorschein, einzelne Affekte oder Emotionen und rein physisches Agieren und Interagieren zu beschreiben.
Und könnte die Aria Susannas (Nr. 13) nicht auch von Penelopes Lippen klingen?

Ungewöhnlich ist, dass im "Figaro" ein Finale zweimal vorkommt. Das erste, quasi vorläufige Finale schließt den zweiten Akt ab, das zweite, endgültige, folgt nach dem vierten Akt.

Inhalt 2. Akt:
Zimmer der Gräfin. Sie drückt ihren Schmerz über die Untreue des Gatten aus. Mit Susanna und Figaro werden Pläne erwogen, dem Grafen die Einwilligung zur Hochzeit von Figaro und Susanna abzulisten und ihm selber einen Denkzettel für seine Untreue zu verpassen. Figaro wird ihm ein Briefchen zuspielen, mit dem er auf ein Stelldichein der Gräfin hingewiesen wird. Gleichzeitig soll Cherubino, der noch immer im Schloss weilt, als Susanna verkleidet den Grafen im Garten treffen. Cherubino darf der Gräfin seine Kanzone vortragen; dann wird seine Verkleidung ausprobiert. Plötzlich verlangt der Graf Einlass ins Zimmer. Cherubino schlüpft eilig ins Kabinett. Während der Graf mit der Gräfin fortgeht, um Werkzeug zu holen, mit dem er die Türe des Kabinetts aufbrechen will, springt Cherubino aus dem Fenster in den Garten, wobei er sein Offizierspatent verliert, und Susanna, die sich währenddessen im Alkoven versteckt gehalten hatte, geht für ihn ins Kabinett. Dort findet sie der Graf anstelle des Cherubino. Almaviva entschuldigt sich, bekommt aber schon bald heraus, dass das Briefchen für das Stelldichein von Figaro stammt. Gerade versucht dieser, die prekäre Situation zu meistern, als der Gärtner Antonio berichtet, er habe jemanden aus dem Fenster springen sehen. Figaro behauptet, er sei es gewesen und habe dabei auch das Offizierspatent Cherubinos verloren, auf dem noch das Siegel fehlt. Der Graf scheint überlistet. Als Bartolo und Marcellina erscheinen und die Erfüllung des Hciratsversprcchens fordern, schiebt der Graf bis zur Klärung der Angelegenheit die Hochzeit weiter hinaus.
Arie: „Porgi, amor, qualche ristoro“ – „Heil'ge Quelle reiner Triebe“: Zimmer der Gräfin. Die Gräfin beklagt des Grafen Untreue.
Arie (Susanna) : „Venite, inginocchiatevi“ – „Komm näher, kniet vor mir“: Sie frisieren Haare.
Die Aufnahme der Oper in Prag ist von Begeisterung getragen. Sie trifft auf ein revolutionäres Bewusstsein, das sich hier im ständigen Kampf gegen deine Feudalherrschaft herausgebildet hat, die ihre ökonmische Macht noch tief bis 18. Jahrhundert hinein mittels Leibeigenschaft aufrechterhält. Und seit dem 30jährigen Krieg ist das Verhältnis zu Wien getrübt. Adel und Bürgertum haben im engen Verbund mit der Kirche eine eigene Kultur entwickelt, die die tschechische Metropole zu einer europäischen von Geiseswissenschaften und Musik werden ließ.

KV 492 Nr. 10 29:14, Nr. 12 Nr. 12 34:51

10. Cavatina
LA CONTESSA
Porgi amor, qualche ristoro
al mio duolo, a'miei sospiri:
O mi rendi il mio tesoro,
O mi lascia almen morir.

GRÄFIN Gewähr, Amor, einigen Trost! Meinem Schmerz, meinen Seufzern: Gib mir meinen Liebsten zurück Oder lass mich sterben.

12. Aria
SUSANNA
Venite... inginocchiatevi...
Restate fermo li...
Pian piano, or via giratevi...
Bravo... va ben cosi.
La faccia ora volgetemi,
Olà! quegli occhi a me...
Drittissimo... guardatemi...
Madamaqui non è.
Più alto quel colletto,
Quel ciglio un po’più basso
Le mani sotto il petto ...
Vedremo poscia il passo
Quando sarete in pie.
Mirate il bricconcello,
Mirate quanto è bello,
Che furba guardatura.
Che vezzo, che figura!
Se l’amano le femmine,
Han certo il lor perché.

SUSANNA Kommt her... kniet nieder... Bleibt dort... Langsam nun dreht Euch ... Ausgezeichnet... so geht ’s gut. Zeigt mir das Gesicht, Holla! Die Augen zu mir... Ganz gerade... schaut mich an ... Die Herrin ist nicht hier. Den Kragen etwas höher, Die Brauen etwas tiefer. Die Hände unter die Brust... Wir sehen, wie Ihr schreitet, Wenn Ihr Euch erhebt. Bewundert den Schelm, Staunt, wie schön er ist, Welch kecker Blick, Wie zart, welche Figur! Wenn die Frauen ihn lieben, So wissen sie warum.

Ulysses S. 624f.





3. Oktober

Mozart KV 495 Konzert Nr. 4 Es-Dur für Horn und Orchester

Odyssee 18, 281 - 311


Mit Freude hört Odysseus die Worte, die Penelope den Feiern sagt.

Antinoos: "Edle Königin, gern wird dir jeder von uns die köstlichsten Gaben darbringen, und wir bitten dich, entziehe dich unsern Geschenken nicht. Aber in unsere Heimat kehren wir nicht zurück, bis du dir den Bräutigam aus unserer Mitte auserkoren hast."
Diener bringen Geschenke. Antinoos ein gewirktes buntes Gewand mit 12 goldenen Spangen; Eurymachos ein kunstvolles goldenes Brustgeschmeide; Eurydamas ein Paar Ohrringe, jeder in drei Diamanten spielend; Peisander ein Halsband voll der köstlichsten Kleinode.
Penelope steigt mit ihren Geschenken und den Dienerinnen wieder in den Söller empor.
Die Freier vergnügen sich im Reihentanz, als es dunkelt, stellen die Mägde drei Feuerlampen zur Beleuchtung im Saale umher und legen getrocknete Scheiter, mit Kienspänen gemischt, hinein.

Das Figaro-Jahr 1786 wird zum Umbuchjahr in Mozarts Leben. Die Adeligen Wiens wollen nichts mehr mit Mozart, der lange genug sich erfrechte, ihr Geld und ihre Gunst in Anspruch zu nehmen; so manche Rechnung ist offen geblieben als Folge seines aufwändigen Lebensstils. Der Aufmarsch der Gläubiger beginnt. Joseph Leutgeb aber spielt unverdrossen zum Tanz der Freier mit seinem Horn auf.
Die Musik des befreundeten Hornisten inspiriert Amadé zur Komposition einer - im Vergleich zu anderen Blasinstrumenten - recht hohen Zahl konzertanter Werke für Horn. Mozart folgt einem schematischen Formaufbau: In KV 495 von 1786 schließt sich einem knappen Sonatensatz eine Kantilene an; der Finalsatz, in Rondoform, ist geprägt von Jagdassoziationen.
Der erste Satz des Konzertes Es-dur KV 495 erinnert an die Kantate "Die Mauerfreude" KV 471; der Finalsatz ähnelt dem des Hornkonzertes KV 417.

KV 495

Ulysses S. 625f.





4. Oktober

Mozart KV 496 Klaviertrio G-Dur

Odyssee 18, 311 - 342


Odysseus gesellt sich zu den Mägden, schickt sie zu ihrer Herrin, die Spindel zu drehen und Wolle zu kämmen. Für das Feuer im Saale will er sorgen.
Die Mägde sehen einander an und lachen laut auf.
Melantho, welche Penelope wie ein Kind aufzog, jetzt die Geliebte von Eurymachos:
"Du elender Bettler, du bist ein rechter Narr, sprichst du im Rausche oder schwindelt dir, weil du den Iros besiegt hast?"
"Hündin, ich gehe, deine frechen Worte dem Telemach zu melden, dass er dich in Stücke zerhaue!"
Die Mägde glauben, er meine das ernst, sie fliehen mit bebenden Knien aus dem Saal.

Die mit diesem "Terzett" von 1786 (ein Begriff aus der Vokalmusik), dem Klaviertrio G-dur KV 496 beginnende Werkserie Mozarts wird gegenüber dem Divertimento anspruchsvoller. Er lässt das Violoncello etwas mehr aus seiner rein begleitenden Rolle herausreten, während das Klavier nach wie vor dominiert, wie das ausgedehnte Klaviersolo zu Beginn zeigt. Amadé durchbricht hier das übliche dreisätzige Schema: Statt eines Schlussrondos schreibt er einen Variationssatz, in dessen vierter Variation das Violoncello die melodische Führung übernimmt.
Im Privatleben Mozarts wird des dunkler. Sein drittes - wie sein erstes - Kind ist kurz nach der Geburt gestorben. Das Gefühl, als Komponist unterschätzt zu sein, fördert seine Gereiztheit - hin bis zur Menschenverachtung. Er gerät mehr und mehr ins gesellschaftliche Abseits, muss befürchten, sich selbst an die stets wiederkehrenden Depressionen zu verlieren.

KV 496

Ulysses S. 626f.







5. Oktober

Mozart KV 497 Sonate zu vier Händen G-dur

Odyssee 18, 343 - 375


Odysseus hängt bei den Feuerschalen im Saal seinen Rachegedanken nach. Eurymachos höhnt ihn:
"Der Mann ist wahrhaftig als eine lebendige Leuchte von einem Gott in diesen Saal geschickt worden: schimmert nicht sein Kahlkopf, auf dem auch kein einziges Härchen mehr zu erblicken ist, gerade wie eine Fackel? Hör, Bursche, hättest du nicht Lust, dich mir zum Knechte zu verdingen, mir auf meinen Gütern die Dornzäune zu flechten und Bäume zu pflanzen? Aber du bettelst lieber und füllst dir deinen Bauch mit Almosen, was keinen Schweiß kostet."
"Eurymachos, ich wollte, es wäre Frühling und wir mähten miteinander in die Wette Gras auf der Wiese; du hieltest die Sense und ich hielte sie und beide müssten wir nüchtern bis spät in die Nacht arbeiten: es sollte sich zeigen, wer es länger aushielte! Oder ich wollte, wir ständen beide an der Pflugschar: du solltest sehen, wie ich die Furche in einem Zuge durchschnitte!"

