1. August

Mozart KV 425 Sinfonie Nr. 36 C-Dur "Linzer"

Odyssee 14, 502 bis Ende


Odysseus noch immer bei Eumaios.

Der Alte (Odysseus) wäre gern so stark wie damals, dann gäbe ein Hirt ihm ein Zudeck, die aber verachten ihn mit seinen Lumpen. Der Hirte bietet für die Nacht seinen Mantel an, bereitet ein Nachtlager am Feuer und deckt den Alten mit seinem Mantel zu. Der Hirte selber schläft unter überhängenden Felsen, nahe bei seinen Schafen.

Wie Odysseus kommt Mozart 1783 zurück in seine Heimatstadt, wo er länger verweilt und dem Vater Constanze vorstellt. Auf der Rückreise nach Wien, veranstaltet er im Oktober 1783 in Linz eine Akademie. Zu diesem Anlass

komponiert Amadé in nur vier Tagen seine "Linzer Sinfonie". Allgegenwärtig ist der Einfluss Joseph Haydns. Seinem Vorbild folgend verwendet Mozart hier erstmals die langsame Einleitung, deren vollstimmige Fanfare ihr festliches Pathos und Gewicht verleiht. Den zweiten Satz gestaltet er ungewöhnlich dramatisch, was aus der Besetzung mit Trompeten und Pauken sowie aus dem geheimnisvoll aufsteigenden Bassmotiv und den Akzenten der Bläser resultiert. Im prächtigen Menuett samt dem Trio folgt er der dreiteiligen Form; reizvoll ist der Dialog zwischen Oboe und Fagott im ländlerartigen Trio. Dem Finale gibt Mozart munteren Schwung, was über die strenge formale Durcharbeitung als Sonatensatz hinwegtäuscht.

KV 425

Ulysses S. 515f.



Bloom onaniert



2. August

Mozart KV 444 (425) Adagio maestoso Einleitung zu einer Sinfonie Michael Haydns

Odyssee 15, 1 - 32


Athene begibt sich von Korfu zur Stadt Lakedaimon, um Odysseus' Sohn Telemach zum Aufbruch nach Hause zu drängen.

Telemach im Vorsaal des Schlosses kann in der Nacht nicht schlafen, weil er voll Sorge an seinen Vater denkt. Er solle sich schleunigst heim begeben, fordert die Göttin ihn auf. Eurymachos habe alle anderen Freier mit seinen Geschenken übertroffen, es sei zu befürchten, dass seine Mutter ihm das Ja-Wort gebe. Er solle sich der treuesten Dienerin anvertrauen. Dann verrät ihm Athene, dass die Freier ihm im Sund zwischen Ithaka und Same auflauern wollen.


Haus Thun in Linz (Mozarthaus)

Wie Telemach von Sparta nach Ithaka reist, so ist Mozart auf dem Rückweg von Salzburg nach Wien.

Auf Einladung des Grafen Johann Joseph von Thun hält sich Mozart 1783 drei Wochen in Linz auf - vom 31. Oktober bis gegen Ende November. Im Haus Thun, dessen Eckzimmer im ersten Obergeschoß der damals 27-jährige Amadé bewohnt, entstehen wichtige Kompositionen. Uraufgeführt wird die "Linzer Symphonie" im Zuge einer von Graf Thun veranstalteten "musikalischen Akademie" Anfang November 1783, in wenigen Tagen niedergeschrieben (siehe 1. August). Für ein Konzert bei seinem Gastgeber notiert Amadé die Stimmen einer Sinfonie von Michael Haydn (dem jüngeren Bruder Joseph Haydns) und entwirft Anfang November dazu ein einleitendes Adagio - nach mancher Zählung Sinfonie Nr. 37

KV 444

Ulysses S. 517



Vorspiel in "O’Donaghu’s"

Der Barmann stand auf dem Tresen und teilte über die Köpfe der Zecher hinweg Stout und Lagerbier aus. Die Jungs hinter dem Tresen zogen das Bier wie außer Kontrolle geratene Marionetten von den Hähnen, ließen die Kassenschublade auf- und zufahren, stopften feuchte Geldscheine hinein und zählten hastig das Wechselgeld aus. Der sägemehlbestäubte Steinboden war seimig von Straßensud und Bier. Dubliner Traulichkeit.
Stattlich und feist stand ein Mann am Tresen, stattlich und feist wie Buck Mulligan. "Ulysses", Kapitel 1. Von meinem Schemel aus betrachtete ich das in seiner Länge pferdehafte Gesicht und das helle untonsurierte Haar, das fleckig getönt war wie matte Eiche.
Ein kleiner Kerl mit Ziehharmonikaaugen fingerte einen furiosen Spindeltanz auf seinem Instrument. Ein Dudelsackpfeifer traktierte mit derber Entschlossenheit seine blankgewetzte Melodieflöte. Füße tappten den fliegenden Rhythmus auf die Steinfliesen. Unvermittelt brach der Dudelsackspieler ab und deklamierte lallend: "It’s Bloomsday tomorrow. Let’s get the fucking context right."
Vielleicht hatte es genau so angefangen, damals, 1954. Ein Zecher sprang auf und schrie: "Morgen ist Bloomsday. Das woll’n wir doch mal auf die Reihe bringen!" Fest steht, daß vier Dubliner am 16. Juni 1954 zum erstenmal den Tag feierten, an dem Mr. Leopold Bloom im Jahr 1904 durch die irische Hauptstadt zog, die Odyssee jenes grundguten, biederbraven, nie zu seinen Mitmenschen durchdringenden Juden durch die Fährnisse des modernen Alltags, Held und Unheld in James Joyce’ Jahrhundertroman. Der Festakt der vier – es waren die Literaten John Ryan, Patrick Kavanagh, Flann O’Brien und Anthony Cronin – nahm seinen Ausgang in "Bailey’s Pub" in der Duke Street und endete, so erzählt man heute, in einem gottallmächtigen Besäufnis am Strand von Sandymount.
Heute ist Bloomsday ein Hauptgeschehnis im Kalender Dublins, dieses Jahr mehr als sonst: Dublin ist "Kulturhauptstadt Europas 1991"; 1991 jährt sich Joyce’ Tod zum 50. Mal. Jahrestage fördern das Geschäft mit der Kultur. Shell Irland verloste an seinen Tankstellen Freikarten für ein großes Bloomsday-Frühstück im "Royal Marine Hotel" in Dun Laoghaire: "A bloomin’ great day out with Shell." Pack das Einhorn in den Tank. Dublin Tourism organisierte ein Festzelt, in dem Reisejournalisten aus aller Welt bis zum bitteren Erbrechen mit Speis und Trank versorgt wurden. Es ging vor allem um den amerikanischen Markt: Bloomsday liegt wie ein Geschenk des Himmels genau richtig, um die erst im Juli beginnende Hauptsaison nach vorne auszudehnen.

Die Guinnessbrauerei schlug mit 20.000 irischen Pfund für Freibier und Vergnügungen zu. Der Einsatz machte sich bereits am folgenden Tag durch Pressephotos bezahlt, die ein hauseigener PR-Photograph kaum hätte besser stellen können. Bailey’s Irish Cream finanzierte – allerdings unaufdringlicher als die Bierfreunde – eine Serie von Vorlesungen über Joyce. "Die Identifikation mit dem Namen Joyce", sagt Lewis Clohessy, Direktor des Organisationsstabes Dublin 1991 – Kulturhauptstadt Europas, "erhöht das Qualitätsimage einer Firma."
Schon 1982, zum 100. Geburtstag des Schriftstellers, wurde Bloomsday in großem Stil gefeiert. Der Irische Rundfunk produzierte eine 31stündige Aufnahme des 719 Seiten – in der deutschen Ausgabe sind es sogar 1015 Seiten – langen Buches. Seither, behauptet der streitbare Joyceaner und Literaturkritiker des Irish Independent, Bruce Arnold, ginge es mit Bloomsday den Bach hinunter: "Ein typisch Dubliner Suppentopf, von dem jeder sein Fett abschöpfen möchte. Joyce ist nur noch ein Vorwand für Reklame und Konsum, ein Vorwand für Exzesse."
Bruce Arnold sorgte in diesem Jahr für den Kulturskandal der Saison in Dublin. In einem hastig produzierten Buch deckte er die Hintergründe der umstrittenen Neuausgabe des "Ulysses" auf, die der Münchner Joyce-Forscher Professor Hans Walter Gabler in siebenjähriger Arbeit mit einem 600 000-Mark-Zuschuss der Bundesregierung besorgte. Sie verletze, so Arnold, nicht nur die Grundregeln literarisch-redaktioneller Arbeit: Sie sei ein Komplott mit den Joyce-Erben, ein neues Copyright an dem "profitabelsten Prosawerk des 20. Jahrhunderts" zu schaffen. Das alte Copyright läuft am 1. Januar 1992 aus. "Ulysses", so Arnold, verkaufe sich jedes Jahr einhunderttausendmal. Da will man weiterverdienen. Der "Ulysses-Skandal" bewegte die Dubliner Joycegemeinde, ein Kreis von vielleicht 15.000 oder 20.000 Enthusiasten, mehr als Golfkrieg oder Bushs "neue Weltordnung". Die irischen Zeitungen rührten mit Wonne in den aufgewühlten Emotionen.
Der Skandal, die Werbegelder, das Kulturjahr, eine Wiederholung der "Ulysses"-Aufnahme in Radio Eireann – alles trug dazu bei, Bloomsday 91 aus allen gewohnten Nähten platzen zu lassen. Fünf Fernsehteams, darunter ARD und ZDF, zwängten sich seit frühmorgens durch den engen Treppenaufgang auf das Geschützlager des Martelloturms, Szene des ersten Kapitels, um ein malerisch in edwardianische Kostüme gekleidetes Paar mit Erstausgabe des zelebrierten Buches in Händen vor Joyce’ rotzgrüner See zu filmen. Ein Heer italienischer Photographen und Journalisten, kaum der Sprache und mitnichten Joyce-kundig, griff sich jede dem Anlaß entsprechend ausstaffierte Person für einen Schnappschuß. Das italienische Aufgebot entpuppte sich als Werbetour der Fluggesellschaft Alitalia, die Bloomsday zum Anlaß nahm, Direktflüge von Dublin nach Mailand und Rom einzuführen.
Wenn es auch manchmal so schien, als sei neben dem Medienaufmarsch nur noch Platz für Joyce-T-Shirt-Verkäufer (9,99 Pfund in allen Größen) und Bloomsday-Memorabilien-Händlern (persönliches Andenkenphoto für 3,99 Pfund), so drängte es dieses Jahr auch mehr Einheimische als sonst zu den groß angekündigten Festivitäten.

