Ernst Thälmann

Clara Zetkin 1929:
Die KPD unter Thälmann ist schwach und unfähig,
geprägt durch Herausbildung kleiner Kliquen,
persönliches Intrigieren, Gegeneinanderarbeiten.
Ein scheinbar hilfloser Thälmann,
kenntnislos und theoretisch ungeschult,
steigert sich in kritiklose Selbsttäuschung und Selbstverblendung hinein,
die an Größenwahnsinn grenzt und der Selbstbeherrschung mangelt.


Klaus Schroeder, FU Berlin:
Der KPD-Führer Thälmann war ein Gegner der Demokratie.



Wer von den vielen Spaziergängern um den Chemnitzer Schloßteich, vorbei an seinem Denkmal, weiß wohl was Genaueres über den 1886 geborenen Kämpfer für die Rechte der Arbeiter und Mordopfer der Nazis?

Mitte der 1890er Jahre eröffnen die Eltern - parteilos - ein Gemüse-, Steinkohlen- und Fuhrwerksgeschäft in Eilbek, wo Ernst Thälmann nach der Schule aushelfen muss. Die Mutter ist tief regligiös. 1892 werden die Eltern wegen Hehlerei zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, weil sie entwendete Waren gekauft oder für Schulden in Zahlung genommen hatten. Ernst Thälmann und seine jüngere Schwester Frieda werden getrennt in unterschiedliche Familien zur Pflege gegeben, die Eltern vorzeitig aus der Haft entlassen. (Den politischen Gegnern kam es gelegen, dass schon der Vater ein Zuchthäusler war).

     Beim Einkaufen der Kunden im Geschäft bemerkte ich schon die sozialen Unterschiede im Volksleben. Bei den Arbeiterfrauen Elend, Not und teilweise Hunger bei ihren Kindern und geringe Einkäufe, bei den bemittelten Kunden größere Einkäufe usw.

Ernst ist ein guter Schüler, dem Lernen viel Freude bereitet. Sein Wunsch, Lehrer zu werden oder ein Handwerk zu erlernen, geht nicht in Erfüllung, die Eltern verweigern ihm die Finanzierung. Er muss weiter im Kleinbetrieb seines Vaters arbeiten, es kommt zu vielen Auseinandersetzungen mit den Eltern. Ernst will für seine Arbeit richtigen Lohn, nicht nur Taschengeld. Darum sucht er sich Arbeit als Ungelernter im Hafen und kommt bereits mit 10 mit den Hafenarbeitern in Kontakt, als sie vom November 1896 bis Februar 1897 im Hamburger Hafenarbeiterstreik die Arbeit niederlegen. Alle Beteiligten führen einen erbitterten Arbeitskampf.

Thälmann 1936:
     ... der große Hafenarbeiterstreik in Hamburg vor dem Kriege, war der erste sozialpolitische Kampf, der sich für immer in mein Herz eingeprägt hat.

Anfang 1902 verlässt Ernst das Elternhaus im Streit, kommt zunächst im Obdachlosenasyl unter, später in einer Kellerwohnung. Ab 1904 fährt er als Heizer auf dem Frachter "AMERIKA" zur See, unter anderem in die USA, wo er 1910 in der Nähe New Yorks kurz als Landarbeiter tätig ist. Bis zum WK I betätigt er sich als konsequenter Streiter für die Interessen der Hamburger Hafenarbeiter. Von 1913 bis 1914 arbeitet er als Kutscher für eine Wäscherei.

1915 zieht ihn das Kaisereich zum Kriegsdienst bei der Artillerie ein, er kämpft bis Kriegsende an der Westfront, wird zwei Mal verwundet, erhält das Eiserne Kreuz II. Klasse, Hanseatenkreuz und Verwundetenabzeichen. Wenige Tage vor Beginn seines Kriegsdienstes heiratet er Rosa Koch, sie haben eine Tochter.