Wegen der zu Mozarts Zeiten kürzeren Tasten, war vierhändiges Klavierspiel eine Seltenheit. Die Geschwister Mozart hatten es auf ihren frühen Konzertreisen mit dem Vater verstanden, bevorteilt durch ihre Kinderhände, publikumswirksam als Duo an einem Instrument aufzutreten. So hat Amadé in dieser Gattung schon als Kind Erfahrung gesammelt, er kultiviert sie später als Pionier.
Die Sonate KV 497 ist - wie auch die vierhändige C-Dur Sonate KV 521 - für das Zusammenspiel mit Mozarts Wiener Schülerinnen bestimmt und entsteht 1786. Die langsame Einleitung des 1. Satzes ist damals für Klavierwerke unüblich und eher in Sinfonien zu finden. Auch das in dieser Zeit bei Mozart vermehrte Aufkommen polyphoner Techniken, inspiriert durch Händel und J. S. Bach, fällt auf und weist diese Sonate als gleichwertiges Pendant zu seinen zweihändigen Werken aus.

KV 497

Ulysses S. 812ff.





6. Oktober

Mozart KV 497a (KV 357) Sonate für Klavier zu vier Händen G-dur

Odyssee 18, 376 - 404


Odysseus legt sich mit Eurymachos an.

"Elender, empfang auf der Stelle den Lohn für deine trunkenen Reden!" Mit diesem Zuruf schleudert er einen Fußschemel nach Odysseus, dieser aber duckt sich hinter Amphinomos nieder, dass der Schemel über ihn den Mundschenken an der rechten Hand trifft, die Weinkanne rollt auf den Boden, der Mundschenk fällt rückwärts zu Boden.
Die Freier verfluchen den Fremdling, der solche Störung in ihre Freuden bringe.

Sie sind Fragment geblieben, die beiden Sätze KV 497a. Fraglich ist, ob sie der Beginn einer geplanten Sonate sind - es würde in diese Zeit passen, wo Amadé mit vierhändigen Sonaten experimentiert ...
Beide Bruchstücke von 1786 - dennoch immer wieder wunderschön (das Allegro endet neun Takte nach Beginn des 2. Teils, das Andante nach 160 Takten) - hat Julius André bei ihrer Erstveröffentlichung 1853 komplettiert.

KV 497a Allegro

Satz 2

Ulysses S. 819f.





7. Oktober

Mozart KV 498 Trio Es-Dur für Klavier, Klarinette und Viola, "Kegelstatt-Trio"

Odyssee 18, 405 - Schluss


Odysseus im Streit mit den Freiern.

Telemach fordert höflich, aber bestimmt seine Gäste auf, sich zur Nachtruhe zu begeben.
Amphinomos: "Ihr habt billige Worte vernommen, meine Freunde, widersetzet euch nicht; auch den Fremdling soll niemand hinfort, weder ihr noch ein Diener im Palaste, mit Wort oder Werken kränken! Füllet die Becher noch einmal zur Opferspende, und dann lasst uns nach Hause wandeln. Der Fremdling aber bleibe hier unter dem Schutze des Telemach, an dessen Herd er sich geflüchtet hat."
So geschieht es.

Nicht mit einer Opferspende für die Götter, sondern mit dem Trio KV 498 für seine Lieblingsschülerin

Franziska von Jacquin

hat Amadé 1786 eine Kegelpartie beendet, weshalb es den Beinamen "Kegelstatt-Trio" trägt.
Die ungewöhnliche Besetzung für Klavier, Klarinette und Viola geht vermutlich auf Mozarts Bekanntschaft mit dem Klarinettisten Anton Stadler zurück, der wohl auch für den Klarinettenpart dieses Werkes vorgesehen war. Bemerkenswert ist vor allem die eigenwillige Form des Trios: Ein Andante und ein rondoförmiges Allegretto umschließen ein Menuett mit Trio. Immer wieder zeigt sich die Gleichberechtigung der Instrumente, wenn beispielsweise die Klarinette das zweite Thema des ersten Satzes in der Exposition spielt und in der Reprise es die Viola wiederholt oder im Finalsatz der dialogische Wettstreit der Melodieinstrumente das in früheren Trios dominierende Klavier mehr und mehr in den Hintergrund drängt.

KV 498 1. Andante

KV 498 2. Menuetto

KV 498 3. Rondo Allegretto

Ulysses S. 632ff.





8. Oktober

Mozart KV 498a Anh. C 25.04/05 Sonatensatz und Menuett

Odyssee 19, 1- 34


Odysseus und Telemach allein im Saal.

"Geschwinde lass uns jetzt die Rüstungen verwahren!"
Vater und Sohn tragen die Helme, die Schilde, die Lanzen, in die Kammer, und vor ihnen schreitet mit goldener Feuerschale Pallas Athene und leuchtet.

Wie es bei der Beleuchtung im Rittersaal auf der Burg von Ithaka nicht mit rechten Dingen zugeht, so ist bei der viersätzigen Sonate KV 498a nicht klar, ob sie Amadé wirklich komponiert hat - wir glauben es...
In dem heiteren Allegro arbeitet der Komponist vorwiegend mit Arpeggien im Bass und Synkopen in der rechten Hand. Es folgt ein ruhiges Andante. Bezüglich des Menuetts, ursprünglich ein Quartettsatz, soll es sich um das von G- nach B-Dur transponierte verschollene Menuett aus Mozarts Kleiner Nachtmusik KV 525 handeln. Der Finalsatz ein Rondo, das aus Bestandteilen der Finalsätze von KV 450, 456 und 595 gemischt ist.
Die Zusammenstellung der Sonate von 1786 geht vermutlich auf den Verleger André zurück.

KV 498a

Ulysses S. 633ff.





9. Oktober

Mozart KV 499 Streichquartett (Nr. 20) D-Dur "Hoffmeister-Quartett"

Odyssee 19, 35 - 74


Telemach und Odysseus bringen die Waffen fort.

Telemach wundert sich über die Helligkeit im Schloss:
"Wie schimmern die Wände des Hauses! Wie deutlich sehe ich jede Vertiefung, jeden Fichtenbalken, jede Säule, und alles leuchtet wie Feuer! Fürwahr, es muss ein Gott bei uns sein, ein Himmelsbewohner!"
Odysseus beruhigt seinen Sohn und schickt ihn ins Bett.
Penelope kommt, stellt ihren mit Silber und Elfenbein ausgelegten Sessel zum Feuer. Dann kommen die Mägde, räumen Brot und Becher von den Tischen. Melantho fährt Odysseus/den Bettler an:
"Fremdling, du wirst doch nicht die Nacht über dableiben und im Palaste herumlungern wollen? Geh auf der Stelle aus der Türe hinaus, wenn nicht dieser brennende Scheit dich treffen soll!"
Odysseus:
"Unbegreifliche, warum bist du so erbittert auf mich? Weil ich in Lumpen gehe und bettle? Ist das nicht das gemeinsame Schicksal aller Umherirrenden?"

Das Quartett in D-Dur KV 499 stellt eine Art Brücke dar zwischen den Haydn-Quartetten, deren Einfluss noch deutlich spürbar ist, und der späteren Kammermusik, auf deren reifere und individuelle Kompositionsweise es sich bereits zubewegt. (Das folgende Quartett KV 575 setzt Amadé ebenfalls in D-Dur, weswegen der Titel Hoffmeister-Quartett zur Unterscheidung geläufig wurde - in der Erstausgabe erscheint es im Verlag unter diesem Namen.)
Im August des Jahres 1786 findet sich im eigenen "Verzeichnüß" Mozarts der Eintrag für Nr. 499.
Mozart hatte für den Verleger Hoffmeister drei Klavierquartette schreiben sollen, von denen aber nur eines, das in g-moll KV 478, bei ihm erscheint. Hoffmeister tut alles, um aus dem Kontrakt mit Mozart herauszukommen, denn er fürchtet um den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Zu neu ist die Gattung »Klavierquartett«, zudem hatte Mozart seinen Verleger mit dem g-moll-Quartett mit einem technisch wie musikalisch höchst anspruchsvollen Werk bedient (das dritte Klavierquartett hat Mozart nicht mehr geschrieben).
Der Kopfsatz ist ein Allegretto im Allabrevetakt, »einthematig« zwar, aber mit einer Fülle motivischer Verwandlungen und Durchführungen, Imitationen und kontrapunktischen Verarbeitungen. Ein »Gegenthema« entsteht erst gegen Ende der Exposition in einer unscheinbaren, staccato zu spielenden Achtel-Figuration, ein Motiv, das zum tragenden Element der Durchführung wird und dort wechselweise in dem einen oder anderen Instrument stets präsent bleibt. Auch in der Coda greift es Amadé wieder auf und kombiniert es mit Elementen des Hauptthemas.
An zweiter Stelle steht ein klangvolles, in seiner Thematik zunächst volkstümlich wirkendes Menuett, in dessen zweitem Teil es aber zu kunstvollen Imitationsbildungen kommt.
Das Trio in d-moll ist in seiner Melodiebildung von Triolen bestimmt, formal ein ebenso anspruchsvolles Gebilde wie das Menuett.
Als dritten Satz schreibt Mozart ein Adagio in G-dur, in seiner »sprechenden« Dynamik ein höchst ausdrucksvoller und klangschöner Satz voller melodischem Reichtum und einer Fülle von Durchfiihrungselementen.
Der Schlusssatz ist wiederum ein Sonatensatz, dessen dahineilendes Hauptthema und die daraus abgespaltenen Motive entfernt an die Figaro-Ouvertüre erinnern.

KV 499

Das in den 1970er Jahren gegründete Streichquartettensemble Hagen aus Salzburg gehört zu den führenden Streichquartetten der Welt. Es bestand ursprünglich aus vier Geschwistern, von denen drei nach wie vor in dem Quartett musizieren.
Das Quartett spielte 2013 bis 2017 auf vier geliehenen Stradivari-Instrumenten, die einst Niccolò Paganini gehörten,

Ulysses S.635ff.





10. Oktober

Mozart KV 500 Zwölf Variationen B-Dur über ein eigenes Thema für Klavier

Odyssee 19, 75 - 105


Odysseus in seiner Widerrede zur Magd Melantho, weiter :
"Einst war auch ich glücklich, wohnte im reichen Hause, gab dem wandernden Fremdling, wie auch sein Aussehen sein mochte, was er bedurfte. Auch Diener und Dienerinnen hatte ich genug; doch das alles hat mir Zeus genommen. Bedenke, Weib, dass es dir auch so gehen könnte; wie, wenn die Fürstin einmal dir ernstlich zürnete? Wenn gar Odysseus heimkäme? Noch ist die Hoffnung dazu nicht ganz verschwunden! Oder wenn Telemach, der kein Kind mehr ist, an seiner Stelle handelte?"
Penelope hört, was der Bettler spricht, schilt die übermütige Dienerin: "Schamloses Weib, ich kenne deine schlechte Seele wohl und weiß, was du tust; du sollst es mir mit deinem Kopfe büßen! Hast du doch selbst von mir gehört, dass ich den Fremdling ehre und ihn in meinen eigenen Gemächern über den Gemahl befragen will, und dennoch wagst du's, denselben zu verhöhnen!"
Melantho schleicht eingeschüchtert davon, die Schaffnerin stellt dem Bettler einen Stuhl hin, Penelope fragt ihn: "Wer und woher bist du?"
Wie so oft wird die Kunstfigur des Wer? und Woher? in der Odyssee variiert ...

Mozarts Zwölf Variationen für Klavier über ein Allegretto in B-Dur KV 500 gehören in das Jahr 1786.
Amadé verzichtet weitgehend auf brillante pianistische Effekte. Das schlichte Thema im Gavottenrhythmus lockert er zunächst nach alter Variationsmanier auf, bildet es um. Bemerkenswert sind die Variationen VIII, in der Mozart die Technik des Quartettsatzes anwendet, und X, wo er Fragmente des Themas im Diskant mit einem Bassmotiv koppelt, sowie zwei virtuose Kadenzen.

KV 500

Ulysses S. 639ff.





11. Oktober

Mozart KV 501 Andante mit fünf Variationen G-Dur für Klavier zu vier Händen

Odyssee 19, 106 - 136


Odysseus/Bettler will nichts über seine Herkunft verlauten lassen.

Er habe zu viel Weh erduldet, als dass er daran erinnert werden möchte. Ihr, antwortet Penelope, sei es nicht besser ergangen, seit ihr geliebter Gemahl sie verlassen habe.

Mozart variiert die Stimmung zwischen dem Ehepaar Penelope/Odysseus, beide wollen nicht an die Vergangenheit denken ...

Die fünf Variationen über ein eigenes Thema in G-Dur für Klavier zu vier Händen von 1786 sind höchstwahrscheinlich als Unterrichtswerk gedacht. Dem heiteren Thema lässt Amadé eine virtuose Variation mit Zweiunddreißigstelbegleitung folgen. Eine Moll-Variation setzt unerwartete tragische Akzente; die letzte Variation gestaltet er in der Art eines kleinen Marsches. Das wiederkehrende Thema schließt das Werk ab.

KV 501

Ulysses S. 640f.





12. Oktober

Mozart KV 502 Klaviertrio B-Dur

Odyssee 19, 137 - 163


Penelope erzählt von ihrer Bedrängnis.
Sie berichtet vom Weben und wie die Mägde den Betrug offenbarten.
"Hinfort kann ich der Vermählung nicht mehr ausweichen; meine Eltern drängen mich, mein Sohn zürnt über die Verschwendung seines Erbguts. So siehst du, wie es mir ergeht. Nun wohlan, verschweige mir auch dein Geschlecht nicht!"

Penelope mit all ihren Sorgen ist die Cellopartie gewidmet ...
Im Trio KV 502 von 1786 gibt Amadé dem Violoncello eine neue Selbständigkeit. Besonders im Final-Rondo lässt er das Instrument mit der Violine korrespondieren und sich an der musikalischen Verarbeitung des Themas beteiligen. Außerdem verzahnt Mozart eine reichhaltige dynamische Staffelung mit auffälligen Tutti-Solo-Teilen. Diese konzertanten Elemente der Instrumente integriert er ohne Bruch in den kammermusikalischen Rahmen, weist damit über die Grenzen des Genres hinaus.

KV 502

Ulysses S.641f.





13. Oktober

Mozart KV 503 Konzert Nr. 25 C-Dur für Klavier und Orchester

Odyssee 19, 164 - 203


Auch Penelope tischt Odysseus eine Lügengeschichte über seine Herkunft auf:
Von Kreta und wie er Odysseus traf.

Mozart untermalt feierlich die Story des Odysseus.
In Besetzung und kompositorischer Anlage steht das am 4. Dezember 1786 vollendete Konzert KV 503 in der Tradition der sinfonischen Konzerte. Die ungewöhnlich langen Orgelpunkte, Dreiklangsmotive (selten in den Klavierkonzerten) und häufige Dur-Moll-Wechsel in allen drei Sätzen kennzeichnen dieses Werk. Im Gegensatz zu KV 482, 488 und 491 verzichtet Mozart hier wieder auf Klarinetten, bringt aber in den Ecksätzen Trompeten und Pauken. Im Andante schweigen diese wie üblich; dafür nehmen die Holzbläser und Hörner am musikalischen Geschehen prägend teil. Den Finalsatz eröffnet Amadé ausnahmsweise mit einem ausgedehnten Orchester-Ritornell, das nur ein Thema bringt und den sinfonischen Charakter des Werkes nochmals herausstellt. Ein darin enthaltenes, neun Takte umfassendes Moll-Intermezzo stellt eine Verbindung zum ersten Satz her.

KV 503

Ulysses S. 642ff.





14. Oktober

Mozart KV 504 Sinfonie Nr. 38 D-Dur "Prager"

Odyssee 19, 203 - 235


Penelope will den Bettler prüfen, ob er die Wahrheit erzählt.
Er solle ihr sagen, welches Gewand Odysseus trug, wie er aussah, wie sein Gefolge war. Es sei 20 Jahre her, dass der Held auf Kreta landete. Doch soviel er sich erinnere, war sein Kleid zwiefach, purpurn, von langer Wolle, eine goldene Spange daran, die mit doppelten Röhren schloss, vorn war ein prächtiges Stickwerk angebracht, ein Rehlein, das zwischen den Vorderklauen eines Hundes zappelte; unter dem Purpurmantel schaute der feinste schneeweiße Leibrock hervor. Ein bucklichter Herold mit Lockenhaar und braunem Gesichte, namens Eurybates, folgte ihm. Von neuem musste die Königin weinen, denn alles stimmte.

Mozart - wie Odysseus - geht dem Höhepunkt seines Daseins entgegen ...
Im Januar 1786 wird Sinfonie Nr. 38 D-Dur in Prag uraufgeführt. Dem war der Erfolg der Aufführung der Oper "Le Nozze de Figaro" zuvor in eben dieser Stadt vorangegangen.
Mozart versucht, in der Sinfonie die Idee einer gedanklich-thematischen Einheit zu realisieren, mit der auch der Umstand des fehlenden Menuetts zu erklären ist: Dimensionen und Aussage der drei Sätze machen eine Ergänzung überflüssig. Der Kopfsatz, beginnend mit einer gewichtigen Einleitung, zeichnet sich durch seine Mehrschichtigkeit aus: Oftmals liegen Thema, Kontrapunkt und andere Motive übereinander. Auch das Andante ist geprägt von polyphoner Dichte. Die Verwendung der Sonatenform statt des problemloseren Rondos im Finale, unterstreicht den gewachsenen Anspruch.

KV 504

Ulysses S. 644ff.





15. Oktober

Mozart KV 505 "Ch'io mi scordi di te?" - "Non temer, amato bene"

Odyssee 19, 236 - 267


Penelope erkennt die Kleidung des Odysseus, die ihr der Bettler beschreibt.
Odysseus tröstet sie.
Und Penelope stimmt an: "Ch’io mi scordi di te"

Den Text für KV 505 entnimmt Mozart seiner Oper Idomeneo. Die Szene mit obligatem Klavierpart schreibt er 1786 für


Nancy Storace,

erste Susanna im Figaro. Mozart selbst spielt bei der Aufführung am 23. Februar 1787 das Klavier. Den Text des Rezitativs, ursprünglich ein Dialog mit Ilia, kürzt er. Die Komposition steht KV 490 sowohl textlich als auch in der Konzeption sehr nahe, wobei der Part des obligaten Klaviers hier noch längere Solopassagen aufweist und Amadé die Singstimme noch virtuoser behandelt.

KV 505

IDAMANTE
Ch’io mi scordi di te?

Che a lui mi doni
Puoi consigliarmi?
E puoi voler che in vita...
Ah no.

Sarebbe il viver mio
Di morte assai peggior.
Venga la morte,
Intrepida l’attendo.
Ma, ch’io possa struggermi ad altra face,
Ad altr’oggetto
Donar gl’affetti miei,
Come tentarlo?
Ah! di dolor morrei.

Non temer, amato bene,
Per te sempre il cor sarà.
Più non reggo a tante pene,
L’alma mia mancando va.

Tu sospiri? o duol funesto!
Pensa almen, che istante è questo!
Non mi posso, oh Dio! spiegar.

Stelle barbare, stelle spietate!
Perché mai tanto rigor?

Alme belle, che vedete
Le mie pene in tal momento,
Dite voi, s’egual tormento
Può soffrir un fido cor?

IDAMANTE Daß ich dich vergessen sollte? Du kannst mir raten, dass du mich ihm gibst? Und du kannst wollen, dass in meinem Dasein ... Ach nein. Das Leben wäre viel schlimmer als der Tod! Der Tod möge kommen, ich erwarte ihn unerschrocken. Doch dass ich an einer anderen Fackel schmelzen könnte, das ich meine Liebesgefühle einem anderen Wesen schenken könnte; wie sollt ich das versuchen? Ach, ich würde vor Schmerz sterben. Fürchte dich nicht, geliebtes Wesen, dies Herz wird immer für dich da sein. Ich kann nicht mehr vor so großen Schmerzen bestehen. Es stockt mein Herz. Du seufzt? Ach verhängnisvoller Schmerz! Bedenke wenigstens, welch ein Augenblick dies ist! Ach Gott, ich kann es nicht erklären. Grausame Sterne, erbarmungslose Sterne! Weshalb nur solche Härte? Ihr schönen Wesen, die ihr meine Schmerzen in diesem Augenblick anschaut, sagt doch, ob ein treues Herz eine solche Qual ertragen kann?

Ulysses S. 645





16. Oktober

Mozart KV 506 "Lied der Freiheit" Lied für Singstimme und Klavier

Odyssee 19, 268 - 307


Odysseus/der Bettler beruhigt Penelope.
Er tröstet sie mit einem neuen Märchen, in das er jedoch manche Wahrheit einmischt, von seiner Landung auf Sizilien und seinem Aufenthalt im Lande der Phäaken. Das alles will der Bettler vom König der Thesproten wissen, wo Odysseus vor seiner Reise zum Orakel nach Dodona sich zuletzt aufgehalten und große Schätze hinterlegt habe, die der Bettler selbst gesehen zu haben vorgibt. Odysseus' Rückkunft beim nächsten Neumond sei so gut als gewiss.

Das Lied der Freiheit komponiert Amadé für eine Singstimme mit Klavier, der Text stammt von Johann Alois Blumauer und hat vier Strophen. Es erschien 1786 in einem Almanach und entstand Ende des Jahres 1785. Das Lied steht in F-Dur, der letzte Vers "Er kennt die goldne Freiheit nicht" erfolgt als dreifacher Ausruf.

KV 506

Lied der Freiheit

Wer unter eines Mädchens Hand
Sich als ein Sklave schmiegt
Und, von der Liebe festgebannt,
In schnöden Fesseln liegt:
Weh dem! Der ist ein armer Wicht,
Er kennt die gold'ne Freiheit nicht.

Wer sich um Fürstengunst und Rang
Mit saurem Schweiss bemüht,
Und, eingespannt sein Leben lang,
Am Pflug des Staates zieht:
Weh dem! Der ist ein armer Wicht,
Er kennt die gold'ne Freiheit nicht.

Wer um ein schimmerndes Metall
Dem bösen Mammon dient,
Und seiner vollen Säcke Zahl
Nur zu vermehren sinnt:
Weh dem! Der ist ein armer Wicht,
Er kennt die gold'ne Freiheit nicht.

Doch wer dies alles leicht entbehrt,
Wonach der Thor nur strebt,

Und froh bei seinem eignen Herd
Nur sich, nicht Andern lebt,
Der ist's allein, der sagen kann:
Wohl mir, ich bin ein freier Mann!

Ulysses S. 645f.





17. Oktober

Mozart KV 507 "Heiterkeit und leichtes Blut" Dreistimmiger Kanon F-Dur

Odyssee 19, 308 - 334


Penelope ist von der Prophezeiung des Bettlers nicht überzeugt.
"Mir ahnet im Geiste, dass das niemals geschehen wird." Sie befiehlt nun den Mägden, dem Fremdling die Füße zu waschen und ihm ein gutes, warmes Lager zu bereiten.

Der dreistimmige Kanon in F-Dur KV 507 entsteht 1786 vermutlich als Lehrstück für Mozarts englischen Lieblingsschüler


Thomas Attwood.

Da es im Unterricht in erster Linie um das Einüben kanonischer Techniken geht, ist der Kanon ursprünglich untextiert. Er wird erst für eine Veröffentlichung einige Jahre nach Mozarts Tod im Verlag Breitkopf & Härtel mit dem Text "Heiterkeit und leichtes Blut" unterlegt.

KV 507 (und KV 508)

Heiterkeit und leichtes Blut
macht ein frohes Herz und guten Mut.
Flieht, ihr Sorgen, weit von mir,
trübt nicht meines Herzens Seligkeit.
Heiterkeit und leichtes Blut
macht ein frohes Herz und guten Mut.

Ulysses S. 646ff.





18. Oktober

Mozart KV 508 "Auf das Wohl aller Freunde" Dreistimmiger Kanon F-Dur

Odyssee 19, 335 - 368


Odysseus schlägt den Dienst der verhassten Dienerinnen aus.
Er will wie bisher auf schlechtem Stroh schlafen.
"Nur wenn du ein altes, redliches Mütterchen hast, Königin, das soviel im Leben duldete wie ich selbst, das mag mir die Füße waschen."
"Nun, so erhebe dich, ehrliche Eurykleia, hast du doch einst den Odysseus großgezogen; wasche nun diesem da die Füße, der gerade so alt ist wie dein Herr." Und mit Blick auf den Bettler: "Solche Füße, solche Hände hat vielleicht jetzt auch Odysseus; pflegen doch die Menschen im Unglück frühe zu altern!"
Die greise Pflegerin weint bei diesen Worten.

Der dreistimmige Kanon in F-Dur KV 508 von 1786, in dem jede Stimme eine Sekunde höher einsetzt als die vorangehende, entsteht - wie KV 507 - vermutlich als Lehrstück. Auch er ist ursprünglich untextiert und wird erst für eine Veröffentlichung einige Jahre nach Mozarts Tod im Verlag Breitkopf & Härtel mit dem Text "Auf das Wohl aller Freunde" unterlegt. Die Melodie passt aber eher zur tristen Stimmung im Palast von Ithaka als zu einem Trinkspruch ...

KV 508 (Start bei 1:07)

Auf das Wohl aller Freunde
sey das Glas geleert!
Jeder, der zu uns gehört,
lebe froh,
Er lebe hoch,
hoch!

Ulysses S. 657ff.





19. Oktober

Mozart KV 509 Sechs Deutsche Tänze für Orchester

Odyssee 19, 369 - 400


Eurykleia will Odysseus die Füße waschen.
Er sei Odysseus an Getalt und Wuchs so ähnlich. Odysseus befürchtet, sie werde ihn an seiner Narbe erkennen.

Beim Grafen Pachta in Prag geht es nicht um eine Fußwaschung, sondern um die Komposition eines deutschen Tanzes.
"Jeder Teutsche hat sein Trio, oder vielmehr Alternativo; – nach dem Alternativo wird der Teutsche wider widerhollet, dann wieder das Alternativo; dann geht es durch den Eingang weiter in den folgenden Teutschen", notiert Amadé auf dem Autograph der 1787 in Prag entstandenen Sechs Deutschen Tänze KV 509.
Die vielleicht glücklichsten Zeiten in Amadés leidvollen letzten Jahren waren seine Besuche in Prag. Das erste Mal kam er im 1787 dort an und schreibt am 15. Januar:
"Um 6 uhr fuhr ich mit grafen Canal auf den sogenannten bret-feldischen ball, wo sich der kern der Prager Schönheiten zu versammeln pflegt... ich sah aber mit ganzem Vergnügen zu, wie alle diese leute auf die Musick meines figaro, in lauter Contretänze und teutsche verwandelt, so innig herumsprangen; — denn hier wird von nichts gesprochen als vom — figaro; nichts gespielt, eblasen, gesungen und gepfiffen als — figaro... "
Nissen, Mozarts Biograph und nach dessen Tod Constanzes zweiter Ehemann, erzählt die Geschichte, nach der wir die einzige Komposition dieses Monats einer List des Grafen Johann Pachta verdanken. Da er Mozarts Vorliebe für Feste kennt, lädt er ihn eine Stunde vor den übrigen Gästen in sein Palais ein. Bei seiner Ankunft wird der erstaunte Komponist in ein Arbeitszimmer geführt, wo man ihm - statt eines Abendessens - Feder, Tinte und Papier bringt. Nach Ablauf der Stunde präsentiert er seinem Gastgeber eine Gruppe von Tänzen.
Nicht sicher ist, ob es KV 509 war, was Amadé komponierte ...

KV 509

Ulysses S. 658f.





20. Oktober

Mozart KV 232 (KV 509 a) "Lieber Freistädtler, lieber Gaulimauli" Kanon

Odyssee 19, 401 - 431


Eurykleia erkennt Odysseus an der Narbe.
Diese hat er sich einst bei der Jagd auf dem Parnass geholt. König Autolykos, des Odysseus' Großvater mütterlichseits, war nach Ithaka gekommen just in dem Augenblick, als seine Tochter ihm den Enkel gebar. Eurykleia legt das Knäblein seinem Großvater auf den Schoß und bittet um einen Namen.
Autolykos:
"Liebe Kinder, gebt ihm den Namen, den ich euch sage.
Vielen Männern und Weibern auf lebenschenkender Erde
Zürnend, komm' ich zu euch in Ithakas fruchtbares Eiland.
Darum soll das Knäblein Odysseus, der Zürnende, heißen.
Wann er mich einst als Jüngling im mütterlichen Palaste
Am Parnassos besucht, wo ich meine Güter beherrsche;
Will ihn reichlich beschenkt und fröhlich wieder entlassen."
Als Odysseus dann später seinen Großvater besucht, gehen sie nach einem festlichen Mahl tags darauf zur Jagd auf die Parnass-Berge.

Während der Enkel von König Autolykos mit dem Namen Odysseus lebt, muss der Schüler Amadés Franz Jacob Freystädtler seit dem gemeinsamen Pragaufenthalt Anfang 1787 mit dem Spitznamen Gaulimauli leben. Für ihn, der zu seinem Wiener Freundeskreis zählt, komponiert Mozart das Lied KV 232 1787 in Wien. Im Verlauf des vierstimmigen Kanons erhält Freystädtler mit "Stachelschwein" noch einen dritten Namen, unter dem er in zu dieser Zeit im von Mozart geplanten Lustspiel "Der Salzburger Lump in Wien" (KV 509b) mitwirken sollte.

KV 232

Lieber Freistädtler, lieber Gaulimauli
Lieber Stachelschwein, wo gehn sie hin?
Etwa zum Finto oder zum Scultetti?
Ha, wohin, wohin?
Zum Scultetti, zum Finto, zum Finto, zum Scultetti?
Ei, zu kein'm von beiden,
nein, sondern zum Kitscha geht der Herr von Lilienfeld
und nicht der Freistädtler, nein, auch nicht der Gaulimauli,
weder der Stachelschwein, sondern der Herr von Lilienfeld.

"Gaulimauli" heißt ein Buch von Cornelia Boese, Deutschlands bekanntester Souffleuse, die ihre Einfälle im roten Paddelboot auf dem Main zwischen Würzburg und Randersacker, oder im engen Souffleusen-Kasten, halb unter der Bühne des Mainfranken Theaters, hat. Es geht um Mozart. Gereimt, satirisch aber nicht bissig, springt sie mit Amadé um.
Mozart auf der Reise nach Prag liest sich bei Boese so:
Mozart bewundert die Natur;
Als Stadtmensch kennt er Bäume nur
aus Pappmaché wie im Theater
und Wald nur wie im Würstl-Prater
wo kaum Getier mehr fleucht und kriecht
weil's da nach Bratensoße riecht

Ulysses S. 659





21. Oktober

Mozart KV 511 Rondo für Klavier

Odyssee 19, 432 - 462


Odysseus auf der Jagd mit seinem Großvater Autolykos in den Bergen des Parnass.
Als sich die Meute mit ihren Hunden einem undurchdringlichen Gestrüpp nähert, stürzt ein Eber hervor. Odysseus schleudert die Lanze auf ihn, der sterbende Eber aber verletzt ihn schwer am Oberschenkel. Großvater und die Onkel versorgen die Wunde und lassen Odysseus nach Ithaka ziehen.

Zu dem tragischen Ereignis steuert Amadé sein Rondo für Klavier a-moll bei. Eigentlich gilt das Rondo zu seinen Zeiten als heiter-unterhaltsame Gattung, doch Mozart komponiert das melancholische Werk KV 511 1787 auf den Tod seines Freundes, des Grafen von Hatzfeld. Auch die Verbindung von polyphoner Dichte mit filigranem Satz zeigen ein für den reifen Mozart typisches Nebeneinander von Trauer und Heiterkeit.

KV 511

Ulysses S. 660





22. Oktober

Mozart KV 512 "Alcandro, lo confesso" - "Non so, d’onde viene" Rezitativ und Arie für Bass

Odyssee 18, 462 - 490


Prunkstück für Odysseus und einen Bass:
Non so d'onde viene
Quel tenero affetto,
Quel moto che ignoto...

Eurydike ist ebenfalls in ihren Gefühlen zwiespältig, als sie des Bettlers Füße wäscht.
KV 294: "Alcandro, lo confesso" - "Non so, d’onde viene" aus Metastasios Olimpiade (Akt III, Szene 6) entsteht im Februar 1778. Das Stück ist ursprünglich für den Tenor Anton Raaff gedacht, durch den Mozart wohl auch das Vorbild, die Vertonung Johann Christian Bachs, kennengelernt hat. Da sich die reich verzierte Arie jedoch weniger für den Tenor eignete, entschließt Amadé sich, "diese aria für die Weberin zu machen." Am 12. März 1778 singt Aloysia Weber die Arie in einer Akademie bei Cannabich, großer Beifall wird ihr zuteil. Mozart selbst bezeichnet die Arie als die beste, die Aloysia Weber habe, sie passe ihr wie ein "Kleid auf den Leib".

Eurykleia erkennt Odysseus an der Narbe vom Eber.
Sowie die Schaffnerin mit der flachen Hand über die Stelle fährt, lässt sie vor Freude und Schrecken das Bein in die Wanne gleiten, dass es klappert und das Wasser hoch auf spritzt. Atem und Stimme stocken ihr, ihr Auge füllt sich mit Tränen.
"Odysseus, mein Sohn, wahrlich, du bist es, ich habe es mit den Händen gefühlt"
Aber Odysseus drückt ihr die Kehle zu und flüstert:
"Mütterchen, willst du mich verderben? Es stimmt, aber noch darf es kein Mensch im Palast wissen! Schweig oder dich erwartet dasselbe Schicksal wie die gottlosen Mägde!"

KV 512, die zweite Vertonung dieses Textes, schreibt Mozart im März 1787 für den Bass Ludwig Karl Fischer. Trotz unleugbarer Unterschiede ähnelt die Vertonung der ersten in Gestus und Formgestaltung; z. B. führt der B-Teil der Arie wie in KV 294 nicht zur Tonika zurück, sondern zur Dominante, es gibt zahlreiche Generalpausen und Mozart erneuert die Melodieführung ständig.
Amadé beweist einmal mehr seine Flexibilität:
Die fast zehn Jahre zuvor in der Arie für die Aloysia Weber, seine damalige Angebetete und spätere Schwägerin, verwendete Arie für Sopran vertonte er nun als dramatische Baßarie. Kurz zuvor ist Ludwig Karl Fischer aus dem Wiener Ensemble entlassen worden, nun braucht er Paradestücke, mit denen er sich bei Konzerten profilieren und neuen Auftraggebern empfehlen kann. Die scharfen Kontraste in Tempo, Harmonik und Rhythmik, sind ganz den speziellen Wünschen und Bedürfnissen des Interpreten und Auftraggebers geschuldet.

KV 512

Ulysses S. 660f.





23. Oktober

Mozart KV 515 Streichquintett C-Dur

Odyssee 19, 491 bis 529


Eurykleia verspricht zu schweigen und Odysseus die Mägde zu nennen, die ihm Schande gemacht und die unsträflich blieben.
Er habe Augen zu sehen und wisse das selbst, antwortet ihr Odysseus.
Eurykleia badet ihm dann die Füße, er bedeckt seine Narbe mit dem Mantel und rückt seinen Stuhl zu Penelope.
Diese klagt ihm ihre schlaflosen Nächte, wo sie darüber nachsinnt, ob sie einem der Freier das Ja-Wort geben oder auf Odysseus warten solle.

Wie Penelope sich mit ihrer Entscheidung quält, sinnt Mozart über eine Erneuerung der der Kammermusik nach und bereichert sie mit seinen Quintetten.
Die Gattung Streichquintett hat sich in den 1780er Jahren zunehmend in Wien etabliert, und Amadés ab 1787 entstandene Quintettkompositionen - deren fünftes Instrument stets eine Bratsche ist - tragen zur Weiterentwicklung dieser Tradition maßgeblich bei. Im C-Dur-Quintett, wie das g-Moll-Quintett KV 516 zur Zeit der Arbeit am "Don Giovanni" komponiert, gibt Mozart in der ausgedehnten Anlage den klanglichen Möglichkeiten der Fünfstimmigkeit Raum. Auf den ersten Satz in Sonatensatzform folgt ein Menuett von scherzoartigem Charakter und ein zweiteiliges Andante. Im Finale, einer Mischung aus Rondo und Sonatensatz, zeigt Amadé vielfältige Entwicklungen und kontrapunktische Verarbeitungen des betont einfachen Themas.

KV 515

Text der Anzeige in der Wiener Zeitung:
"Musikalische Nachricht. Drei neue Quintetten à 2 Violini, 2 Viola e Vicoloncello, welche ich, schön u. korrekt geschrieben, auf Subscription anbiete. Der Preis der Subscription ist 4 Ducaten zu 18fl. Wiener Curent.- Die Subscriptions-Billets sind täglich bei Herrn Puchberg in der Sallingischen Niederlagshandlung am hohen Markte zu haben, allwo vom 1. Julius an auch das Werk selbst zu haben sein wird. Ausländische Liebhaber ersuche ich, ihre Bestellungen zu frankiren. Wien den 1. April 1788. Kapellmeister Mozart in wirkl. Dienste Sr. Majestät"

Ulysses S. 661ff.





24. Oktober

Mozart KV 516 Quintett

Odyssee 19, 530 - 558


Penelope und der Bettler/Odysseus besprechen sich.
Penelope: "Aber jetzt erkläre mir noch meinen Traum:
Ich habe 20 Gänse im Hause und sehe ihnen immer mit Lust zu, wie sie ihren Weizen, mit Wasser gemischt, fressen. Da träumt mir nun, ein Adler komme vom Gebirge her und breche meinen Gänsen die Hälse; alle lagen gemordet, wild durcheinander im Palast, der Raubvogel aber schwingt sich in die Lüfte. Ich fing laut an zu schluchzen und träumte weiter. Auf einmal kehrt der Adler zurück, setzt sich auf das Gesimse und fängt mit Menschenstimme an zu reden: ›Sei getrost‹, sprach er, ›das ist ein Gesicht und kein Traum: die Freier sind die Gänse; ich selbst, der ich ein Adler war, bin Odysseus, ich bin zurückgekommen, alle Freier umzubringen.‹ So sprach der Vogel, und ich wachte auf. Sogleich ging ich, nach meinen Gänsen zu schauen, aber diese standen ganz ruhig am Trog und fraßen."
Bettler: "Fürstin, es ist so, wie dir Odysseus im Traume sagte, das Gesicht kann keine andere Bedeutung haben; er wird kommen und kein Freier am Leben bleiben."

Wie die Tage und Nächte von Penelope sich unterscheiden, so das Quintett in g-Moll vom Quintett KV 515. Das Werk bildet mit seinem Mollcharakter, der satztechnisch konzentrierten Anlage und dem sehr subjektiv-tragischen Ausdrucksgehalt einen deutlichen Gegensatz. Im Allegro in Sonatensatzform verbindet Amadé motivische Arbeit mit kontrapunktischen Elementen und chromatischen Passagen zu einem Satz von ergreifender Expressivität. Der Tanzcharakter des Menuetts ist kaum mehr vorhanden; scharfe Akkorde unterbrechen die Melodielinien synkopisch und betonen den zerrissenen Charakter des Werks. Auch das Adagio in Es-Dur bestätigt die Grundstimmung mit stockender Melodiebildung und intensiven Klangeffekten durch pochende Begleitstimmen. Ein weiteres Adagio als langsame Molleinleitung führt zum G-Dur-Finalsatz, wo Mozart mit dem tänzerischen Rondothema einen großen Kontrast zu den vorherigen Sätzen bildet.

KV 516

Ulysses S. 664f.





25. Oktober

Mozart KV 521 Sonate für Klavier zu vier Händen

Odyssee 19, 559 - Schluss


Penelope fragt den Bettler um Rat, seufzend:
"Träume sind Schäume, morgen kommt der entsetzliche Tag, der mich vom Hause des Odysseus scheiden wird. Da will ich den Wettkampf bestimmen; mein Gemahl pflegte manchmal zwölf Äxte hintereinander aufzustellen; dann trat er zurück und schnellte den Pfeil vom Bogen durch alle zwölf hindurch. Wer nun von den Freiern dieses Kunststück mit des Odysseus' Bogen, den ich immer noch aufbewahre, vollbringt, dem will ich folgen."
"Tue das, ehrwürdige Königin, bestimme morgen auf der Stelle den Wettkampf, denn eher kommt dir Odysseus, als dass jene seinen Bogen spannen und durch die zwölf Löcher der Äxte den Pfeil schießen."

Wie Odysseus mit Pfeil und Bogen umgehen konnte, so Amadé mit dem vierhändigen Klavierspiel, und das seit Kindesbeinen. Die Geschwister Mozart waren auf ihren frühen Konzertreisen, bevorteilt durch ihre Kinderhände, publikumswirksam als Duo an einem Instrument aufgetreten, was aufgrund der damals kürzeren Tasten eine Seltenheit war.
Mozart will seine Fähigkeiten im vierhändigen Spiel im Untericht weitergeben. Die Sonate KV 521 entsteht 1787 in Wien. Sie ist seinen Schülerinnen Nanette und Babette Natorp gewidmet. Den Fähigkeiten der Schwestern angemessen, schreibt Mozart ein konzertant-virtuoses Werk. Polyphone Techniken treten in den Hintergrund. Er verwendet sie erst im a-Moll-Mittelteil des Schlussrondos.

KV 521

Ulysses S.665ff.





26. Oktober

Mozart KV 522 Ein musikalischer Spaß (Dorfmusikanten-Sextett)

Odyssee 20, 1- 32


Die Königin sagt dem Fremdling gute Nacht, Odysseus legt sich im Vorsaal auf Schafspelzen schlafen. Lang wälzt er sich schlaflos; die schändlichen Mägde stürmen unter Scherz und Gelächter an ihm vorüber zu den Freiern, dass sie ihm das Herz im Innersten empören.
Aber der Held schlägt sich an seine Brust: "Dulde es, mein Herz, hast du doch schon Härteres ertragen! Weißt du nicht mehr, wie du beim Zyklopen saßest und ihm zusehen musstest, wie das Ungeheuer deine Genossen fraß? Dulde!"
So bezwingt er sein Herz; doch wirft er sich noch lange hin und her, auf Rache gegen die Freier sinnend.

Begleitmusik für die "schändlichen Mägde" liefert dieses Sextett in F-Dur KV 522, das Mozart 14. Juni 1787 aus der Sicht eines fingierten, zwar wenig begabten, aber umso entschlosseneren Komponisten komponiert, dem bei seinem ehrgeizigen Versuch, eine viersätzige Sinfonie zu schreiben, immer wieder klägliche, dilettantische Fehler unterlaufen. Schon die Satzfolge mit dem Menuett vor dem langsamen Satz entspricht kaum dem üblichen Verfahren. Grobe formale Schnitzer baut Amadé nicht nur in den ersten Satz ein, dessen Hauptthema mit seinen drei Viertelschlägen eher für den Schluss des Satzes als für seine Eröffnung geeignet scheint. Mit den gräulich falschen Soli der Hörner im Menuett, der Violine im überlangen Trio und der Violinkadenz im dritten Satz verleiht er dem Werk nicht ganz zu Unrecht den Beinamen "Dorfmusikantensextett". Wenn auch diese Stellen, vor allem die Doppelgriffe und die hohen Lagen in der Violinkadenz, spieltechnisch kaum von durchschnittlich begabten Dorfmusikanten zu bewältigen sind. Zum krönenden Abschluss erlaubt Mozart jedem Musiker ein Finale in seiner eigenen Tonart.
Am 28. Mai 1787 ist Leopold Mozart in Salzburg gestorben, fürsterzbischöflicher Kapellmeister, Komponist, Produzent von Wunderkindern und Verfasser der berühmtesten Violinschule seiner Zeit. Kein Wort des Sohnes zum toten Vater, stattdessen ein "musikalischer Spass", ein Divertimento Leopolds? Verunglimpft er darin das vergebliche Bemühen eines Komponisten um ein kunstvolles Nichts?
Für den Tod hat Mozart nur noch Ironie übrig. Denn als Endzweck des Lebens, das er als ständiges Abschiednehmen erfahren hat, ist der Tod die letzte Konsequenz, die radikalste Antwort auf die Absurditäten des Lebens, die Amadé immer den Stoff liefern für seinen Spott auf das Kleine, was groß und das Große, was erhaben sein will...

KV 522

Sohn und Vater

Ulysses S. 668





27. Oktober

Mozart KV 525 Eine kleine Nachtmusik

Odyssee 20, 33 - 69


Athene kommt zu Odysseus in Frauengestalt.
Sie neigt sich über sein Haupt und setzt seinen bangen Gedanken, wie er über so viele siegen soll, ein Ziel:
"Kleinmütiger, verlässt man sich doch schon auf einen geringeren Freund, auf einen Sterblichen, der nicht so reich an Ratschluss und an Kraft ist; ich aber bin eine Göttin und beschirme dich in jeder Gefahr; und wenn dich fünfzig Scharen voll Mordlust umringten, dennoch würdest du es hinausführen! Überlass dich dem Schlummer, denn bald tauchst du aus der Trübsal auf."
Während Odysseus nun der Schlaf umfängt, erwacht Penelope im Bett und weint. Sie betet zu Artemis.

Und Amadé stimmt "Eine kleine NachtMusick" an, wie Mozart sie eigenhändig in sein "Verzeichnüß aller meiner Werke" eintrug.
Jeder, auch der nichts von Amadés Musik weiß, erkennt ohne Zögern diese Serenade G-Dur für Streicher, heute Mozarts populärstes Werk. Über Auftrag oder Zweck der Komposition wissen wir nichts. Wollte er der kurz zuvor geschriebenen Divertimento-Posse "Ein musikalischer Spaß" KV 522 das Idealbild einer Serenadenmusik gegenüberstellen? Die "Kleine Nachtmusik" ist fünfsätzig, symmetrisch angelegt; leider ist das Blatt mit dem ersten Menuett mit Trio aus der autographen Partitur verschollen.
Im eröffnenden Allegro bringt Mozart abwechslungsreiche Motivik. Ihm folgt, eigentlich erst nach dem verlorenen zweiten Satz, eine Romanze, die Mozart als Ständchen gestaltet. Dem "zweiten" Menuett mit seiner verdoppelten Melodie- und Basslinie schließt der Komponist ein Sonatenrondo-Finale an, das er durch eine ruhelose Begleitmotivik kennzeichnet.

KV 525

Ulysses S. 668f.





28. Oktober

Mozart KV 526 Sonate für Klavier und Violine A-Ddur

Odyssee 20, 70 - 101


Penelope beim Gebet zu Artemis.
"Träfe doch auf der Stelle dein Pfeil mein Herz oder raffte mich ein Sturmwind hinweg und würfe mich ans fernste Ufer des Ozeans, ehe ich meinem Gemahl Odysseus untreu werden und mich dem schlechteren Manne vermählen muss! Erträglich ist das Leiden, wenn man den Tag durchweint und doch die Nacht über Ruhe hat; mich aber peinigt ein Dämon selbst im Schlafe mit den schmerzlichsten Träumen! So war mir im Augenblicke noch, als stände mein Gatte mir zur Seite, herrlich von Gestalt, ganz wie er mit dem Kriegsheere von dannen zog, und mein Herz war voll Freude, denn ich meinte zuversichtlich, dass es Wahrheit sei!"
Odysseus vernimmt die Stimme der Weinenden. Es ist ihm bang, vor der Zeit erkannt zu werden. Eilig rafft er sich auf, verlässt den Palast, und betet zu Zeus um ein günstiges Zeichen für seine Pläne.

Bei Meister Mozart geht es ebenfalls auf Glanz- und Höhepunkte seines Schaffens zu. Einer davon ist die A-Dur-Sonate für Violine und Klavier, die vorletzte seiner Violinonaten von 1787. In ihr kulminieren Amadés bis ins seine Kindheit zurückreichenden Erfahrungen in der Sonatenkomposition. Die technischen Anforderung sind hoch und bezeugen, dass Amadé das Werk ohne Rücksicht auf die Möglichkeiten musikalischer Laien komponiert.
Weiter tragen Mozarts beachtliche Fähigkeiten im Violinspiel zur meisterlichen und kenntnisreichen Gestaltung des Violinparts bei. Sein Vater Leopold Mozart hat ihn bereits 1777 gelobt: "...du weist selbst nicht wie gut du Violin spielst." An den Kopfsatz (Molto Allegro) und den langsamen Mittelsatz (Andante) schließt ein Finalsatz (Presto) an (der längste Einzelsatz Mozarts für Violine und Klavier). Wofgang Amadeus Mozarts A-Dur-Sonate: vollendetes Modell der Violinsonate, wegweisend für spätere Komponisten ...

KV 526

Ulysses S.669ff.





29. Oktober

Mozart KV 527 Don Giovanni - Ouvertüre

Odyssee 20, 102 - 133


Odysseus' Gebet wird erhört: Zeus lässt es donnern.
In der nahen Mühle des Palastes hält eine Müllerin still, die die ganze Nacht hindurch gemahlen, blickt zum Himmel empor und ruft.
"Wie doch Zeus donnert, und ist weit und breit kein Gewölk zu sehen! Er hat wohl irgendeinem Sterblichen ein Zeichen gewährt! O Vater der Götter und Menschen, möchtest du auch meinen Wunsch erfüllen und die verfluchten Freier vertilgen, die mich Tag und Nacht in der Mühle das Mehl zu ihren Schmäusen bereiten lassen!"
Odysseus freut sich der guten Vorbedeutung.
Im Palst wird es allmählich laut, die Mägde zünden das Feuer an; Telemach ruft die Pflegerin:
"Mütterchen, habt ihr den Gast auch mit Speise und Lager geehrt, oder liegt er unbeachtet da? Die Mutter scheint mir ganz die Besinnung verloren zu haben, dass sie den schlechten Freiern soviel Ehre erweist und den besseren Mann ungeehrt läßt!"

Il dissoloto punito - hätte er nur auf das Donnern von Zeus gehört!
Prag hat seinen Figaro bejubelt, nun komponiert Mozart für die dortige Oper "Il dissoluto punito ossia il Don Giovnanni, (Der bestrafte Wüstling oder Don Giovanni), Dramma giocoso in due atti".
Der aus der volkstümlichen Überlieferung stammende Stoff vom spanischen Verführer Don Juan gehört im 17. und 18. Jahrhundert zum Repertoire der Schauspielbühnen. Mozarts Textbuch schreibt Lorenzo da Ponte nach der Vorlage "Il Convitato di pietra" von Giovanni Bertati. Amadés Oper vereint Elemente der Opera seria und der Opera buffa.
Mittelpunkt der Oper ist der Verführer Don Giovanni. Um ihn scharen sich adlige Charaktere mit Koloratur-Arien und Buffo-Partien. Außerhalb dieses Kreises steht der Komtur, der Richter des Verführers. Die wichtigste Tonart ist d-Moll, die zum Ausdruck der Rache benutzt wird, z. B. in der Arie "Fuggi crudele, fuggi" der Donna Anna, wenn der Komtur beim Mahl erscheint oder beim Strafgericht. Ihr Gegenpol ist D-Dur, das in vermeintlich lustigen Situationen wie der Registerarie des Leporello, aber auch in der erhabenen Schlussszene erklingt.
Mozart arbeitet - wie immer - unter großem Zeitdruck und vollendet die Ouvertüre erst am Vorabend der Uraufführung: genau heute (2018) vor 231 Jahren!
Klingt die Musik nicht wie gestern von nebenan?

KV 527 Ouvertura

Mozarts Mitstreiter während der Proben zum Prager "Don Giovanni" ist -
neben Librettist da Ponte - übrigens Giacomo Casanova: Chevalier de
Seingalt, Staatsmann, Militär. Philosoph. Wunderarzt, Alchimist und
Musiker von Merkurs, Mars und Amors Gnaden; Überwinder der Blei-
kammern Venedigs und der Herzen von vieltausend Frauen, kurz:

Don Giovanni, die fleischgewordene Legende.

Verlagsgeschäfte führen Casanova nach Prag: und da er hier auf
seinen langjährigen Freund da Ponte und den vielgerühmten Musiker
Mozart stößt, lässt er es sich nicht nehmen, bei der Partie "Don
Giovanni" mitzumischen. Er schreibt sogar selbst einen Text zum
Sextett im zweiten Akt, der jedoch keinen Eingang in die Endfassung
der Oper findet.

Ulysses S. 671ff.





30. Oktober

Mozart KV 527 Don Giovann - Leporello: "Madamina! Il catalogo"

Odyssee 20, 134 - 176


Am Morgen im Palast.
Er tue ihrer Herrin unrecht, antwortet Eurykleia, der Fremdling habe so lange und so viel Wein getrunken, wie er wollte, und Speise verlangte er keine mehr. Man bot ihm ein köstliches Lager an, aber er verschmähte es; mit Mühe ließ er sich ein schlechteres gefallen.

Wie im Palast auf Ithaka, so spitzt es sich im Leben Don Giovannis in Venedig zu: Der Wüstling ist wieder mit seinem Diener Leporello auf Tour ...
Dieser hält Wache vor dem Haus, in das Don Giovanni geschlichen ist, um Donna Anna zu verführen, die Verlobte von Ottavio. Sie und er erscheinen, etwas ist passiert (Spannung im Lebretto - bis heute rätseln die Interpreten: Ist Die Verführung gelungen oder nicht?) Sie will den Davoneilenden aufhalten, will wissen, wer er ist, und schreit um Hilfe.
Als ihr Vater, der Komtur, erscheint, rennt sie ins Haus. Der Komtur wird im erzwungenen Duell von Don Giovanni erstochen, der unerkannt bleibt. Anna entdeckt den toten Vater, ist bestürzt, Ottavio schwört Rache.
Weiter Nacht, Strasse:
Don Giovanni erkennt Elvira nicht, die er bereits früher verführt hat. Er versucht, sich mit ihr bekannt zu machen. Enlich merkt er, wen er vor sich hat, schiebt Leporello vor und flieht. Leporello will Elvira trösten, indem er eine Liste mit Don Giovannis Liebschaften entrollt, die berühmte "Registerarie".
Elvira schwört Rache. Die Oper (Aufführungsdauer 2 Stunden und 45 Minuten), zählt zu den Meisterwerken der Operngeschichte. In der Interpretation des Don Juan-Stoffes stellt sie einen Wendepunkt dar. Mozart und da Ponte machen aus dem Stück einen aristokratischen Anarchisten, nicht nur E. T. A. Hoffmann und Søren Kierkegaard haben sich damit intensiv auseinandergesetzt.
3 Stunden Zauber, 3 Stunden geniale Musikdramatik ...

KV 527 4. Aria Leporello

Madamina, il catalogo è questo
Delle belle che amò il padron mio;
un catalogo egli è che ho fatt'io;
Osservate, leggete con me.
In Italia seicento e quaranta;
In Almagna duecento e trentuna;
Cento in Francia, in Turchia novantuna;
Ma in Ispagna son già mille e tre.
V'han fra queste contadine,
Cameriere, cittadine,
V'han contesse, baronesse,
Marchesine, principesse.
E v'han donne d'ogni grado,
D'ogni forma, d'ogni età.
Nella bionda egli ha l'usanza
Di lodar la gentilezza,
Nella bruna la costanza,
Nella bianca la dolcezza.
Vuol d'inverno la grassotta,
Vuol d'estate la magrotta;
È la grande maestosa,
La piccina e ognor vezzosa.
Delle vecchie fa conquista
Pel piacer di porle in lista;
Sua passion predominante
È la giovin principiante.
Non si picca - se sia ricca,
Se sia brutta, se sia bella;
Purché porti la gonnella,
Voi sapete quel che fa.

LEPORELLO
Schöne Donna! Dies genaue Register, Es enthält seine Liebesaffären; Der Verfasser des Werks bin ich selber; Wenn's gefällig, so gehn wir es durch. In Italien sechshundertundvierzig, Hier in Deutschland zweihundertunddreissig, Hundert in Frankreich und neunzig in Persien, Aber in Spanien schon tausend und drei. Hier ein schlichtes Bauernmädchen, Dort die Schönste aus dem Städtchen, Kammerzofen, Baronessen, Hochgeborene Prinzessen, Mädchen sind's von jedem Stande, Jeder Gattung und Gestalt, Schön und hässlich, jung und alt! Bei Blondinen preist er vor allem Holde Anmut und sanftes Wesen, Bei Brünetten feste Treue, Bei den Blassen süsses Schmachten. Volle sucht er für den Winter, Für den Sommer schlanke Kinder. Grosse liebt er gravitätisch, Ernst und vornehm, majestätisch. Doch die Kleine, die sei possierlich, Die sei manierlich, sei fein und zierlich. Dass dies Büchlein Stoff erhalte, Schwärmt er manchmal auch selbst für - Alte. Doch wofür er immer glühte, Ist der Jugend erste Blüte. Elvira bricht zusammen. Da 's ihm gleich ist, ob sie bleich ist, Ob sie bettelt oder reich ist, Kirrt er Weiber jeder Sorte. Nun, Ihr wisst ja, wie's da geht. Doch wozu auch all' die Worte, Kennt ja selbst ihn ganz genau.

Ulysses S. 689ff.





31. Oktober

Mozart KV 527 Don Giovanni - 9. Quartett: Non ti fidar, o misera

Odyssee 20, 177 - 207


Melanthios, der Hüter der Geistrift, spricht zum Bettler/Odysseus.
"Alter Bettler, bist du immer noch da und weichst nicht von der Türe? Wir nehmen wahrscheinlich nicht Abschied voneinander, bevor du meine Fäuste gekostet! "
Nun kommt Philoitios, der den Freiern ein Rind und gemästete Ziegen mit der Fähre vom Festland bringt. Er fragt Eumaios, wer der Fremdling sei? Er gleiche an Gestalt ganz ihrem König Odysseus. Dann begrüßt er den verkleideten Helden mit Handschlag:
"Fremder Vater, so unglücklich du scheinest, so möge es dir wenigstens in Zukunft wohlergehen! Mich überlief der Schweiß, als ich dich sah, und Tränen traten mir in die Augen, denn ich musste an Odysseus gedenken, der jetzt wohl auch, in Lumpen gehüllt, in der Welt umherirrt, sollte er noch leben!"

Philoitios, Anna und Ottavio haben einen Verdacht.

Der nächste Versuch Don Juans: Don Giovanni gefällt unter einer bäuerlichen Hochzeitsgesellschaft die Braut Zerlina, er lockt den Bräutigam Masetto weg. Als er mit Zerlina allein ist, beginnt er sofort mit seinen Verführungskünsten. Elvira kommt hinzu, aber Don Giovanni beantwortet ihre Vorwürfe, indem er Ottavio und Anna andeutet, dass beide, Zerlina und Elvira, geistesgestört seien. Anna glaubt, in Don Giovanni den Mörder ihres Vaters zu erkennen, und Ottavio entschließt sich, ihn zu beobachten.

KV 527 9. Quartett

Nr. 9 - Quartetto DONNA ELVIRA a Donn'Anna
Non ti fidar, o misera,
Di quel ribaldo cor;
Me già tradì quel barbaro,
te vuol tradir ancor.

DONNA ANNA e DON OTTAVIO
(Cieli, che aspetto nobile,
Che dolce maestà!
II suo pallor, le lagrime
M'empiono di pietà.)

DON GIOVANNI
a parte; Donna Elvira ascolta
La povera ragazza
È pazza, amici miei;
Lasciatemi con lei,
Forse si calmerà.

DONNA ELVIRA
Ah non credete al perfido!

DON GIOVANNI
È pazza, non badate.
DONNA ELVIRA
Restate ancor, restate!
DONNA ANNA e DON OTTAVIO
A chi si crederà?
DONNA ANNA, DON OTTAVIO, DON GIOVANNI
Certo moto d'ignoto tormento
Dentro l'alma girare mi sento
Che mi dice, per quell'infelice,
Cento cose che intender non sa.
DONNA ELVIRA
Sdegno, rabbia, dispetto, spavento
Dentro l'alma girare mi sento,
Che mi dice, di quel traditore,
Cento cose che intender non sa.
DON OTTAVIO
a Donn'Anna
Io di qua non vado via
Se non so com'è l'affar.
DONNA ANNA
a Ottavio
Non ha l'aria di pazzia
II suo tratto, il suo parlar.
DON GIOVANNI
(Se m'en vado, si potrìa
Qualche cosa sospettar.)
DONNA ELVIRA
a Donn'Anna e Ottavio
Da quel ceffo si dovrìa
La ner'alma guidicar.
DON OTTAVIO
a Don Giovanni
Dunque quella?...
DON GIOVANNI
È pazzarella.
DONNA ANNA
Dunque quegli?...
DONNA ELVIRA
È un traditore.
DON GIOVANNI
Infelice!
DONNA ELVIRA
Mentitore!
DONNA ANNA e DON OTTAVIO
Incomincio a dubitar.
Passano dei contadini
DON GIOVANNI
Zitto, zitto, che la gente
Si raduna a noi d'intorno;
Siate un poco più prudente,
Vi farete criticar.
DONNA ELVIRA
forte, a Don Giovanni
Non sperarlo, o scellerato,
Ho perduta la prudenza;
Le tue colpe ed il mio stato
Voglio a tutti palesar.
DONNO ANNA e DON OTTAVIO
a parte, guardando Don Giovanni
Quegli accenti sì sommessi,
Quel cangiarsi di colore,
Son indizi troppo espressi
Che mi fan determinar.
Donn'Elvira parte
DON GIOVANNI
Povera sventurata! I passi suoi
voglio, seguir; non voglio
che faccia un precipizio:
perdonate, bellissima Donn'Anna;
se servirvi poss'io,
in mia casa v'aspetto. Amici, addio!

ELVIRA Traue dem glatten Heuchler nicht, So schmeichelnd er dir naht! Mich schon verriet sein falsches Herz, So droht auch dir Verrat.
DONNA ANNA UND DON OTTAVIO Himmel, welch' edles Frauenbild, Welch' holde Majestät! Wie mir ihr Schmerz, ihr Tränenblick Tief in die Seele geht.
DON GIOVANNI Das arme, gute Mädchen, Ihr Freunde, ist von Sinnen! Ich bitte, geht von hinnen, Dann wird sie ruhig sein.
DONNA ELVIRA O glaubt dem frechen Heuchler nicht!
DON GIOVANNI Von Sinnen ist die Arme! O eilet!
DONNA ELVIRA Verweilet hier, verweilet!
DONNA ANNA UND DON OTTAVIO Auf wen ist hier zu baun, Wem sollen wir vertraun? Wie ergreift mich unnennbares Bangen! O wie fühlt sich die Seele befangen! Was in mir für die Arme sich reget, Ach, zu deuten vermag ich es nicht, Nein, nein!
DON GIOVANNI Es ergreift mich ein seltsames Bangen! O wie fühlt sich die Seele befangen! Was in mir für die Arme sich reget, Ach, zu deuten vermag ich es nicht, Nein, nein!
DONNA ELVIRA Ha, vor Abscheu, Verachtung und Bangen Fühl' ich ganz meine Seele befangen! Was noch hält mich, den Frevler zu schonen? Ach, zu deuten vermag ich es nicht. Nein!
DON OTTAVIO beiseite Nein, nicht eher will ich weichen, Bis mir Klarheit wird und Licht.
DONNA ANNA beiseite Nein, für Wahnsinn spricht kein Zeichen. Aus dem edlen Angesicht.
DON GIOVANNI Um dem Argwohn zu entweichen, Gilt es kecke Zuversicht.
DONNA ELVIRA zu Donna Anna und Don Ottavio Glaubt ihm nicht, sein falsches Auge Kündet Euch den Bösewicht.
DON OTTAVIO zu Don Giovanni Sie von Sinnen?
DON GIOVANNI Ja, ganz von Sinnen. Unglücksel'ge!
DONNA ANNA zu Donna Elvira Also Jener?
DONNA ELVIRA Ist ein Verräter, Missetäter, Missetäter, frecher Lügner!
DONNA ANNA UND DON OTTAVIO Zweifel regen sich in mir.
DON GIOVANNI zu Donna Elvira Stille, still, es nahen Leute, O versuche dich zu fassen! Lässt du nicht von diesem Streite, Drohet dir und mir Gefahr.
DONNA ELVIRA Nicht mehr schweig' ich, du Vermessner, Hoffe nichts, du Ehrvergessner, Mein Geschick und dein Verbrechen, Allen mach' ich's offenbar!
DON GIOVANNI Leise, leise, nur gelassen, O versuche dich zu fassen, Lässt du nicht von diesem Streite, Drohet dir und mir Gefahr.
DONNA ANNA UND DON OTTAVIO Dieses Flüstern, dieses Flehen, Sein Erröten, sein Erbleichen, Alles ist ein sichres Zeichen: Seine Schuld, sie wird uns klar.
DONNA ELVIRA Schweige, schweige, du Vermessner, Hoffe nichts du Ehrvergessner. Mein Geschick und sein Verbrechen Allen werd' es offenbar.
Wird von Don Giovanni weggeleitet.
Rezitativ
DON GIOVANNI zurückkommend O, die arme Betörte! Sie zu beschützen, folg' ich ihr nach, Wie leicht könnt' ein Unglück sie ereilen: Drum vergebt mir, schöne Donna Anna, Kann ich jemals Euch dienen, Nahe bei ihr So erwart' ich Euch in meinem Hause! Lebt wohl denn, ihr Freunde!
Geht ab.
DREIZEHNTE SZENE Donna Anna. Don Ottavio.
Nr. 10 - Rezitativ
DONNA ANNA Ach, Ottavio, ich sterbe!
DON OTTAVIO Was erschreckt dich?
DONNA ANNA Hab' Erbarmen, o rette mich!
DON OTTAVIO Geliebte, Mut nur und Fassung!
DONNA ANNA O Himmel! Er ist der Mörder meines Vaters!
DON OTTAVIO Was hör' ich?
DONNA ANNA O, zweifle länger nicht; Die letzten Worte, die dieser Freche sprach, Haltung und Stimme, alles weckt die Erinnrung An den Frevler, der jüngst in meiner Wohnung.
DON OTTAVIO O Gott, wärs möglich, Dass unterm heil'gen Mantel treuer Freundschaft ... Doch was geschah? Erzähle mir den unerhörten Vorgang!
DONNA ANNA Schon warf die Dämmrung ihren Schleier hernieder, Als in meine Gemächer, wo ich zu meinem Unheil völlig allein war, Ein Mann hereintritt, gehüllt in einen Mantel. Im ersten Augenblicke wähnt' ich dich, Freund, mir nahe, Doch nur zu bald erkannt' ich die schreckliche Täuschung.
DON OTTAVIO Himmel, vollende!
DONNA ANNA Schweigend schleicht er mir näher, Schlingt um mich seinen Arm; Ich will entfliehen, Er hält mich fester, ich rufe! Doch niemand kommt... Mit einer Hand versucht er, Meine Rufe zu hindern, Mit der andern umschlingt er heftiger mich, Schon glaubt ich mich verloren.
DON OTTAVIO Schändlicher! Und dann?
DONNA ANNA Die Todesangst, Der Abscheu vor dem furchtbaren Frevel, Erhöhte so mir meine Kräfte, Dass ich mich durch heft'ges Ringen, Sträuben und Entwinden Endlich befreite.
DON OTTAVIO Ich atme auf, vollende!
DONNA ANNA Auf's neu' nehm' ich alle Kraft zusammen, Rufe nach Hilfe. Er aber floh: In flammender Empörung folg' ich ihm nach bis auf die Strasse, So wurde aus der Verfolgten eine Verfolg'rin. Mein Vater tritt dazwischen, stellt zur Rede ihn, Doch der Bube, überlegen an Kräften dem schwachen Greise, Häuft noch das Mass des Frevels, raubt ihm das Leben!

Ulysses S. 693ff.