Letztes Jahr", sagte die junge Dame in der Dublin Costume Company, "wußte noch kaum ein normaler Mensch, was Bloomsday ist. Üblicherweise leihen wir so um die 40 Kostüme aus. Dieses Jahr hätte ich 400 losbringen können. Wir haben in London nachbestellt, aber" – ein irisches Lächeln, schüchtern und charmant – "sie treffen erst am Montag ein." "Ist Joyce nicht der Nationaldichter Irlands?" – "Also meine Meinung ist" – wieder das irische Lächeln – "er hat’s ganz gerne ’n bißchen drauf ankommen lassen. Sehen Sie, meine Eltern konnten Joyce nicht lesen. Das galt doch als Schweinigelei!"
Als Mr. Leopold Bloom am Abend des 16. Juni 1904 über den Strand von Sandymount schlenderte, spielten dort drei Mädchen mit ein paar Kindern. Eines der Mädchen – Nausikaa, Tochter des Phäakenkönigs Alkinoos, alias Gerty MacDowell – merkte, dass er sie beobachtete. Sie lehnte sich absichtsvoll weit hintenüber, um einem gerade aufgehenden Feuerwerk zuzusehen, und er hatte freien Blick voll hoch hinauf über ihr Knie ... und es war ein seufzendes O! und alles schrie O! und O! in Verzückung und es ergoss sich daraus ein Strom goldregnender Haarfäden und sie schimmerten auseinander und ah! da warens auf einmal lauter grünliche tauige Sterne die niederfielen mit güldenen, O so lebendig! O so sanft, süß, sanft! Ah! Mr. Bloom zog sich sorgsam das nasse Hemd zurecht. Meingott, dieser kleine, hinkende Teufel. Fühlt sich langsam doch kalt an und klamm. Die Nachwirkung nicht gerade angenehm. Trotzdem, irgendwie muß mans ja loswerden.
Die Episode erschien zum ersten Mal in Druck in der Juli/August-Ausgabe 1920 des Little Review, eines obskuren amerikanischen Magazins. Umgehend traten die Gerichte in Aktion. In den Vereinigten Staaten war "Ulysses" bis 1933, in England bis 1936 verboten. In Irland stand das Buch staatlicherseits zwar nie auf dem Index: Die Ächtung durch die Kirche reichte hin, das keltische Volk Gottes vor dem sündigen Machwerk zu bewahren. "Irland", sagt Lewis Clohessy, der Leiter des Dubliner Kulturjahres, "ist das Albanien des Katholizismus. Erst in den letzten Jahren beginnt sich das zu ändern."

Das von den vier Literaten in "Bailey’s Pub" initiierte Begängnis und Besäufnis des Bloomsday blieb lange Jahre in engstem Zirkel. James Joyce, der seiner Heimat 1904, 22jährig, den Rücken kehrte, weil er, so schrieb er damals, "auf Kriegsfuß mit allen religiösen und sozialen Kräften Irlands stand", blieb ein verschmähter Nationaldichter. Weltweit verdienen sich Kohorten und Legionen von Joyce-Experten, Professoren und Literaturkritikern samt ihren Jüngern, Anhängern, Schulen und Feinden mit Interpretationsstreiten, Übersetzungen und Neueditionen einen Lebensunterhalt, eine richtiggehende "Joyce-Industrie", wie der Feuilletonist Bruce Arnold sie nennt. In Irland standen Joyces Bücher bis vor kurzem nicht auf dem Lehrplan. In den Schulen las man englische Standardliteratur, Charles Dickens und Jane Austen. In der Universitätsbibliothek von Dublin, in der irische Schriftsteller nur zwei Kojen füllen, nimmt die Joyce-Literatur ganze vier Regalfächer ein. Das offizielle Irland verleugnet seine Dichter: Sie lebten in der Diaspora.
Nicht nur das offizielle Irland. Auf dem Platz vor dem Trinity College hielt ein Passant mich an. Ich sei hier, um Bloomsday zu feiern? Sein Name sei Joyce, stellte er sich vor, mit Vornamen zwar nicht James, aber mit J beginne seiner auch. Doch sein Leben lang, fuhr er fort, trüge er nun das Kreuz des Sankt Peter auf seinen Schultern, seit er vor Jahren einmal seine berühmte Verwandtschaft verleugnete. Er und der große Dichter gingen auf die gleichen Joyce in Galway zurück. 1977 nahm die mittlerweile traditionelle Bloomsday-Kostümierung ihren Anfang. In dem Jahr verkleidete Gerald Davis sich als Mr. Leopold Bloom, und seither jedes Jahr. In den Augen vieler Dubliner ist er Leopold Bloom. Eine Portraitzeichnung des "mythischen Helden der Stadt" in der Dubliner Tribune der letzten Woche glich Davis aufs Schnurrbarthaar.
Gerald Davis, Kunstmaler, Galerist, Verleger und Avantgardist, eitel, selbstverliebt und witzig, ist ein irischer Jude wie sein fiktiver Vorfahre, "orthodox dem Namen nach", sagt er, "ein Mitglied der Dubliner Gesellschaft und doch irgendwo immer im Abseits stehend". Er begann seinen alljährlichen Doppelgang aus Wut auf "euren Joseph Beuys". Beuys plante damals eine Lesung im Martelloturm, zwei unveröffentlichte Kapital des "Ulysses", die ihm die Eingebung übermittelt habe.

"Beuys war der größte Scharlatan des Jahrhunderts", redete er sich in gespielte Rage: "Schreiben Sie das! The greatest fucking charlatan." Ihm sei gar nichts anderes übriggebieben, als dem – letztlich fallengelassenen – Plan "etwas Authentisches" entgegenzustellen.
Auf einer Mittagseinladung der irischen Werbebranche am Tag vor Bloomsday hatte Davis als Tafelredner gerade seine verdutzte Zuhörerschaft über die Verwendung des Wortes fucking im irischen Englisch belehrt. Es sei ein ganz normales Wort ohne jeden sexuellen Begriffsinhalt. Eine Dubliner Arbeiterfrau nenne ihr Baby liebevoll einen "kleinen fucker", und fucked bedeute nicht mehr als: Pech gehabt. So müsse man auch die Verwendung der "anstößigen" Vokabel im "Ulysses" verstehen. "Es ist zu schade", schrieb Joyce selbst, "dass die Leserschaft eine Moral erwartet und aufspüren wird. Schlimmer noch, dass sie das Buch ernst nimmt. Beim Ehrenwort eines Gentleman, es steht keine ernstzunehmende Zeile darin."
Am Abend vor Bloomsday machte sich auch der anglo-irische Bestsellerautor Anthony Burgess Gedanken über das große Rätsel, die Verwendung der Sprache bei Joyce: Er benutze Worte wie Noten in einem Musikstück, nicht als Übermittler von Begriffen, sondern als Elemente von Form und Struktur: "Joyce versuchte bewußt, die Bedeutung aus der Sprache herauszuspülen."
Erst nach Mittag, als Fernsehteams und die schnellen Zeitungsschreiber abgezogen waren, um ihren Redaktionsschluß nicht zu verpassen, kam der wirkliche Bloomsday zum Vorschein. Man reibt die Mikroben mit dem Taschentuch ab. Und der nächste reibt mit seinem ein neues Rudel drauf. Pater O’Flynn würde die alle ganz schön auf Vordermann bringen. Bloomsday als Meßopfer der Sprache, Opfertod der Begrifflichkeit in Gestalt von Rezitativ und Stout.
Seamus Cannon las seiner Familie, Kindern und Freunden im Durchgang zu "Davy Byrne’s Bar" aus Kapital 8 vor. Wo ich sein pomadiges Haar sah, grad als ich. Das Pferd kopfhängerisch matt. Seit der Früh waren sie unterwegs. Vor dem Martelloturm fingen sie an, da lasen sie "Die Katze und der Teufel" für die Kinder. Seht mich an. Ich habe sie alle am Muß komisch sein, die nicht zu sehen. Die Kinder hörten immer noch mit großen Augen zu. Eine Art Form in seines Geistes Auge. Die Stimme, Temperatur, wenn er sie mit Fingern berührt, muß ja fast Umrisse sehen können, die Kurven.

Jetzt räumte auch eine von Alitalia inszenierte Straßenshow das Feld und überließ die Duke Street den Balunatics. Die Balunatics zogen seit acht Uhr früh in schwarzen Frackanzügen durch die Stadt. Eccles Street Nummer 7, Mr. Leopold Blooms Adresse; O’Connel Street, Davy Byrne’s. Überall ein oder zwei Sketche aus "Ulysses". Eine Handvoll Enthusiasten folgte der Truppe von Schauplatz zu Schauplatz. Von der Duke Street zur National Library, dann ins "Ormond Hotel" am Nordufer des Liffey.
Im "Ormond Hotel" fanden von Zufällen bestimmte Routen und Wege wie Webfäden zusammen. Der Mann mit dem in seiner Länglichkeit pferdehaften Gesicht aus "O’Donaghu’s" stand an der Bar. Gerald Davis alias Mr. Leopold Bloom schaute herein. Ein Seekapitän und seine Feundin Liz: Sie war eine der Balunatics.
In der Bar strömte das Stout, im Nebenzimmer das Wort. Brot und Wein, Leib und Blut. Am Anfang des "Ulysses" das falsche Blut der Messe, am Ende das echte Blut der Menstruation. Der erste Buchstabe ein S, Stattlich und feist. Das letzte Wort hört mit s auf. Die reine Konstruktion. Das Wort als Mittel der Struktur. "Bloom war ein fischblütiger Onanist", deklamiert Gerald Davis. "Die Männer feiern den Tod. Die Frau sehnt sich nach Leben und Sex."
Liz las die letzten Sätze, den Monolog der Molly Bloom: ... und ich hab ihm zuerst die Arme um den Hals gelegt und ihn zu mir niedergezogen dass er meine Brüste fühlen konnte wie sie dufteten ja und das Herz ging ihm wie verrückt und ich hab ja gesagt ja ich will. Dann rollte das letzte Wort des Romans, als ob man es anfassen könne, zwischen ihren vollen Lippen hervor: Yes. Das s fiel zischend zu Boden.

Reiner Luyken in ZEIT-online 1991





3. August

Mozart KV 431 (425b) Rezitativ und Arie für Tenor "Misero! o sogno!" "Aura, che intorno"

Odyssee 15, 34 - 66


Göttin Athene bei Telemach in Sparta.

Sie rät ihm für die Heimfahrt, die Inseln zu meiden, des Nachts in Ithaka anzulegen, sein Schiff und die Gefährten weiterzuschicken, selbst beim Sauhirten zu übernachten und diesen tags darauf zu Penelope zu schicken.
Telemach weckt Peisistratos, der vorschlägt, bis Tagesanbruch zu warten. Bei Sonnenaufgang bittet Telemach den Menelaos, ihn in Ehren nach Hause zu entlassen.

Solche Klagelieder "Misero! O sogno!" hätte Odysseus wiederholt anstimmen können in all den Jahren ...

Im September 1783 vertont Amadé den Text eines unbekannten Dichters nach Mazzolàs 'L’isola capricciosai' für Valentin Adamberger, der das Rezitativ und die Arie in einem Konzert der Wiener Tonkünstler-Sozietät am 22. und 23. Dezember 1783 singt. Adamberger (ital. Adamonti), geboren 1743 in Niederbayern, ist ein europaweit bekannter Opernsänger. Sein gesangliches Können beeindruckt selbst Mozart, der mehrere Partien für ihn schreibt, etwa Per pietà, non ricercate (KV 420 siehe 24. Juli).

KV 431

Recitativo
Misero! O sogno!O son desto?
Chiuso è il varco all'uscita.
lo dunque, oh stelle!
Solo in questo rinchiuso
Abitato dall'ombre,
Luogo tacito, e mesto,
Ove non s'ode
Nell'orror della notte
Che de' notturni augelli
La lamentabil voce,
I giorni miei
Dovrò qui terminar?
Aprite, indegne,
Questa porta infernale,
Spietate, aprite, aprite.
Alcun non m'ode, e solo,
Ne' cavi sassi ascoso,
Risponde a' mesti accenti eco pietoso.
E dovrò qui morir?
Ah! negli estremi amari sospiri almen
Potessi, oh Dio!
Dar al caro mio ben l'ultimo addio!

Aria
Aura, che intorno spiri,
Sull'ali a lei che adoro,
Deh, porla i miei sospiri,
Di che per essa inoro,
Che più non mi vedrà.
Ho mille larve intorno,
Di varie voci il suono;
Che orribile soggiorno,
Che nuova erudeltà.
Che barbara Sorte,
Che stato dolente,
Mi lagno, sospiro,
Nessuno mi sente,
Nel grave periglio
Nessuno non miro,
Non spero eonsiglio,
Non trovo pietà.

Ich Armer! Träum' ich oder wach' ich? Versperrt ist der Weg zum Ausgang. Muß ich also hier, o ihr Sterne, allein in dieser abgeschiedenen, von Schatten bewohnten Gegend, an diesem schweigenden und traurigen Ort, wo im Schrecken der Nacht nichts vernehmbar ist, als die klagende Stimme von Nachtvögeln, meine Tage beschließen? Öffnet, ihr Ruchlosen, dieses Tor zur Unterwelt, öffnet es, ihr Erbarmungslosen, öffnet es. Niemand hört mich, und verborgen in den Felsenhöhlen antwortet meinen traurigen Lauten nur ein mitleidiges Echo. Muß ich denn hier sterben? Könnte ich doch, o mein Gott, wenigstens mit diesen äußerst bitteren Seufzern meiner teuren Geliebten das letzte Lebewohl sagen!

Lufthauch, der du mich umwehst, trag' meine Seufzer auf deinen Schwingen zu ihr, die ich anbete. Sag ihr, daß ich für sie den Tod leide, daß sie mich nie wieder sieht. Ich bin von tausend Gespenstern umgeben, und ich höre den Klang verschiedener Stimmen. Welch' schauerlicher Aufenthalt, welch' neue Qual! Welch' grausames Los, welch' traurige Lage! Ich klage, ich seufze, doch niemand hört mich. In der tiefsten Not erschaue ich niemand. Es ist keine Hoffnung auf Trost. Ich finde kein Mitleid.

Ulysses S. 518f.





4. August

Mozart KV 426 Fuge für zwei Klaviere

Odyssee 15, 67 - 94


Telemach bittet in Sparta den Menelaos, sich verabschieden zu dürfen.

Menelaos:
"Lieber Gast, ich bin weit entfernt, dich länger aufhalten zu wollen, wenn du dich nach Hause sehnest. Ich selbst kann den Wirt nur tadeln, der durch lästige Freundschaft sich gegen seinen Gastfreund als ein Feind beweist. Es ist ebenso arg, einen Eilenden aufzuhalten als einen Zögernden an die Heimkehr zu erinnern. Warte nur so lange, bis ich dir Geschenke in den Wagen gelegt und die Weiber dir einen Schmaus bereitet haben."
"Edler Fürst", antwortet Telemach, "ich wünsche nur deswegen heimzukehren, um nicht, während ich nach dem Vater forsche, selbst zugrunde zu gehen, denn es warten allerlei Gefahren auf mich, und im väterlichen Palast wird mein Erbgut aufgezehrt."

Amadés Bekanntschaft im Hause seines Freundes und Gönners Baron Gottfried van Swieten mit der Musik J. S. Bachs und G. F. Händels ist ebenso wichtig für ihn wie Telemachs Fahrt nach Pylos und Sparta.
Folge der Beschäftigung mit diesen Komponisten ist u.a. die Fuge für 2 Klaviere in c-Moll vom 29. Dezember 1783, wohl das wichtigste Werk aus der Reihe zumeist unvollendeter Fugenkompositionen. Sich nie weit vom pathetischen c-Moll entfernend, durchläuft Mozart in der Fuge alle erdenklichen kontrapunktischen Techniken wie Umkehrung und Engführung, um schließlich - wie so oft auch bei Händel - in majestätischer Homophonie zu enden. Wir werden ihr nochmals in KV 546 begegnen, wo Mozart die Fuge als Streichquartett bearbeitet. (Beethoven übrigens schrieb sie sich zu Studienzwecken ab.)

KV 426

Ulysses S. 519





5. August

Mozart KV 433 (416c) Arie "Männer suchen stets zu naschen"

Odyssee 15, 95 - 129


Telemach verabschiedet sich in Sparta.

Menelaos selbst sucht einen goldenen Becher aus, seinem Sohn Megapenthes gibt er einen schönen silbernen Krug zu tragen, und Helena sucht aus dem Kasten das schönste und größte selbstgewirkte Gewand hervor. Menelaos reicht seinem Gast Telemach den Becher, sein Sohn stellt den Krug vor ihm auf, und Helena gibt ihm das Gewand:
"Nimm dieses Geschenk, lieber Sohn, als ein Andenken aus der Hand Helenas; am Hochzeitstage soll es deine junge Braut tragen; bis dahin mag es im Gemach deiner Mutter liegen. Du aber kehre mit fröhlichem Herzen in das Haus deiner Väter zurück!"

Dass diese unvollende Komposition Amadés nach einem unbekannten Dichter sehr bekannt ist, verwundert wenig. "Männer suchen stets zu naschen" komponiert Mozart 1783 in Wien, möglicherweise als Einlage für eine Operette bestimmt, sie bleibt unaufgeführt.

KV 433

Männer suchen stets zu naschen
Laßt man sie allein,
Leicht sind Mädchen zu erhäschen,
Weiß man sie zu überraschen!
Soll das zu verwundern sein?
Mädchen haben frisches Blut,
Und das Naschen schmeckt so gut.
Doch das Naschen vor dem Essen
Nimmt den Appetit.
Manche kam, die das vergessen,
Um den Schatz, den sie besessen
Und um ihren Liebsten mit
Väter, laßt's euch Warnung sein:
Sperrt die Zuckerplätzchen ein.

Ulysses S. 520



Und Mozart singt ...



6. August

Mozart KV 436 Notturno "Ecco quel fiero istante"

Odyssee 15, 130 - 159


Telemachs Abschied von Sparta.

Telemachos empfängt Gaben mit ehrerbietigem Dank, sein Freund Peisistratos legt sie in den Wagen. Menelaos führt seine Gäste noch einmal in den Saal zum Abschiedsimbiss. Als sie schon auf dem Wagen sitzen, bringt Menelaos, einen vollen Becher in der Rechten, zur glücklichen Abfahrt den Unsterblichen eine Opferspende, trinkt mit einem Handschlag den Jünglingen zu und gibt ihnen einen Gruß an seinen greisen Freund Nestor auf. Telemach dankt und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, den Vater Odysseus im heimischen Palast zu treffen und ihm von des Menelaos Gastfreundschaft erzählen zu können.

In Menelaos' Saal im Schloss erklingt Mozarts Notturno von 1783.

Sechs Notturni (neben KV 346, 436, 437, 438, 439 und 549) komponiert Amadé für Hausmusiken im Elternhaus seines Wiener Freundes Gottfried von Jacquin, "Ecco quel fiero istante" lautet der Titel eines von diesen.
Den Text dieses Terzetts für zwei Soprane und Bass entnimmt Mozart aus Pietro Metastasios 'Canzonette'. Ursprünglich denkt er als Begleitung an Klarinetten, verwirft diese Idee aber bereits nach zwölf notierten Takten im Autograph, stattdessen setzt er die weicheren Bassetthörner für diesen Part ein.
Von den sechs trägt Amadé nur eines von ihnen in sein Werkverzeichnis ein (KV 549, datiert mit dem 16. Juli 1788). Deshalb kommen schon früh Zweifel an ihrer Echtheit auf, die von Constanze genährt wurden. Sie behauptet nach dem Tode Mozarts, lediglich die Instrumentalstimmen seien von ihm, die Vokalstimmen aber von Gottfried von Jacquin komponiert worden.
Die Texte sind innige Liebesgeständnisse: ein Liebhaber nimmt Abschied (Ecco quel fiero istante), die Prinzessin Argene klagt über die Untreue der Männer, ein Prinz singt seiner Angebeteten glühende Bekenntnisse ...
Als Intermezzi für die Bläser alleine hat Ulf Rodenhäuser ein Menuett und ein Adagio eingefügt, die Mozart ebenfalls für Stadlers Bassetthomtrio geschrieben hat.

KV 436

Ecco quel fiero istante:
Nice, mia Nice, addio!
Come vivrò ben mio,
Cosi lontan da te?
Sempre in pene
lo non avrò più bene
E tu, chi sa se mal
Ti sovverrai di me!

Hier ist der furchtbare Augenblick: Nice, meine Nice, lebe wohl! Wie soll ich, meine Liebe, fern von dir leben. Stets in Schmerzen, gibt es nichts mehr für mich, und du, wer weiß, ob du meiner gedenkst!

Ulysses S. 520f.



... und Mozart spielt dazu



7. August

Mozart KV 437 Notturno "Mi lagnerò tacendo"

Odyssee 15, 160 - 191


Als Telemach sich in Sparta verabschiedet, geschieht ein Zeichen:
Ein Adler, eine zahme Gans in den Klauen, fliegt auf, von schreienden Männern und Weibern verfolgt. Alle freuen sich über dieses Zeichen und Helena deutet es:
"Wie der Adler, aus seinem Nest im Gebirge gekommen, die Gans weggerafft hat, die sich vom Fett unserer Wohnung mästete, so wird Odysseus nach langer Irrfahrt und Qual als Rächer in die Heimat zurückkehren, oder ist schon zurückgekehrt, den gemästeten Freiern zum Verderben!"
Telemach und Peisistratos eilen mit dem Wagen davon. Am Abend übernachten sie wieder, gastreich gepflegt, in der Burg Pherai bei Diokles.

So wie alle die beiden Jünglinge gastlich bewirten, ist auch Amadé bei Familie Jacquin immer willkommen.

Baron Niklaus Joseph von Jacquin ist ein berühmter Botaniker und Professor in Wien. Für musikalische Stunden, die Mozart im geselligen Kreis der Familie Jacquin verbringt, schreibt Amadé die Notturni, nicht für das große höfische Publikum. Carolinie Pichler in ihren Erinnerungen: "Schon seit sechzig bis siebzig Jahren genoß der Name Jacquin einen glänzenden Ruf in der Welt der Wissenschaft. Wenn die Gelehrten vor allem die Gesellschaft des Vaters und die seines ältesten Sohnes, Joseph Franz von Jacquin, suchten, der in seine Fußstapfen trat, scharten sich die Jüngeren um seine Schwester Franziska und den jüngsten Sohn Gottfried, der auf Grund seines wachen und kultivierten Geistes, seiner bemerkenswerten Begabung für die Musik und seiner schönen Stimme im Mittelpunkt der fröhlichen Gesellschaften stand, die jeweils Mittwoch abends stattfanden. Und während die Älteren sich im Arbeitszimmer des Familienoberhauptes gelehrte Wortgefechte lieferten, scherzte und amüsierte sich die musikalische Jugend aufs prächtigste".
Gottfried und Franziska, mit denen Mozart seit 1783 bis zu seinem Lebensende eine tiefe Freundschaft verbindet, sind ausgezeichnete Musiker. Franziska war Wolfgangs Schülerin, und für sie schreibt er 1786 den Klavierpart des Trios KV 498 mit Klarinette und Viola. Für Gottfried, zu dem er ein fast brüderliches Verhältnis hat, komponiert Mozart außer den Liedern auch Arien, die uns alle noch begegnen werden. (Weil Gottfried in seinen Mußestunden komponierte, glaubte man übrigens lange Zeit, er sei der Schöpfer der Notturni.)

Wichtig in diesem Zusammenhang sind die Ähnlichkeiten zwischen den Notturni KV 437 und KV 438 (siehe 8. August) und der Gartenserenade aus Cosi fan tutte "Secondate, aurette amiche" (Akt II 21): Beim Hören dieser reinen, heiteren Musik fällt es uns leicht, das Glück Mozarts nachzuempfinden, bei so lieben und teuren Freunden willkommen zu sein.

KV 437

Mi lagnerò tacendo
Della mia sorte avara;
Ma ch'io non t'ami, o cara,
Non lo sperar da me.
Crudele! in che t'offendo
Se resta a questo petto
II misero diletto
Di sospirar per te?

Schweigend beklage ich mein grausames Schicksal; aber hoffe nicht, meine Teure, daß ich dich nicht liebe. Grausame! Wie kann ich dich verletzen, wenn in dieser Brust verbleibt die traurige Freude, wegen dir zu seufzen?

Ulysses S. 521f.



Und wieder das passende Lied Amadés



8. August

Mozart KV 438 Notturno "Se lontan, ben mio, tu sei"

Odyssee 15, 192 - 223


Telemach auf Heimreise von Sparta und Pylos.

Am zweiten Tage erreichen er und Peisistratos die Stadt Pylos. Telemach bittet seinen jungen Freund, die Stadt nicht betreten zu müssen, weil sein greiser Vater ihn aus lauter Liebe mit Zwang in seiner Wohnung zurückhalten werde, er müsse schleunigst zurück.
Peisistratos bringt den Freund geradeswegs an den Strand zum Schiff. Die Genossen besteigen das Schiff, setzen sich auf die Ruderbänke, er selbst steht im Heck am Ruder und bringt seiner Beschützerin Athene unter Gebet ein Opfer dar.

Der Text "Se lontan, ben mio, tu sei" stammt aus Pietro Metastasios 'Strofe per musica', die Begleitung für die drei Stimmen - gesungen am Mittwochabend bei Familie Jacquin (siehe 7. August) - besteht aus 2 Klarinetten und 1 Bassetthorn.

Das 1770 erfundene und heutzutage fast ungebräuchliche Bassetthorn lässt sich mit der Altklarinette in F vergleichen. Die besonders warme Klangfarbe, in Verbindung mit den Gesangsstimmen in den Notturni, hatte für Mozart etwas Verführerisches, er schreibt diese Stücke in einer kammermusikalisch intimen Tonsprache, in seinem gesamten Vokalwerk einmalig. Und in der Tat, die Melodielinie, die er für jede der drei Stimmen in einem eng begrenzten Register entwickelt, verzichtet auf jegliche Virtuosität. Form (da capo oder zweiteilig) und Stil dieser kurzen Werke bleiben stets schlicht. Die durchaus italienische Stimmung aus Poesie und Sinnlichkeit, die darin zur Geltung kommt, weist bereits voraus auf die Stimmung einiger Nummern in »Cosi fan tutte« (1790).

KV 438

Se lontan, ben mio, tu sei,
Son eterni i di per me:
Son momenti i giorni miei
Idol mio, vicino a te.

Wenn du, Geliebte, fern von mir weilst, dann sind endlos für mich die Tage. Zu Augenblicken werden sie, wenn, Angebetete, du bei mir bist.

Ulysses S. 522f.





9. August

Mozart KV 439 Notturno "Due pupille amibile"

Odyssee 15, 224 - 255


Telemach legt ab in Pylos, Kurs Ithaka.

Ein unbekannter Mann nähert sich da mit hastigen Schritten am Ufer. Homer schildert ausführlich dessen Genealogie und Biografie seiner Vorfahren. Solche Unterhaltungen fanden sicher auch im Haus der Jacquins statt, wo Mozart mittwochs weilt.

Amadé kommt immer wieder in den Kreis der Familie Jacquin (vgl. 7. August), um unter Freunden in einer entspannten Atmosphäre zu musizieren, wozu auch das Spiel gehört, unter anderem kegelt die Gesellschaft. Wie Amadé sind auch die Jacquins Freimaurer, sie laden regelmäßig »Brüder« ein, sich an ihren Gesellschaften zu beteiligen. Für zwei von ihnen, die Klarinettisten Johann und Anton Stadler, schreibt Mozart die Begleitung der Notturni sowie zahlreiche Werke für Holzbläser (darunter die Divertimenti KV 439b (siehe 11. August), die offensichtliche Ähnlichkeiten mit den Gesangstrios haben).

KV 439

Due pupille amabili
M'han piegato il core
E se pietà non chiedo
A quelle luci belle
Per quelle, sì per quelle
lo morirò d'amore.

Zwei liebliche Augen haben mein Herz erobert, und wenn ich diese schönen Augen nicht um Mitleid bitte, so werde ich für sie, ja für sie aus Liebe sterben.

Ulysses S. 523f.





10. August

Mozart KV 346 (439a) Notturno "Luci care, luci belle"

Odyssee 15, 256 - 287


Als Telemach in Pylos ablegt, kommt Theoklymenos, der Seher, ans Schiff.
Er streckt seine Hände nach Telemach aus und ruft:
"Bei deinem Opfer, Jüngling, bei den Göttern und bei der Wohlfahrt deines Hauptes und der Deinigen flehe ich zu dir: Sage mir, wer du bist und wo du wohnest." Telemachos gibt ihm bereitwillig Auskunft, der Mann stellt sich als Seher Theoklymenos vor. Er hat im Streit und Jähzorn einen Mann aus mächtigem Geschlecht erschlagen und irrt wie ein Verbannter durch die Welt. "Du aber, guter Jüngling, betrachte mich als einen Schutzflehenden und lass mich zu dir ins Schiff, denn meine Verfolger sind mir auf den Fersen!"
Telemach nimmt ihn mit, sie werfen die Leinen los.

"Luci care, luci belle", auf einen Text von Pietro Metastasio, komponiert Amadé etwa 1786/87 für Hausmusik im Elternhaus seines Wiener Freundes Gottfried von Jacquin. Zwei Soprane und Bass, von drei Bassetthörnern begleitet.

KV 346

Luci care, luci belle,
Cari lumi, amate stelle,
Date calma a questo core!
Se per voi sospiro e moro,
Idol mio, mio bel tesoro,
Forza e sol del Dio d'amore.

Teure Augen, schöne Augen, teure Lichter, geliebte Sterne, gebt Ruhe diesem Herzen.Wenn ich für Euch seufze und sterbe, meine Angebetete, mein Schatz, Kraft kommt nur vom Gott der Liebe.

Ulysses S. 525



Während Mozart auf höchsten Ebenen schwebt, bewegt Bloom sich in tiefen, rein körperlich-sexuellen Niederungen (was den Zensoren nicht passte, sie verboten uns, das zu lesen, denn sie allein dürfen das).



11. August

Mozart KV 439b (Anh 229 und 229a) Divertimento Nr. 1 B-Dur

Odyssee 15, 288 - 319


Telemach mit seinem Schiff unterwegs nach Ithaka - Odysseus beim Sauhirten Eumaios.

Odysseus:
"Morgen, mein Freund, will ich an meinem Bettelstab in die Stadt gehen, um euch nicht länger beschwerlich zu fallen. Da rate mir denn und gib mir einen Begleiter mit, der mir den Weg zeige, denn ich will in der Götter Namen die Stadt durchirren und sehen, wo ich ein wenig Brot und Wein erhalte. Auch möchte ich gern in den Palast des Königs Odysseus gehen und dort seiner Gemahlin Penelope sagen, was ich von ihm weiß. Am Ende würde ich auch den Freiern gegen Unterkunft und Speise meine Dienste anbieten."

Das Divertimento als Begleitung von Odysseus' geplantem Auftritt ...

Obwohl die 25 Stücke von KV 439b, meist als 5 Divertimenti angeordnet, sich seit je außerordentlicher Beliebtheit erfreuen, wissen wir kaum Genaueres. In zahlreichen Bearbeitungen und Uminstrumentierungen führen sie bis heute in den Verlagskatalogen ein vielgestaltiges zweites Dasein: für drei Flöten, in klassischer Streichtrio-Besetzung, als Sonatinen für Klavier oder als Stücke für Klavier und/oder Instrumente und so fort.
Amadé stattet sie mit leichter Spielbarkeit, dabei dennoch hohem musikalischen Niveau aus, eine nicht eben häufige Konstellation. Kaum deutliche Hinweise auf Entstehung oder Bestimmung in der Mozartschen Familienkorrespondenz oder in anderen Dokumenten, Widersprüchliches und Unvollständiges. In einem Druck Anfang des 19. Jahrhunderts in einer Besetzung für zwei Klarinetten und Fagott überliefert, dürften die 25 Stücke ursprünglich für drei Bassetthörner (vgl. 8. August) komponiert gewesen sein. Offenbar erschien dem Verleger eine Besetzung mit diesen Instrumenten bereits allzu exotisch, er hielt eine Umarbeitung für die gängigere Besetzung mit zwei Klarinetten und Fagott für angebracht.
Die kleinen Zyklen, zu denen die Einzelstücke gebündelt sind, bleiben echte Divertimenti (ital. "Späße - Spielereien - Vergnügen"), fünfsätzig, mit einem langsamen Satz, Allegro-Kopfsatz und zwei Menuetten sowie dem typischen Rondo-Finale: höchstwahrscheinlich für die Hausmusiken bei Jacquins (vgl. 7. August) bestimmt ...

KV 439b: Divertimento Nr. 1

Ulysses S. 526





12. August

Mozart KV 439b (Anh 229 und 229a) Divertimento Nr. 2 B-Dur

Odyssee 15, 318 - 350


Odysseus/Bettler bespricht mit dem Sauhirten Eumaios seinen Plan, sich den Freiern anzudienen.
Eumaios hält ihn davon ab:
"Gast, was kommt dir für ein Gedanke in den Sinn, willst du dich ganz ins Verderben stürzen? Meinst du, die trotzigen Freier werden nach deinen Diensten lüstern sein? Die haben ganz andere Diener, als du einer wärest! Jünglinge in den zierlichsten Kleidern, mit blühendem Antlitz, das Haupt von Salben duftend, stehen ihnen zu Gebot und bedienen die prächtigen Tische, welche stets mit Fleisch, Brot und Wein belastet sind. Bleib' du bei uns, wo deine Gesellschaft weder mir noch den Meinigen beschwerlich ist, und warte auf den guten Sohn des Odysseus, der dich mit aller Notdurft wohl versorgen wird!"
Odysseus nimmt das Anerbieten dankbar an, bittet, ihm zu erzählen, wie es den Eltern seines Herrn gehe, ob sie noch lebten oder schon in den Hades hinabgestiegen seien.

Wie Odysseus bei Eumaios kommt der Hörer auch bei Mozart auf das Grundsätzliche.
Bei Amadés Divertimentis und Serenaden taucht immer wieder die Frage auf, ob die Bläserwerke mehr der Peripherie oder mehr dem Zentrum seines Schaffens zuzuordnen sind. Die Antwort fällt nicht einheitlich aus: auch dann nicht, wenn der Hörer sich von den durchaus abqualifizierend gemeinten Bezeichnungen »Gelegenheitswerke« oder »Tafelmusiken« nicht beirren lässt. Die 25 Stücke KV 439b sehen wir - ungeachtet ihres musikalischen Wertes - wohl eher als Nebenwerke an - und dennoch: über allem steht unumstößlich die Gewißheit, dass wir im hörenden Umgang mit ihnen - gleichgültig, ob zentral oder peripher - gute und klanglich äußerst reizvolle Musik zu erwarten haben.

KV 439b: Divertimento Nr. 2

Ulysses S. 528





13. August

Mozart KV 439b (Anh 229 und 229a) Divertimento Nr. 3 B-Dur

Odyssee 15, 351 - 379


Eumaios erzählt dem Odysseus/Bettler was in seiner Abwesenheit in Ithaka geschah:

Laertes lebt noch, beweint aber untröstlich Sohn und Gattin, die der Gram um den Verlorenen umgebracht hat. Er, der Hirte, beweine sie auch, die ihn mit ihrer Tochter Ktimene wie einen Sohn aufgezogen hat. Später wurde die Tochter nach Same vermählt und er reichlich ausgestattet und hierher aufs Land geschickt. Penelope, die jetzige Königin, kann nichts für ihn tun, sie ist von den Freiern umgeben, ein ehrlicher Diener kann nicht bis zu ihr durchdringen.

Zur selben Zeit, als Amadé die Divertimenti KV 439b komponiert (1783), beschäftigt er sich mit dem Problem des dreistimmigen Satzes, dessen er sich auch in den Notturni KV 436, 437, 438 und 439 annahm. Die stilistischen Berührungspunkte gerade in den langsamen Sätzen lassen das deutlich erkennen.

KV 439b Divertimento Nr. 3

Ulysses S. 528f.





14. August

Mozart, KV 439b (Anh 229 und 229a) Divertimento Nr. 4 B-Dur

Odyssee 15, 380 - 411


Odysseus/Bettler unterhält sich mit Eumaios, dem Schweinehirten.

Odysseus fragt den Sauhirten nach seiner Herkunft. Dieser erwidert: "Trink, mein guter Alter, und lass dich die lange Geschichte nicht verdrießen, hier zwingt uns ja niemand, früh zu Bett zu gehen, und wir können die ganze Nacht durch schwatzen. Dort über Ortygia hin liegt eine nicht sonderlich bevölkerte, aber fruchtbare und gesunde Insel mit Namen Syria, mit zwei Städten."

Auch zu Mozarts Musik gehören Geschichten.

Zum besseren Verständnis der Werkgruppe Amadés, zu denen die Divertimenti gehören, erscheint es nützlich, einige Begriffe zu erläutern. »Serenade« und »Divertimento« (auch »Kassation«, »Parthia« oder »Partita«, »Nachtmusik« und »Finalmusik«) sind Bezeichnungen, die Mozart und sein Vater Leopold nicht selten wechselweise für ein und dasselbe Stück verwenden. Seinerzeit gehören derartige »Divertissements« zur unterhaltenden Musik, nicht primär für den Konzertsaal, sondern meist für eine abendliche Aufführung im Freien; oft ist ein festliches Ereignis, der Vorabend einer Hochzeit oder ein anderes großes Familienfest, Namens- oder Geburtstage, Abschlußfeiern an der Salzburger Universität (hierfür schreibt Mozart seine »Finalmusiken« siehe 2. Mai) oder auch die fürsterzbischöfliche Anordnung einer Musik zur Verschönerung der Tafelfreuden Anlaß zu Komposition und Aufführung solcher Werke. Es hat zu den reizvollsten Aufgaben der Mozartforschung gehört, die diversen Anlässe, zu denen Mozart seine Serenaden und Divertimenti geschrieben hat, aufzuspüren - wichtigste Quelle: Briefe und Aufzeichnungen der Mozart-Familie ...

KV 439b Nr. 4



und eine besondere Bearbeitung des Rondos

Ulysses S. 529f



So also denkt Joyce über uns Seefahrer!

Fürchterliches Leben haben auch die Seeleute. Große Ungeheuer von Ozeanriesen, tappen dahin in der Dunkelheit. Brüllen wie Seekühe. Faugh a ballagh. Weg da, aus dem Weg, verdammtnochmal. Andere in kleinen Schiffchen, Segel bloß ein Stück Taschentuch,

rumgeschubst wie ein Knochen beim Leichenschmaus, wenn die Sturmwinde wehn. Auch verheiratet. Manchmal jahrelang weg, irgendwo am Ende der Welt. Das heißt, am Ende natürlich nicht, weil die Erda ja rund ist. Eine Frau in jedem Hafen, sagen sie. Die hat ganz schön was zu schlucken, wenn sie sich dran hält, bis Johnny wieder mal heimgetrudelt kommt, wenn er überhaupt je. Beschnuppern jeden hinterletzten Hafen. Wie können die bloß das Meer lieben? Tun sie aber. Der Anker wird gelichtet. Und ab segelt er mit einem Skapulier oder ner Medaille um, die ihm Glück bringen soll. Nun? Irgendwas ist ja doch dran, an all dem Aberglauben, weil, wenn man ausgeht, weiß man ja nie, was für Gefahren.

Da hängt einer dann an einer Blanke oder hockt rittlings auf einem Balken, bloß ums nackte liebe Leben, den Rettungsring um sich rum, schluckt Salzwasser, und das ist dann auch schon alles, was sein bisschen Selbst noch machen kann, bis die Haifische ihn packen. Ob Fische eigentlich seekrank werden?
Dann hat man wundervolle Windstille ohne das geringste Wölkchen, glatte See, sanft, und Mannschaft und Ladung sind hin und erledigt, abgefahren zu den Fischen.

Oben drüber der Mond. Nicht meine Schuld, alter Wichtigtuer.



15. August

Mozart KV 439b (Anh 229 und 229a) Divertimento Nr. 5 B-Dur

Odyssee 15, 412 - 445


Eumaios, der Schweinehirt, erzählt dem Odysseus/Bettler die Geschichte seiner Herkunft:

Er ist Sohn des Königs der zwei Städte auf der Insel Syria namens Ktesios. Als Eumaios noch klein war, landeten dort Seefahrer aus Phönizien, die allerlei niedliche Waren auf ihrem Schiff zum Verkauf mitbrachten und lange blieben. Sie hatten damals ein phönizisches Weib, schön und schlank von Gestalt, die sein Vater als Sklavin erstanden hatte. Sie wurde mit einem der phönizischen Krämer, ihrer Landsleute, vertraut und hängte ihr Herz an ihn und pflog beim Schiff heimlicher Liebe mit ihm und er versprch, sie nach Phönizien mit zurückzunehmen.

Das Divertmento Nr. 5 ist der letzte Zyklus von KV 439b. Musikalisch zeichnen sich Amadés Serenaden und Divertimenti - alle Werke dieses Typus zusammengenommen - durch große Vielfalt aus. Dies betrifft die Besetzung, die von reiner Streich- oder Bläsertriobesetzung über das klassische Streichquartett und größere reine Bläserbesetzungen und gemischte Solobesetzungen bis hin zum symphonischen Orchester unter Einschluß des Solokonzerts reicht.

»Divertimento« und »Serenade« bedeuten dennoch begrifflich nicht dasselbe. Der erste Begriff zielt mehr auf den Charakter der Werke als unterhaltende Musik, verbunden mit einer gewissen Indifferenz in bezug auf Besetzung und Form; der zweite, »Serenade«, meint die Art der Aufführung als nächtliche Freiluftmusik zu einem besonderen Anlaß. Das Zitat aus dem Brief an den Vater ("Sie sehen daß der Willen gut ist; allein wenn man nicht kann, so kann man nicht! - ich mag nichts hinschmiren.") beweist Mozarts imperative Qualitätsdevise, der sich Amadé ausdrücklich auch bei seinen sogenannten Gelegenheitswerken bedingungslos unterwirft.

KV 439b Nr. 5

Ulysses S. 530f.





16. August

Mozart KV 411 (484 a) Adagio B-Dur

Odyssee 15, 445 - 476


Eumaios über seine Herkunft:

Der phönizische Schiffer hatte der Sklavin in seines Vaters Haus versprochen, sie mit sich als seine Gattin in ihre gemeinsame Heimat nach Sidon zu bringen. Die treulose Sklavin gelobte, aus des Vaters Haus nicht nur Hände voll Gold als Fährlohn mitzubringen, sondern noch Besseres.
"Ich erziehe nämlich den kleinen Sohn des Fürsten, er ist schon recht gescheit für sein Alter und läuft so mit, wenn ich Gänge außer dem Hause zu machen habe. Diesen bringe ich euch auf das Schiff, und ihr werdet keinen kleinen Gewinn durch ihn machen."
Die phönizischen Kaufleute blieben noch ein ganzes Jahr auf der Insel. Als sie zur Heimfahrt rüsteten, erschien ein listiger Mann mit einem goldenen Halsband im Palast des Vaters und bot es zum Verkauf an. Mutter und Mägde umstanden ihn im Saal, betasteten es und feilschten um den Preis. Der Mann war ein Bote der Phönizier und gab dem Weibe einen heimlichen Wink. Sie nahm Eumaios an der Hand und entführte ihn aus dem Palast; aus dem Vorsaal nahm sie drei goldene Gefäße mit. Bei Sonnnenutergang legten sie vom Hafen ab und segelten mit günstigem Winde sechs Tage lang davon.

Auch die Freimaurer-Logen führen manches im Schilde.

Amadé komponiert für Berufsklarinettisten wie Anton David, Vincent Springer und die Brüder Stadler - das Adagio für zwei Klarinetten und drei Bassetthörner gehört in diese Kategorie. Die Genannten sind wie Mozart Fraumaurer, Anlass der Komposition dürfte eine freimaurerische Feierlichkeit sein. Wegen seines reifen Wohlklangs geht man von einer Kompositionszeit Ende 1785 aus.

KV 411

Ulysses S. 532f.





17. August

Mozart KV 427 (417a) Missa C-moll

Odyssee 15, 477 - 511


Eumaios berichtet weiter über seine Herkunft:

Am siebten Tag traf Artemis das Weib mit einem Pfeil, man warf sie über Bord und in Ithaka erwarb ihn Laertes.
Odysseus antwortet, dass er es jetzt doch nicht schlecht habe hier auf der Insel. Er selbst sei auch in viele Länder und Städte verschlagen worden. So unterhalten sie sich und gehen dann schlafen.

Am Ufer in der Nähe landen Telemach und seine Gefährten. Nach dem Abendessen schickt Telemach sie weiter zum Hafen, er selbst will zu seinem Hirten aufs Land gehen und abends nachkommen.

Warum tötet Artemis die Frau? Und warum vollendet Mozart sein ehrgeizigstes kirchenmusikalisches Werk, die C-Moll-Messe nicht?

Die berühmte Messe C-moll für zwei Soprane, Alt, Tenor, Bass, Chor und Orchester, eine der herausragenden Messevertonungen europäischer Musikgeschichte, leider nur als Fragment erhalten, entsteht 1782/1783 in Mozarts ersten Wiener Jahren. Sie besitzt, geprägt vom Studium Händel’scher und Bach’scher Kompositionstechnik, barockisierenden Charakter. Auch die Anlage als neapolitanische Nummernmesse wirkt zu dieser Zeit archaisierend. Amadé schreibt Kyrie, Gloria, Sanctus und Benedictus, sie kommen im Oktober 1783 in der Stiftskirche St. Peter in Salzburg zur Aufführung - mit seiner Frau Constanze als Sopran-Solistin. Das Credo bricht er nach zwei Sätzen ab.

Die Sopran-Arie im Mittelteil des Kyrie findet sich auch als Gesangsübung für Mozarts Frau Constanze in KV 393. Das Gloria hält Mozart im Stil Händelscher Oratorien-Tradition, das Credo bezieht er deutlich auf barocke Formen. Im Sanctus fällt die große Klangpracht ebenso auf wie die ungewöhnliche Harmonik. Das solistische Benedictus hält der Komponist wieder barockisierend. Kyrie und Gloria arbeitet Mozart später zur Kantate "Davide penitente" KV 469 um.

Nach seinem Abschied aus des Fürstbischofs Diensten und der Übersiedelung nach Wien hat er mit Kirche und Kirchenmusik nur mehr wenig zu tun. Als freier Künstler schreibt er in erster Linie Serenaden, Sonaten, Klavierkonzerte, Symphonien und Opern.

Die c-moll-Messe - ein Monumentalwerk, das den Rahmen der bisherigen Messkompositionen Mozarts sprengt - beginnt Amadé im Sommer 1782 ohne jeden äußeren Auftrag in Wien. Am 4. August 1782 hatte die Hochzeit mit Constanze stattgefunden. Am 17. August schreibt Mozart: „….mit einem Worte wir sind für einander geschaffen – und gott der alles anordnet, und folglich auch dieses gefüget hat, wird uns nicht verlassen“. An anderer Stelle: er habe „in seinem Herzen versprochen, wenn er sie als seine Frau nach Salzburg brächte, dort eine neukomponierte Messe zur Aufführung zu bringen.“
In jenen Jahren setzt er sich mit Johann Sebastian Bach auseinander, was eine schöpferische Krise auslöst. Aber die Fugen am Ende des Gloria und des Sanctus zeigen, in welch hohem Maße Mozart den kontrapunktischen Stil mit eigenem Geist erfüllt.
Über die Gründe, warum Mozart die Arbeit an der Messe eingestellt hat, wird gerätselt. Ist es der schmerzliche Tod des kaum zwei Monate alten Sohnes Raimund Leopold am 9. August 1783 oder die von Kaiser Joseph II. eingeführten Beschränkungen der Kirchenmusik, die kaum Hoffnung auf weitere Aufführungen zulassen oder die Abwendung Mozarts vom dogmatischen Katholizismus hin zur Freimaurerei im Jahr 1784?

KV 427

Ulysses S. 534f.





18. August

Mozart KV 410 (440d) Adagio für 2 Bassetthörner und Fagott
KV 441 Das Bandel

Odyssee 15, 512 - 543


Telemach kehrt nach Ithaka zurück.

Er weist Theoklymenes an, nicht in den Palast zu gehen - seine Mutter erscheine dort selten, sondern zu Eurymachos. Er werde in Ithaka wie ein Gott verehrt, sei der mächtigste Mann und wünsche sich am meisten seine Mutter zur Frau und Odysseus' Ehre zu erben.
Im selben Moment kommt von rechts her ein Habicht geflogen, zwischen den Fängen eine Taube. Dies nimmt Theoklymenes als göttliches Zeichen dafür, dass niemals ein anderes Geschlecht in Ithaka herrschen werde.
Telemach wünscht sich, dass er recht habe und vertraut ihn seinem liebsten Gefährten Peraios als Gast an.
Ein himmliches Zeichen hätten Mozarts auch nötig, als sie das "Bandel" suchen.

Das Terzett für Sopran, Tenor, Bass und Streicher, ein Fragment von 76 Takten, "Liebes Mandel, wo ist's Bandel", auf einen von Amadé improvisierten Text entsteht, als Wolfgang, Constanze und Gottfried Jacquin nach einem Band suchen, das Constanze tragen will.

Das Adagio für zwei Bassetthörner und Fagott von ca. 1782 komponiert Mozart in Wien wohl für eine Freimaurer-Musik, die Teil eines Logenrituals ist. Breitkopf & Härtel veröffentlichen es nachträglich als Kanon mit dem Text "Lass immer in der Jugend Glanz".

KV 441

KV 410

Ulysses S. 535f.





19. August

Mozart KV 442 Klaviertrio

Odyssee 15, 544 - Ende


Telemach zurück in Ithaka.

Seine Gefährten haben ihn an Land gesetzt und legen ab, Kurs Stadt. Telemach eilt zum Sauhirten.

Das Trio KV 442 besteht aus drei Fragmenten, die Stadler vervollständigt. Im ersten Satz stammen nur zwei Seiten der Partitur von Mozart selbst, den zweiten und dritten Satz (in Menuett- und Sonatenform) kann er so gut wie vollenden.

KV 442

Kapitel 14: Die Rinder des Sonnengottes

Ulysses S. 537




Im Maternity Hospital Holles Street treffen sich Mediziner, Stephen und Bloom. Themen: Schwangerschaft, Empfängnisverhütung, Embryonal-entwicklung, Prosasprache
Im Kreißsaal bringt Mina Purefoy ihr Kind zu Welt.



20. August

Mozart KV 447 Konzert für Horn

Oyssee 16, 1 - 29


Odysseus beim Sauhirten Eumaios

Nach dem Frühstück hört Odysseus die Schritte des nahenden Telemach und merkt, dass die Hunde nur wedeln und nicht anschlagen.
Im gleichen Augenblick erscheint Telemach und umarmt Eumaios wie einen geliebten Vater.
Eumaios:
Kamst du, Telemachos, süßes Lichts ich hoffte ja nimmer
Dich noch einmal zu sehn, da du gen Pylos gefahren!
Komm doch herein, du trautes Kind, daß ich mich im Herzen
Freue, dich anzuschaun, der neu aus der Fremde zurückkommt.
Denn oft kommst du nicht her aufs Land und unter die Hirten,
Sondern bleibst in der Stadt; das macht dir wohl gar ein Vergnügen,
Dort den Schwärm der Freier zu sehn und die arge Verwüstung.

Im Wald von Ithaka schallt Mozarts Hornkozert ...

Das Spiel seines befreundeten Hornisten Joseph Leutgeb inspiriert Amadé zur Komposition einer - im Vergleich zu anderen Blasinstrumenten - recht hohen Zahl konzertanter Werke für Horn. Er folgt einem schematischen Formaufbau: Einem knappen Sonatensatz schließt er eine Kantilene an; der Finalsatz, meist in Rondoform, prägt er mit Jagdassoziationen.
In der Besetzung des Konzertes KV 447 weicht Mozart von den beiden Schwesterwerken (KV 417, 495) ab: Statt der Standardbesetzung der Oboen und Hörnern erklingen Klarinetten und Fagotte.

KV 447

Ulysses S. 537





21. August

Mozart KV 449 - Konzert für Klavier und Orchester Nr. 14 Es-Dur

Oyssee 16, 30 - 61


Telemach zurück aus Pylos beim Sauhirten Eumaios.

Er fragt nach dem Ergehen der Mutter und betritt dann die Hütte, wo ihm Odysseus Platz macht; Eumaios wehrt ab, der Gast solle sitzen bleiben.
Dann tischt Eumaios die Reste von gestern auf, bietet Wein an und Telemach fragt nach dem Gast und Eumaios will ihm über diesen alles berichten.

Telemach ist - wie Mozart - gereift auf seiner Erkundungsreise nach dem Vater ...

Am 9. Februar 1784 trägt Amadé als erstes in sein neu angelegtes Werkverzeichnis das für seine Schülerin Barbara Ployer (als eine der besten Pianistinnen Wiens hoch geschätzt) komponierte Werk KV 449 ein. Es eröffnet eine neue Schaffensphase Mozarts.
Den 1. Satz notiert der Komponist - wie in insgesamt nur drei Konzerten - im 3/4-Takt. Die Besonderheit ist die Mischung verschiedener Themengruppen und der überraschende Einsatz des Seitensatzes in c-Moll. Der 1. Satz wirkt unruhig, Amadé lässt das zweite Thema bereits in der Orchesterexposition statt in der Grundtonart in der Dominante spielen, er stellt einen Gegensatz zum 2. Satz, dem Andantino, dar. Das Finalrondo komponiert er in einer doppelten Coda mit einem Taktwechsel, die Imitationen des Finales ermöglichen dem Kontrapunkt eine selbstständige, natürliche Rolle. Mozart bricht mit Formprinzipien und verdeutlicht somit seine Erhabenheit über vorgegebene Kompositionsbedingungen. Wir hören es, der Komponist hat eine kompositorische Souveränität erreicht, die es ihm erlaubt, die schematischen Formprinzipien jedes Mal neu zu interpretieren.
Nicht weniger als sechs Klavierkonzerte schreibt er im Jahre 1784, bei aller individuellen Verschiedenheit ähneln sie sich in ihrer formalen Anlage, ihrer Besetzung und in der Aufwertung des Bläsersatzes zu einem eigenständigen Klangkörper.

KV 449

Ulysses S. 539





22. August

Mozart KV 450 Konzert für Klavier Nr. 15 B-Dur

Oyssee 16, 62 - 89


Eumaios erzählt Telemach über seinen Gast (Odysseus):

Er stamme aus Kreta, habe viele Städte im Irrsal gesehen und vor Ithaka sei er von einem Schiff thesprotischer Männer geflohen. Dann vertraut er seinen Gast Telemach an.
Telemach meint, dafür sei er noch zu jung. Er werde dem Fremden aber gute Kleidung und ein Schwert heraufschicken; Eumaios solle ihn hier behalten und nicht zu den Feiern lassen, die es allzu arg trieben, ein einzelner könne nur wenig gegen die Masse ausrichten.

Wie Telemach entscheidet Mozart nun selbständig und autark.

Amadé löst sich mit dem Klavierkonzert Nr. 15 von 1784 endgültig von den traditionellen Formen des Konzertsatzes. Er zeigt uns erstmals, was im Bereich der konzertanten Musik mit der Kombination von drei Klangkörpern – Soloinstrument, Bläser und Streicher – zu erreichen ist. Schon zu Beginn des ersten Tutti lässt er die Bläser gleichberechtigt mit dem Klavier sowie den Streichern konzertieren. Das Klaviersolo beginnt er mit einer streichergestützten, in die Orchesterschlusstakte eindringenden Kadenz, während er in der Reprise ein Orchesternebenthema aufgreift: sein 3. Thema.
Im langsamen Variationensatz, dessen erste Variation Mozart bereits in das Thema integriert, und im vom Solisten eröffneten Finalrondo beweist der Komponist seine schöpferische Handhabung traditioneller Formprinzipien.

KV 450

Ulysses S. 539f.



Ein Mann stant: der altenglischen Elegie "The Wanderer" aus dem "Exeter Buch (circa 975) nachempfunden, der Klage eines einsamen Wanderers, den sein Herr und seine Freunde verließen und der nach vielen Jahren persönlichen Elends zu stoischer Weisheit gelangt: Odysseus und seine Gefährten landen nachts auf Thrinakia
Mariae verheizen: Erzengel Gabriel verheißt in Lukas 1, 26-38 der Jungfrau Maria die Geburt Jesu



23. August

Mozart KV 451 Konzert für Klavier Nr. 16 D-dur

Oyssee 16, 90 - 120


Odysseus - unerkannt - spricht Telemach im Haus des Eumaios.

Er ereifert sich über das Treiben der Freier, wie sie die Mägde des Hauses in den schönen Gemächern mit Gewalt herumziehn. Oh wenn doch Odysseus endlich zurückkäme. Oder wenn er noch so jung wäre wie sein Herz, würde er dem Treiben ein Ende bereiten. Er fragt Telemach, ob dieser sich freiwillig den Freiern gebeugt habe, ob ihn das Volk hasse oder ober er von seinen Brüdern verlassen worden sei.
Telemach antwortet:
Weder das ganze Volk verabscheut oder verfolgt mich,
Noch liegt etwa die Schuld an den Brüdern, denen ein Mann doch
Sonst im Streite vertraut, und wär's der heftigste Hader;
Denn nur einzeln pflanzte Kronion unser Geschlecht fort;
So als einzigen Sohn Arkesios hatte Laertes,
Der als einzigen drauf Odysseus; aber Odysseus

Ließ mich als einzigen Sohn und ohne Nutzen im Hause.

Wie Telemach hat auch Mozart seinen Vaterkonflikt.

Beide hält das aber nicht vom Handeln ab.
Und zu Odysseus' Gedanken an seinen Rachefeldzug gegen die Freier in seinem Anwesen erklingt Mozarts Allegro assai seines Militärkonzerts Nr. 16. Das Finalrondo nimmt den positiven Ausgang der Odyssee voraus: Odysseus vereint mit Penelope und Telemach wieder zuhause, dort wo er hingehört ...

Mozart komponiert genial weiter an seinen Klavierkonzerten. Das 16. in D-Dur KV 451 von 1784 wertet wie bereit KV 450> die Bläser in einer festen Rolle als eigenständigen Klangkörper duetlich auf, obwohl sie scheinbar zugunsten eines virtuoseren Charakters in den Hintergrund treten. Den symphonischen Charakter des Werkes prägt Amadé in Tonart, Trompeten und Pauken. Das Hauptthema des 1. Satzes bringt er marschartig zum Klingen; das Werk wird deshalb zu den „Militärkonzerten“ gezählt.
Auf den Andante-Satz in Rondoform folgt das mit Sonatensatzelementen komponierte Finalrondo. Hierbei handelt es sich um einen Tanz. Innerhalb dieses Tanzes wechselt der Komponist in der Kadenz vom 2/4- in den 3/8-Takt.

KV 451

Ulysses S. 541





24. August

Mozart KV 452 Quintett Es-dur

Odyssee 16, 121 - 154


Telemach führt bei Eumaios vor Odysseus weiter Klage über die Freier.

Alle Fürsten von Ithaka und der umliegenden Inseln werben um seine Mutter und zehren das Gut auf. Sie kann die verhasste Vermählung weder verweigern noch vollziehen. Dann schickt Telemach den Eumaios zu Penelope, er soll ihr seine Rückkkunft aus Pylos verkünden, aber nur ihr allein.

Eumaios fragt, ob er auch Laertes, seinen Großvater verständigen solle. Dieser härme sich seit seiner Abfahrt ab, verweigere seitdem das Essen. Telemach will, dass Penelope jemand zu Laertes schickt.

Hoffnungsvolle Töne für Telemach, Odysseus, Penelope und Laertes schickt Mozart mit seinem Klavierquintett nach Ithaka (und in die ganze Welt) ...
Amadés Vorliebe für die Klarinette veranlasst ihn zu der höchstwahrscheinlich ersten Komposition für diese Besetzung. Kurz nach Fertigstellung schreibt er am 10. April 1784: ich selbst halte es für das beste was ich noch in meinem Leben geschrieben habe. Mozart eröffnet mit dem Klavier das Wechselgespräch der Klanggruppen und lässt dann durch durch virtuose Passagen die Klarinette innerhalb des Bläserquartetts hervortreten. Im Larghetto fesselt er uns durch überraschende Modulationen, es mündet im ebenfalls virtuosen Schlussrondo, dessen Besonderheit die gleichzeitige Kadenz aller Spieler ist.

KV 452

Ulysses S. 543





25. August

Mozart KV 453 Konzert für Klavier Nr. 17 G-dur

Odyssee 16, 155 - 186


Eumaios ist zum Palast auf Ithaka aufgebrochen, Odysseus gibt sich seinem Sohn Telemach zu erkennen.

Pallas Athene, die Göttin, hat nur den Augenblick abgewartet, wo Eumaios die Hütte verlässt. Sie erscheint unter der Tür in Gestalt eines schönen Mädchens, nur Odyseus und den Hunden sichtbar; diese bellen nicht, verkriechen sich winselnd. Dem Odysseus winkt die Göttin: "Jetzt, Odysseus, brauchst du dich nicht länger vor dem Sohne zu verbergen. Beide miteinander möget ihr zum Verderben der Freier in die Stadt eingehen. Ich selbst brenne vor Begierde, sie zu bekämpfen!"
Und die Göttin berührt den Bettler mit ihrem goldenen Stab. Ein Wunder: Mantel und Leibrock umgeben des Helden sich verjüngende Gestalt; sein Wuchs strebt empor, sein Antlitz bräunt sich, die Wangen voller, die Haare dicht, und um das Kinn das gekräuselte schwarze Barthaar.
Als Odysseus wieder in die Hütte eintritt, sieht ihn der Sohn mit Staunen an, glaubt einen Gott zu erblicken:
Fremdling, du siehst ganz anders aus als vorhin: andre Kleider hast du an, deine ganze Gestalt ist verwandelt; du bist fürwahr einer der Himmlischen! Lass dir opfern und schone uns!

Das Finale dieses Klavierkonzerts - konzipiert als Variationenform - ist die Begleitmusik zur Verwandlung des Bettlers Odysseus in eine Göttergestalt: Instrumentalfassung einer Opern-Coda...
1784 schreibt Amadé das Konzert Nr. 17 für seine Schülerin Barbara Ployer. Ein intimes Werk einheitlichen Charakters und reich an Klangnuancen. Im 1. Satz kontrastiert Mozart die zahlreichen Themen nicht, er führt ihn enharmonisch durch. Den zweiten Satz legt er nach dem Sonatenprinzip an und beteiligt alle drei Klangkörper am Licht-Schatten-Wechsel.

KV 453



Ausführliche Analyse Satz 1
Erster Satz (Allegro): Sonaten-Ritornell-Form, G-Dur
Eröffnungsritomell (Takte 1-74): Das Hauptthema (1) erscheint in den Violinen, kommentiert von Flöte und Oboe. Das folgende kurze Tutti führt (man beachte Fagott und Flöte) in ein neues sanft-lyrisches Thema über, das zuerst in den Violinen zu hören ist und dann von den Holzbläserr aufgenommen wird. Darauf folgt eine unvermittelte Modulation nach Es-Dur, doch schon bald kehrt die Musik nach G-Dur zurück, und es erklingen ein kurzes Violinthema sowie ein sehr kurzes Tutti.
Solo-Exposition (Takte 74-170): Nun setzt das Klavier ein, zunächst mit seiner Version vom Hauptthema (1); nach einigen Bravourpassagen und einer Modulation nach D-Dur, der Dominante, stellt es ein neues Thema auf (3) - ein Thema, das dem Solisten vorbehalten bleib: und nie vom Orchester gespielt wird. Die Musik geht jedoch schon bald zum Passagenwerk für das Klavier über, während im Hintergrund ein Holzbläserdialog zu hören ist; dies führt zu den früher gehörten Phrasen für Fagott und Flöte (jetzt Fagott und Oboe) und zu einer Wiederholung von 2, diesmal in D-Dur (zuvor in G-Dur, der Grundtonart des Satzes), und diesmal nehmen die Holzbläser auf, was das Klavier spielt. Eine weitere Bravourpassage für das Klavier führt zu einer kraftvollen Kadenz in D-Dur.
Durchführung (Takte 171-226): Sie beginnt mit einem kurzen Tutti (auf dem Material basierend, das in früheren Tuttis zu hören war); daran schließt sich ein frei gestalteter Teil, in dem der Pianist über den ganzen Bereich der Klaviatur schweift, unterstützt von den Holzbläsern, während Streicher die Harmonien aushalten. Der Satz ist modulatorisch sehr freizügig, kehrt aber (Takt 203) nach e-moll (parallele Molltonart von G-Dur) und weiter zur Grundtonart zurück bis zur...
Reprise (Takte 227-349): Wie am Beginn des Konzerts ist im Orchester das Motiv von 1 zu hören, doch schon bald greift das Klavier ein; dann kehren, wie in der Solo-Exposition, 3 und 2 wieder, allerdings mit vielen kleinen Abweichungen, vor allem in der Instrumen­tation. Nach weiteren Bravourpassagen kehrt die abrupte Modulation nach Es-Dur zurück und kündigt die Solokadenz an - nun kann der Solist allein frei improvisieren, doch da Mozart selbst reizvolle Kadenzen für dieses Werk hinterlassen hat, greifen die meisten Pianisten darauf zurück. Wenn die Kadenz zu Ende ist, folgt ein abschließendes Tutti, das Material aus früheren Tuttis verwendet.

Ulysses S. 550f.





26. August

Mozart KV 453a Kleiner Trauermarsch für Klavier c-moll

Odyssee 16, 186 - 212


Odysseus hat sich seinem Sohn Telemach zu erkennen gegeben.

"Ich bin kein Gott", ruft Odysseus; "erkenne mich doch, Kind, ich bin ja dein Vater, um den du dich soviel gegrämt hast!"
Die so lange gewaltsam gehemmten Tränen stürzen ihm bei diesen Worten aus den Augen; er eilt auf den Sohn zu, umfängt ihn. Telemach kann es noch immer nicht glauben.
"Ein böser Dämon täuscht mich, damit ich nur noch tiefer ins Leid versinke. Wie vermag sich ein Mensch aus eigener Kraft so zu verwandeln!" "Ich bin es, der nach zwanzig Jahren in die Heimat zurückkommt, und kein anderer. Das Wunder ist ein Werk der Göttin Athene".
Jetzt erst wagt es der Jüngling, unter heißen Tränen seinen Vater zu umschlingen; in beiden regt sich der lange Gram, sie weinen laut, ihre herzzerreißende Klage tönt wie der Ruf der Vögel, denen man ihre Jungen geraubt, ehe sie flügge geworden.

Und Amadé spielt sein seltsam anmutendes Klavierstück, überschrieben Marche funèbre, del Sign. Maestro Contrapuncto, das er 1784 kompniert.

Den Kleinen Trauermasch widmet Mozart - wie das Klavierkonzert Nr. 17 (KV 453) - seiner Klavier- und Theorieschülerin Barbara Ployer. Er zählt zu den parodistischen Kompositionen Mozarts, worauf schon die Autoren-bezeichnung hindeutet. Im ersten Teil arbeitet Amadé mit grotesken Übertreibungen, im zweiten schlägt er beklemmend ernste Töne an.

KV 453a

Ulysses S. 551



Madagaskar: derartige wunderbare anthropologische Berichte sind typisch für Sir Thomas Browne und seine "Pseudoxia Epidemica". Riten, wie hier beschrieben, gibt es auf Madagaskar allerdings nicht, d.h. Lenehan und Dixon lügen zugunsten der Exotik - typisch auch für "Reiseberichte" zugunsten der Erotik. Das Buch William Ellis' "Three Trips to Madagascar" befindet sich in Blooms Bibliothek.
Ut novetur: Dass bekannt werde das Geheimnis der körperlichen Sexualität - ein erfundener Hymnus. Hinweis auf die äußeren Geschlechtsmerkmale des Fötus, die sich im 4. Monat herausbilden.



27. August

Mozart 454 Sonate für Klavier und Violine B-dur

Odyssee 16, 212 - 223


Telemach und Odysseus beim Wiedersehen.

Nachdem sie sich ausgeweint, fragt Telemach wie er in die Heimat kam.



Im April 1784 macht die angesehene Geigerin Regina Strinasacchi in Wien Halt. Mozart komponiert seine B-Dur-Sonate für eine so genannte Adademie, die er gemeinsam mit ihr veranstaltet und bei der er als Pianist brilliert. Amadé muss sich also, was Violin- und Klavierpart betrifft, keine spieltechnischen Beschränkungen auferlegen.

Mozart wird, wie so oft, erst am Tag vor dem Konzert mit Not mit der Violinstimme fertig, seine eigene Stimme aufzuschreiben nimmt er sich nicht die Zeit und spielt aus einem leeren Notenblatt ohne vorhergegangene Probe mit der Geigerin - unter gößtem Beifall!

Und wieder ist ein Meisterwerk entstanden, anspruchsvoll und stellenweise sogar von symphonischen Charakter...

KV 454

Es ist unglaublich, mit welcher Leichtigkeit und gutem Anstand das Mädchen (sie ist ohngefähr 18 Jahr alt und sehr gut gebildet) dies an sich schwere Instrument zu behandeln weis. Der Ton, den sie aus ihrer cremonesischen Geige herauszieht, ist feiner abgeschliffener Silberton. (Cramers Magazin der Musik 1784): Regina Strinasacchi * Ostiglia bei Mantua 1761 + Dresden 1839

Ulysses S. 553



Der Kristallpalast (geplant von Sir Charles Fox) für die Weltausstellung 1851 galt als Weltwunder. Auf Fox zielt eine Parodie des Kinderliedes "The House that Jack Built"
Dem, der das Pe findet: Hütchenspieler auf Jahrmärkten versteckten unter einer von mehreren Muscheln eine Erbse (engl. Pea)
Jackjohns Biwak: Parodie - zum Beispiel: Gebäude von einem "dädalischen Jack" erbaut und die Katze wird darin zu einem "odysseeischen Vierfüßer"
donnerte Donar der Hammerwerfer: Thor (Donar), der Sohn des obersten Gottes Odin, ist der Donnergott der nordischen Mythologie, dessen Hammer – der Blitz – stets zu ihm zurückgekehrt. In der Odyssee bestraft Zeus das Schlachten die Rinder durch ein Unwetter mit Blitz und Donner, der das Schiff Versenkt.



28. August

Mozart KV 460 (454a) Acht Variationen für Klavier A-Dur

Odyssee 16, 225 - 239


Odysseus erzählt Telemach, dass ihn die Phäaken nach Ithaka brachten.

Dann überlegen sie, was gegen die Freier zu unternehmen sei.

Lammfromm will sich Odysseus als Bettler bei den Freiern verhalten ...Über die bekannte Arie "Come un’agnello" (Wie ein Lamm) aus der Oper "Fra i due litiganti il terzo gode" (Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte) von Giuseppe Sarti, dem KV 460 auch gewidmet ist, schreibt Amadé die acht Variationen (er zitiert die Arie auch in Don Giovannis Tafelmusik). Die geschmeidige Melodie des Themas beherrscht die ersten sechs Variationen, bevor Mozart mit der Moll-Variation VII und einer pianistisch einfallsreichen Kadenz zur Finalvariation hinführt. Nach einer kraftvollen Stretta mit Themenanklängen lässt er das Variationenwerk mit einem energischen Pesanteschluss ausklingen.

An seinen Vater schreibt Mozart 1784: Sarti ist ein rechtschaffner braver Mann! - ich habe ihm sehr viel gespiellt, endlich auch Variationen auf eine seinige Arie gemacht, woran er sehr viel Freude gehabt hat.

KV 460 (454a)

Ulysses S. 556



Aktuell im August 2019:
Sibirien brennt, der Amazonasregenwald brennt ...
Wohin gehts mit dir, Planet Erde?



29. August

Mozart KV 455 10 Variationen für Klavier G-dur

Odyssee 16, 240 - 271


Odysseus bespricht mit Telemach den Kampf gegen die Freier.

Telemach fürchtet ihre Überzahl und zählt Namen und Herkunft der vielen Freier auf.

Wie Telemach so ist auch Mozart eher fürs Improvisieren denn für exakte Planung und Organisation.

Das Thema der Variationen über die Ariette "Unser dummer Pöbel meint" holt Amadé sich aus dem Singspiel Christoph Willibald Glucks "Die Pilgrime von Mekka", einer sogenannten Türkenoper, 1776 uraufgeführt, die damals beim Publikum sehr beliebt ist. Mozart hat im März 1783 in Anwesenheit Glucks über dieses Thema improvisiert. Auch in der schriftlich fixierten Form behält Mozart den improvisatorischen Grundzug bei, was die drei eingefügten Kadenzen bezeugen. Das etwas plump anmutende, witzige Thema wandelt der Komponist in den Variationen durch unerwartete Harmonien, Triller, chromatische Linien, Seufzer und Kontrapunkte ideenreich ab.

(Diese Komposition Mozarts liegt der 4. Suite für Orchester G-Dur (op. 61) von Pjotr Tschaikowski, der "Mozartiana", zugrunde)

KV 455

Ulysses S. 557





30. August

Mozart KV 456 Konzert für Klavier Nr. 18 B-dur

Odyssee 16, 272 - 307


Odysseus weiht Telemach seinen Sohn in den geplanten Kampf mit den Freiern ein und beschwört ihn, keinesfalls irgendjemandem zu verraten, dass er zurückgekommen sei, weder Laertes und am wenigsten Penelope.

Das 18. Klavierkonzert schreibt Mozart 1784 in Wien, die Fachleute zählen es zu den sogenannten Militärkonzerten - mit seinem marschartigen Hauptthema im ersten Satz passt es zu den Plänen Odysseus'. Manche Stellen erinnern an "Die Entführung aus dem Serail" und an Johann Christian Bachs bekanntes Konzert in B-Dur. Die äußerst abwechslungsreiche Instrumentierung begeistert: die längst obligaten Bläser stellen an einigen Stellen wieder einen dritten Klangkörper dar. Der zutiefst inwendige und emotionale 2. Satz (12:13) erinnert einerseits an Mozarts Vergangenheit und weist andererseits in verschiedenen melodischen Wendungen bereits auf Ludwig van Beethoven. Das Finalrondo wartet mit einer harmonischen Neuerung in Mozarts Musik auf. Erstmals besteht eine chromatische Relation zwischen den Sätzen - zu dieser Zeit äußerst selten und nur in Einzelfällen bei Carl Philipp Emanuel Bach und Joseph Haydn.

KV 456

Ulysses S. 557f.



Nägel gebissen: nach irischem Aberglauben wird aus einem Kind, dessen Nägel vor Vollendung des ersten Lebensjahres geschnitten werden, ein "Langfinger".
Königsbibel: Geburten und Todesfälle wurden und werden häufig in die "Familienbibel" eingetragen, hier in die von der anglikanischen Kirche autorisierte Fassung der King James Version von 1611 (so genannt nach König Jakob I) - die Purefoys sind also Protestanten.
Methodisten: John Wesley, Gründer der Methodisten empfahl, die Sakramente der etablierten Kirchen zu empfangen. Nach seinem Tod ändert sich das Verhältnis der Methodisten zu den etablierten Kirchen radikal.
Bullock Harbour: vgl. 8. Januar
punt: flaches Boot zum Staken
pollacks:dem Kabeljau verwandte Schellfische



31. August

Mozart KV 457 Sonate für Klavier c-moll

Odyssee 16, 308 - 337


Telemach wendet ein, er hielte es für besser die Weiber und Männer später auf ihre Treue zu überprüfen, die Freier verprassten nur weiter ihrer beiden Eigentum.
Derweilen kommt das Schiff von Pylos zurück und legt im "tiefgebuchteten" Hafen an. Telemachs Genossen bringen die Geschenke an Land. Der Herold trifft sich mit dem Sauhirt und sie verkünden Penelope die Rückkunft Telemachs.

Sotheby’s Katalog Art at Auction 1990/91:
Am 31. Juli 1990 wurde das lange verloren geglaubte Autograph von Mozarts Fantasie und Sonate c-Moll, wahrscheinlich die bedeutendsten Soloklavierwerke des Komponisten, in einem großen Metallsafe im Eastern Baptist Theological Seminar, Philadelphia, entdeckt. Komponiert 1784 und 1785, gelten Fantasie und Sonate als Musterbeispiele für die aufgewühlten und romantischen Seiten von Mozarts musikalischer Persönlichkeit, indem sie an manchen Stellen Beethovens Sonaten vorwegnehmen. Die grüblerische Chromatik und dramatischen Kontraste zu Beginn der Fantasie sind besonders auffällig, in ihrer reichen emotionalen Sprache dem Don Giovanni und den Klavierkonzerten in d- und c-Moll verwandt. Die beiden Stücke, die gewöhnlich zusammen aufgeführt werden, sind von den meisten der führenden Pianisten aufgenommen worden; doch, was ihr originaler Notentext enthielt, war für mehr als hundert Jahre unbekannt. ... Die gegenwärtige Ausgabe des Köchelverzeichnisses beschreibt es als unauffindbar.

KV 457

Ulysses S. 570ff.