1903 tritt Thälmann in die SPD ein, unterstützt 1913 eine Forderung Rosa Luxemburgs nach einem Massenstreik als Aktionsmittel der SPD zur Durchsetzung politischer Forderungen. 1918 desertiert Thälmann gemeinsam mit vier befreundeten Soldaten, tritt Ende 1918 der USPD bei und betetiligt sich in Hamburg am Aufbau des Hamburger Arbeiter- und Soldatenrates. Ab März 1919 ist er Vorsitzender der USPD in Hamburg und Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Gleichzeitig arbeitet er als Notstandsarbeiter im Hamburger Stadtpark, und findet eine gut bezahlte Stelle beim Arbeitsamt, wo er bis zum Inspektor aufsteigt. 1920 schließt sich der mitgliederstarke linke Flügel der USPD der KOMINTERN (Kommunistischen Internationale) an und vereinigt sich mit deren deutscher Sektion, der KPD. Sie firmiert für die folgenden zwei Jahre auch unter dem Alternativnamen Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands (VKPD), Thälmann ist der wichtigste Befürworter dieser Vereinigung in Hamburg. Auf sein Betreiben hin treten 98 % der Mitglieder der Hamburger USPD der KPD bei. Im Dezember wird er in den Zentralausschuss der KPD gewählt und März 1921 wegen seiner politischen Tätigkeit vom Dienst im Arbeitsamt fristlos entlassen, nachdem er unerlaubt seinem Arbeitsplatz ferngeblieben ist. Er war einem Aufruf der KPD gefolgt, sich der März-Aktion anzuschließen. Im Sommer des Jahres 1921 reist Thälmann als KPD-Vertreter zum III. Kongress der KOMINTERN nach Moskau, lernt dort Lenin kennen. 1922 verüben Rechtsradikale ein Attentat auf seine Wohnung, um Thälmann zu ermorden. Angehörige der nationalistischen "Organisation Consul" werfen eine Handgranate in seine Parterrewohnung, Frau und Tochter bleiben unverletzt, Thälmann selbst kommt erst später heim.

Thälmann ist Teilnehmer und einer der Organisatoren des Hamburger Aufstandes vom Oktober 1923. Der Aufstand scheitert.
     Unsere Partei als Ganzes war noch viel zu unreif, um diese Fehler der Führung zu verhindern. So scheiterte im Herbst 1923 die Revolution am Fehlen einer ihrer wichtigsten Voraussetzungen: dem Bestehen einer bolschewistischen Partei.

Ab Februar 1924 ist er stellvertretender Vorsitzender und ab Mai Reichstagsabgeordneter der KPD. Unter seiner Führung lehnt die Partei die Kritik Rosa Luxemburgs am Leninismus als Luxemburgismus ab. Das Reichstagsmandat hat Thälmann bis zum Ende der Weimarer Republik inne. Im Sommer 1924 wird er auf dem V. Kongress der KOMINTERN in ihr Exekutivkomitee und kurze Zeit später ins Präsidium gewählt. Am 1. Februar 1925 ist er Vorsitzender des Roten Frontkämpferbundes und am 1. September Vorsitzender der KPD, er kandidiert bei der Reichspräsidentenwahl für das Amt, bekommt im ersten Wahlgang 7 %. Er hält seine Kandidatur für den zweiten Wahlgang aufrecht, und in diesem Zusammenhang wirft man Thälmann vor, sein Wahlergebnis von 6,4 % habe dem Kandidaten der bürgerlichen Partei, Wilhelm Marx (45,3 %), gefehlt und den Sieg des Monarchisten Paul von Hindenburg (48,3 %) ermöglicht.

Im Oktober 1926 unterstützt Thälmann in Hamburg den dortigen Hafenarbeiterstreik aus Solidarität mit einem englischen Bergarbeiterstreik, der seit dem 1. Mai anhielt und sich (positiv) auf die Konjunktur der Unternehmen im Hamburger Hafen auswirkte. Thälmanns Absicht ist es, dieses Streikbrechergeschäft von Hamburg aus zu unterbinden.

1927 wird Ernst Thälmann bei einer Demonstration in Berlin durch einen Säbelhieb über dem rechten Auge verletzt. 1928 reist er nach dem VI. Kongress der KOMINTERN in Moskau nach Leningrad, wo er zum Ehrenmitglied der Besatzung des Kreuzers Aurora ernannt wird.

Bei der Rückkehr vom VI. Weltkongress berichtet Thälmann Wilhelm Florin über die Veruntreuung von Parteigeldern in Höhe von mindestens 1.500 Mark seitens des Politischen Sekretärs des KPD-Bezirks Wasserkante, John Wittorf und gibt zu, bereits seit Mai von der Unterschlagung gewusst, sie jedoch verschwiegen zu haben, um Schaden von der Partei im Rahmen der Reichstagswahl 1928 abzuwenden.
1928 schließt das Zentralkomitee der Partei Wittorf aus der Partei und von allen politischen Ämtern aus. Die Parteirechte fordern sogar den Ausschluss Thälmanns aus der Partei. Thälmann bekennt sich zu seinen Fehlern und wird all seiner Ämter enthoben. Nach der Intervention Stalins wird Thälmann wieder in seine Parteifunktionen eingesetzt, Thälmann ist allein Vorsitzender.

Auf dem 12. Parteitag der KPD 1929 in Berlin-Wedding geht Thälmann angesichts der Ereignisse des "Blutmai" (Unruhen vom 1. bis 3. Mai 1929 in Berlin, bei denen durch das harte Vorgehen der Polizei zahlreiche Demonstranten und Unbeteiligte durch die Polizei getötet oder verletzt werden. Die Bezeichnung geht auf den Streikaufruf der KPD vom 2. Mai 1929 zurück, in dem es heißt: „ "Zörgiebels Blutmai - das ist ein Stück Vorbereitung des imperialistischen Krieges! Das Gemetzel unter der Berliner Arbeiterschaft - das ist das Vorspiel für die imperialistische Massenschlächterei!") auf deutlichen Konfrontationskurs zur SPD. Neben innenpolitischem Engagement setzt er sich auch für außenpolitische und nationale Belange ein, insbesondere kritisiert er die Nazis, die einen Austritt aus dem Völkerbund und eine Beseitigung der Reparationslasten forderten.
1931: Die nationalsozialistischen und deutschnationalen Betrüger versprachen euch Kampf zur Zerreißung des Youngplanes, Beseitigung der Reparationslasten, Austritt aus dem Völkerbund, aber sie wagten nicht einmal, im Reichstag für den kommunistischen Antrag auf Einstellung der Reparationszahlungen, Austritt aus dem Völkerbund zu stimmen.

März 1932 kandidiert er neben Adolf Hitler und Theodor Duesterberg für das Amt des Reichspräsidenten gegen Hindenburg. Wahlspruch der KPD:

"Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg."

Nach der Reichstagswahl im November 1932, bei der die NSDAP eine empfindliche Stimmeneinbuße verzeichnet, scheinen die Nationalsozialisten auf einem absteigenden Ast. Thälmann verschärft den Kampf der KPD gegen die Sozialdemokratie im Gegenzug abermals.
Als am 30. Januar 1933 NSDAP Macht ergreift, schlägt Thälmann der SPD einen Generalstreik vor, um Hitler zu stürzen. Auf dem von Herbert Wehner vorbereiteten Treffen im Februar 1933 spricht Thälmann zum letzten Mal vor leitenden KPD-Funktionären zu der am 5. März 1933 bevorstehenden Reichstagswahl und bekräftigt die Notwendigkeit eines gewaltsamen Sturzes Hitlers durch das Zusammengehen aller linken und liberalen Parteien als Volksfront.

