Segeltörn

Eine Landratte erzählt
Wenn eine Landratte ein Segelboot betritt, dann muss sie erst einmal eine Menge lernen.
Wo ist Luv und wo ist Lee, welche Seite Back- und welche Steuerbord? Wie bekomme ich die Rettungsweste aufgeblasen? Wo sind Feuerlöscher und Signalraketen? Was verknotet sich zuerst - der Seemannsknoten oder die Hirnschlingen?
Wie funktionieren die Toiletten mit den Seeventilen und Lenzpumpen?
Und ganz wichtig: was macht man bei Seekrankheit?

Damit wären wir schon beim Thema. Kaum haben wir in Zadar/Kroatien abgelegt, da schlagen auch schon die Wellen hoch. Den alten Seebären macht das nichts aus, die haben für dieses laue Lüftchen nur ein müdes Lächeln. Aber für mich ist es besser, nicht unter Deck zu gehen. Dort schwankt der Magen im gleichen Rhythmus wie der hängend angebrachte Herd. Die Toilette hebt und senkt sich unter dem Allerwertesten. Man muss sich festkrallen, um nicht herunter und gleich noch durch die Tür in die Kombüse zu fallen.
Aber an Deck ist es besser. