Weltsicht eines Weltkünstlers

Alle anderen sind Arschlöcher

Wir leben keineswegs in einer Demokratie, wir leben unter dem falschen Begriff der Demokratie.
Nach der letzten Wahl muss man doch spätestens sehen, dass aus der Demokratie eine Autokratie geworden ist. Mit der AfD haben wir eine Partei, die im neuen Bundestag stark vertreten ist, aber sie wird absolut nicht berücksichtigt. Das ist vollständig undemokratisch. Als Demokrat gehe ich davon aus, dass eine Partei, die Wahlen gewinnt, demokratisch legitimiert ist.
Wie aber war es in der Nazi-Zeit und in der DDR?
Wie war es bei Tübke, Sitte, Mattheuer?
Es sind Künstler, die auf dem Müllhaufen liegen.



Beim Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Chemnitz im April 2018 kommt es zum Eklat.
Die Künstlerin Dagmar Ranft-Schinke stürmt wütend zum Mikro, und ruft:
"Entschuldigen Sie sich, dass Sie nach der Wende sagten, alle Künstler, die in der DDR blieben, waren Arschlöcher!"
Baselitz: "Ich habe das nie gesagt!"
"Doch, doch"

Die Arschloch-Debatte beginnt nach der Wende, als Baselitz 1990 - er ist 1957 in die BRD übergesiedelt - der Zeitschrift „art“ ein Interview gibt und sagt, dass die als „Staatskünstler“ geltenden Maler Bernhard Heisig und Wolfgang Mattheuer nicht nur „Jubelmaler“ sondern „Arschlöcher“ seien. Überhaupt waren jene Künstler aus der DDR, die malen konnten, in den Westen gegangen oder mussten das Land verlassen.
Die Künstler in der DDR kann man nicht ernst nehmen und eigentlich ist nur die Kunst der Dissidenten ernst zu nehmen.



Walser verkauft seine Bücher, indem alle zu Signierstunden und Lesestunden laufen und dann ein Exemplar für 20 Euro mit nach Hause nehmen. Der braucht Auflage, der muss Tausende verkaufen. Wir Maler brauchen das nicht. Ich war noch nie in einer Talkshow.
Ich habe dem Jörg Immendorff immer gesagt: "Lass es bleiben, es bringt nur Schaden, es macht dich unglücklich." Aber er konnte es nicht bleiben lassen, weil er ein Agitationstyp war.
Die Schriftsteller, die müssen das machen. Das Fernsehen ist deren Verkaufsbude.
Niemand auf der anderen Seite der Gesellschaft interessiert sich ernsthaft dafür. Wir werden Malerfürsten genannt, das ist spöttisch gemeint. Alle deutschen Maler haben eine Neurose mit der deutschen Vergangenheit. Also Krieg, Nachkrieg vor allen Dingen, DDR. Das alles hat mich beschäftigt in einer starken Depression und mit einem starken Druck. Meine Bilder sind, wenn Sie so wollen, Schlachten.



Günter Grass, er schreibt ein Griechenland-Gedicht, statt sich noch einmal an eine "Blechtrommel" zu setzen.
Äußerst peinlich. Es gibt auch Maler, die so etwas tun, aber die nennen wir jetzt nicht mit Namen. Günter Grass finde ich wirklich furchtbar. Walser ebenso. Enzensberger ebenso. Lesen Sie mal das Tagebuch von Hans Werner Richter, dem Chef der Gruppe 47, in der die alle waren. Lesen Sie, was der über seine Leute sagt. Da kommen Sie aus der Depression schwer heraus. Mir geht es jedenfalls so, schließlich waren es unsere Vorbilder, unsere Heroes... Und deren Leistung: null. Walser ist unerträglich zu lesen. Ich nenne ihn "die Blase vom Bodensee".
Das macht mich wütend. Auch von der Philosophie bin ich enttäuscht. Ich habe gerade eine Oper gesehen, eine Uraufführung von ... wie heißt der, unser Professor aus Karlsruhe? Der mit den Haaren?
Sloterdijk.
Der hat das Libretto geschrieben für "Babylon". Gott, ist das furchtbar.



Vergessen Sie nicht, ich bin als Künstler ein riskanter Typ gewesen. Ich mache es den Leuten nicht einfach. Die Identifikation fällt schwer, man erkennt meine Kunst nicht sofort. Eigentlich sieht es keiner mehr auf meinen Bildern, ob es nun richtig oder verkehrt ist.





