Das Land,
das die Fremden nicht beschützt,
geht bald unter



Götz Weigel: Papeterie Haamit in Chemnitz

Götz Weigel,
Herr der Papeterie Haamit auf dem Kaßberg in Chemnitz.

Dort an der Kreuzung West-/Ulmenstraße verbringt er die meiste Zeit in seinem Büro für Grafik Design oder Kabinett für Schönes und Alltagskultur.

Was bedeutet "Haamit"?
Erzgebirgisch Heimat. Identität und Zugehörigkeit sind dem Chemnitzer wichtig. Ein Handwerker aus Steinebach drechselt Kreisel, zur Weihnachtszeit kannst du Annaberger Faltsterne erwerben. Oder einfach nur Kaffee trinken, ein Buch lesen und die Atmosphäre genießen.
"Das Im-Laden-Stehen und mit den Leuten ins Gespräch kommen ist mir sehr wichtig. So kann man viel besser Teil des Kaßbergs, Teil von Chemnitz und dem öffentlichen Raum sein. Das schafft man im Internet nicht. Der lebendige Austausch mit meinen Kunden hat für mich viel größere Priorität, als Onlinehandel zu betreiben. Die Atmosphäre im Laden liebe ich."

Kaum zu beschreiben, was der gelernte Krankenpfleger und Töpfer dort sammelt, bastelt und feil bietet.
"Nach der Wende", erzählt er, "habe ich bei einem Berufskollegen in Leipzig, der aber schnell aufgeben musste, gearbeitet. Doch der freundliche Typ übergab seinen letzten Mitarbeiter einem alten Freund aus Studienzeiten, der in Nürnberg als Grafikdesigner arbeitete. Dort habe ich ein bezahltes Praktikum gemacht und das erste Mal an einem Computer gesessen."

Weigel öffnet die Schubfächer des Architektenschranks mit den flachen, tiefen Fächern.



"Ich liebe Altes und gebe lieber Geld für etwas Gebrauchtes aus, selbst wenn es kaputt ist. Die Stehlampe neben dem Sofa gab es so nicht, ich habe sie selbst zusammengebaut.
Schon als Kind mochte ich es, auf Schrottplätzen nach Brauchtbarem zu suchen."
Für Menschen, die wie er ticken, ist Haamit eine Schatzkammer, ein Sammelsurium von kleinen und großen Dingen. Alte Matchboxautos, Schreibmaschinen, Käseglocken, Spielfiguren, Puppen oder nur deren Köpfe, eine alte RG 125, das Motorrad seines Vaters, Logos, personalisierte Notizblöcke, Kalender, Stifte, Keramik und Lakritz, selbstgemachte Drucke, Verpackungsdesigns, Plakate, ein Pixelspiel aus 25 × 25 kleinen Würfeln in verschiedenen Farbtönen: setzt ein Muster zusammen! Besucht es, man muss es selbst gesehen haben, sein Wunderland an kleinen feinen Dingen, die man verschenken oder selber behalten kann, aus Papier, Pappe, Metall, Holz, Leder ...




Wenn wir durch Chemnitz streifen, finden wir am Restaurant Brasil oder Café Michaelis Schriftzüge aus seiner Hand, für Festivals, etwa "Schlingel" und "Begegnungen" liefert er Plakate.
Er bietet Kaffee an, seine Tische und Stühle vor dem Laden sind ein Treffpunkt des Viertels.

Und Weigels Druckmaschine druckt, was die Kunden wollen oder ihm gefällt, so der eingangs zitierte Goethespruch vom Land, das die Fremden nicht beschützt - wie wahr!



Weigel wohnt in der Janssen Fabrik an der Chemnitz.
Dort hat er sein Büro-Werkstatt-Spiel Zimmer: das Schönste für ihn ist der Blick vom Balkon hin zum farbigen Schornstein und dem Grünzug zwischen Brückenstraße und Schlossteich, den er bei einer Zigarette genießt ...

Quelle: Karacho 10./11.2018
https://www.die-stadt-bin-ich.de/eine-haamit-im-kassberg-kiez/