Am Nachmittag des 3. März 1933 wird Thälmann zusammen mit seinem persönlichen Sekretär Werner Hirsch in der Wohnung durch die Polizei rechtswidrig festgenommen (Immunität nach Art. 40a der Reichsverfassung als Mitglied des Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung). Erst am 6. März stellt ein Berliner Staatsanwalt im Interesse der öffentlichen Sicherheit einen – ebenfalls rechtswidrigen – Haftbefehl aus, den er einfach rückdatiert.

Zahlreiche parteiinterne Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der Festnahme Thälmanns überschatten das Ereignis.

Die Nazi-Justiz plant gegen Thälmann Hochverrats-Prozess, Ende Mai 1933 "Schutzhaft" aufgehoben und Untersuchungshaft angeordnet, mehrfach von der Gestapo verhört und misshandelt.
Verhör am 8. Januar: Die Vernehmer schlagen ihm vier Zähne aus, anschließend traktieren sie ihn mit Nilpferdpeitsche.
Die Verhörprotokolle sind verloren. Thälmann lange ohne Rechtsbeistand; seinen jüdischen Anwalt Friedrich Roetter schließen die Deutschen nach kurzer Zeit aus der Anwaltschaft aus, er kommt selbst in Haft. 1934 übernehmen die Rechtsanwälte Fritz Ludwig (NSDAP-Mitglied) und Helmut R. Külz die Verteidigung Thälmanns. Vor allem Ludwig, der für ihn Kassiber aus der Zelle bzw. Zeitungen und Bücher in die Zelle schmuggelt sowie die als Geheime Reichssache deklarierte Anklageschrift an Unterstützer im Ausland weiterleitet, vertraut Thälmann sehr. Über die Anwälte einigen sich die beteiligten Behörden im Laufe des Jahres 1935 mit Rücksicht auf das Ausland, vor allem aber, weil die Beweisabsicht der Staatsanwaltschaft erkennbar wenig gerichtsfest ist und sie ein mit dem Reichstagsbrandprozess vergleichbares Desaster vermeiden wollen, von einer justizmäßigen Erledigung Abstand zu nehmen. Am 1. November 1935 hebt der II. Senat des Volksgerichtshofes die Untersuchungshaft auf (ohne das Verfahren als solches einzustellen) und überstellt Thälmann gleichzeitig als Schutzhäftling an die Gestapo.

1935/36 erreicht die internationale Protestbewegung gegen die Inhaftierung Thälmanns Höhepunkt. Zu seinem 50. Geburtstag 1936 bekommt er Glückwünsche aus der ganzen Welt, darunter von Maxim Gorki, Heinrich Mann, Martin Andersen Nexø und Romain Rolland. Im selben Jahr - zu Begin des Spanischen Bürgerkriegs benennen sich die XI. Internationale Brigade und ein ihr untergliedertes Bataillon nach Ernst Thälmann.

Als Deutschland und die Sowjetunion 1939 ihre Beziehungen verbessern (Hitler-Stalin-Pakt), setzt Stalin sich offenbar nicht für Thälmanns Freilassung ein. Später wird bekannt, dass Thälmanns Rivale Walter Ulbricht alle Bitten seiner Verwandten ignoriert und sich nicht für die Befreiung von Thälmann eingesetzt hat.

August 1944 ermorden wohl zwei Gestapo-Beamte auf Befehl Adolf Hitlers Ernst Thälmann, die genauen Umstände seines Todes sind aber ungeklärt (nach neueren Forschungen kann auch der Buchenwalder Berufsverbrecher und Kapo Müller der Mörder sein).
16. September Falschmeldung im Völkischen Beobachter, Thälmann sei zusammen mit dem ehemaligen Vorsitzenden der SPD-Reichstagsfraktion Rudolf Breitscheid bei einem alliierten Bombenangriff auf Buchenwald ums Leben gekommen



in Chemnitz