Frauen malen nicht so gut. Das ist ein Fakt. Es gibt natürlich Ausnahmen. Agnes Martin oder aus der Geschichte Paula Modersohn-Becker. Immer wenn ich ein Bild von ihr sehe, bin ich glücklich. Aber auch sie ist kein Picasso, kein Modigliani, auch kein Gauguin.
Dabei muss man sogar noch sehen, dass sie in der Ausbildung an den Akademien die Mehrheit bilden. Trotzdem. Männliche Künstler sind oftmals an der Grenze zum Schwachsinn, eine Frau sollte das möglichst nicht sein.
Es gibt in der Kunst natürlich eine ziemliche Brutalität. Also nicht eine Brutalität gegen andere, sondern Brutalität gegen die Sache, gegen das, was es schon gibt. Modersohn-Becker malte sich selbst sehr unangenehm, äußerst hässlich ... Aber sie zögerte, die anderen zu zerstören. Also wirklich Gauguin zu vernichten, indem sie über seine Kunst hinausgeht. Männer haben da kein Problem, die machen das. Aber Sie müssen wissen: Ich liebe die Frauen. Ja, ich bin dauernd verliebt. In meine eigene Frau.



Das Unangenehmste, was ich von Jeff Koons gesehen habe, sind diese Fickbilder mit Cicciolina. Schon die Tatsache, diese Bilder zu machen und gleichzeitig von Liebe zu reden und ein Kind zu zeugen. Ich finde das entsetzlich.



Ich sage, dass Trump agiert, wie ein vernünftiger Politiker heute agieren muss.



So ein Land muss die Mauer bauen. Viele installieren ja auch auf ihren Gründstücken eine Kamera, stellen einen Elektrozaun auf oder schaffen sich einen scharfen Hund an.
Ich selbst lebe inzwischen in Österreich. Wegen der Sicherheit. Vielmehr leben in Deutschland die "Geister aus dem 'Dritten Reich'" noch immer, der Herrenmensch bricht immer wieder durch.
Der Herrenmensch mischt sich ein und hat ein klares Sendungsbewusstsein. Früher gab er das wohl auch noch stolz zu und wusste darum, heute versteckt er sich vor sich selbst im Mantel des Pseudo-Humanisten. Ergebnis: Positivdiskriminierung, Zensur und Selbstzensur, Verachtung Andersdenkender im Deckmantel der PC, Heroisierung des Eigenen, Polarisierung im neuen Tribalismus.





Was Kenner alles so erkennen

Der Künstler spricht durch seine Bilder. Ganz gleich, was er sonst noch sagt. Eines der unscheinbarsten Bilder von Georg Baselitz zeigt eine ausgestreckte Hand.



Eine weibliche Hand, wie der Titel des Bildes erklärt: "Sylvia von Harden (nach Otto Dix)". Eine schöne Referenz an den Künstlerkollegen und an Chemnitz, wo im Museum Gunzenhauser eine der größten Dix-Sammlungen zu sehen ist. Otto Dix hatte die Journalistin Sylvia von Harden 1926 gemalt: Eine stolze, selbstbewusste, Zigarette rauchende Frau in der Weimarer Republik, mit einem Cocktail allein in einer Bar. Sinnbild einer Epoche.
Geblieben ist bei Baselitz die schnell hingekritzelte ausgestreckte Hand - sie reckt sich eher kraftlos ins Blaue hinein, im Sinne des Wortes, niemand ergreift sie, nichts ersehnt sie - anders als die berühmten Hände in Michelangelos Deckengemälde. Hier streckt sich die Hand ins Leere. So ähnlich geht es der Kunst auch manchmal, oft vielleicht sogar. Sie bleibt ein immerwährender Versuch, die Leere zu füllen, die andere Hand, den Nächsten, den Fernsten zu erreichen. Georg Baselitz versucht dies, seit er Kind ist, malt, übermalt, remixt seine Bilder.



Baselitz stellt die Welt seit 1969 in seinen Bildern auf den Kopf. Zitiert dies unter anderem in dem Bild "Paint Painter" aus dem Jahr 2007. Es ist zweigeteilt, in der unteren Hälfte ein auf dem Kopf stehender Wald, oben ein hockender Mensch.



Zweigeteilt ist auch der "Bandit (Remix)" von 2007. "Male Maler" - das kann Baselitz am besten.

Und malen ist besser, als wie ein Bandit Holocaust und Weltkrieg anzuzetteln - so kann man vielleicht die Figuren in Baselitz Bildern verstehen, die ein Hitlerbärtchen tragen. Das ist eine Provokation, die sich nicht gegen den Betrachter, sondern gegen die Welt richtet, die mehr auf dem Kopf steht, als sie Baselitz je malen könnte. Ein Künstler weiß das - malt trotzdem, deshalb.



Eine Porträtreihe zeigt Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und Edvard Munch - auch sie alle Chemnitz verbunden. Mit wenigen Strichen in Aquarell und Tusche zeichnet Baselitz hier ein Psychogramm der Künstler: den etwas bedächtigen, vorsichtigen Schmidt-Rottluff, den etwas hochnäsig-spitzbübischen Heckel, den eleganten, hintergründigen Kirchner. Auf dem Kopf steht nur das Bildnis Edvard Munchs, der mit seinen schreienden Kreaturen am weitesten ins unbestellte Land vordrang.



Die Oper "Le Grand Macabre" von György Ligeti wird 2013 mit großer Resonanz uraufgeführt. Das ironische, teilweise derbe Weltuntergangsdrama hat Baselitz in wunderbar leichthändige, luftige Bilder gefasst. Auf den Inseln der Glückseligkeit, die auch die Inseln der Unbedarftheit, des Unwissens und der Unbekümmertheit sind, räkeln sich die Bewohner von Breughelland.



Und so, wie in "Le Grand Macabre" der Weltuntergang dann trotz Kometeneinschlags doch nicht eintritt - weil die Protagonisten zu betrunken, zu verkatert oder zu verliebt sind, weil sie es einfach nicht wahrhaben wollen - so können weder der Künstler selbst noch der Betrachter die Kunst groß oder klein reden. Male, Maler, male - immer weiter - der Künstler spricht durch seine Bilder - und wir sprechen dann darüber, was dabei herausgekommen ist.

Was bitte?

In wenigen Worten erklärte der Kunststar, dass ihn seine Verehrung für Karl Schmidt-Rottluff mit Chemnitz verbinde - und lobte das Engagement der Museumschefin. Das klang warm, wach, aufrichtig. Und so pointiert wie seine in den letzten Wochen veröffentlichten Sätze vom "verdorrten Deutschland" und dem "vernünftigen Politiker Trump". Jeder provokante Zwischenruf kann da nur plakativ wirken. Unmöglich, etwas auszuloten in so einer künstlichen Situation - geschaffen, um Schlagzeilen und Bilder zu produzieren, die beide Seiten brauchen.

Ein Künstler ist eben nicht Quell der Antworten, sondern der Fragen.

Freie Presse





















Er gehört zweifelsohne zu den größten Malern der Gegenwart.
Die Bilder des Wahlbayern, der seit sieben (2013) Jahren am Ammersee wohnt, erzielen bei Auktionen Höchstpreise – teils von bis zu einer Million €. Doch nun gibt es mächtig Ärger um den Künstler. Wie der Spiegel berichtet, haben Steuerfahnder das Haus von Baselitz durchsucht. Und er selbst? Er soll sich nach Italien abgesetzt haben …
Die Beamten stellten kistenweise Unterlagen im Domizil des Malers am Ammersee sicher. Der Grund: Der Name des Künstlers soll in Kundenakten der Schweizer Großbank UBS aufgetaucht sein, in den Akten also, die Nordrhein-Westfalens Regierung im vergangenen Sommer angekauft hatte. Im Gegensatz zum Bayern-Präsident aber soll sich Baselitz nicht selber angezeigt haben – obwohl seit Monaten in allen Medien über die geheimen Steuerdaten berichtet wurde. Zuständig ist die Staatsanwaltschaft München, weil Baselitz sich vor sieben Jahren von den Stararchitekten Herzog & de Meuron eine riesige Villa aus Glas und Holz direkt am Ufer des Ammersees errichten ließ. Teils zum Ärger einiger Anwohner, die sich darüber erregten, dass das Areal „mit hässlichen Eisenzäunen regelrecht abgeschirmt“ worden sei.
Derzeit hat Baselitz sein Haus verlassen – und hält sich an seinem Zweitwohnsitz an der ligurischen Küste auf. Merkwürdig: Er verließ sein Ammersee-Domizil, kurz bevor die Steuerfahnder anrückten.
Hat Baselitz seine Steuerschuld vielleicht noch schnell beglichen?
Baselitz' Motive stehen meist auf dem Kopf, um dem Zuschauer zum „Umdenken“ zu bewegen.
Georg Baselitz – der eigentlich Hans-Georg Kern heißt – ist 1938 in Deutschbaselitz, heute ein Ortsteil von Kamenz in der sächsischen Oberlausitz, geboren. 1961 nimmt er den Künstlernamen Georg Baselitz an.


Interview

Kunst? Börse? Wahn? (Ein)Bildung?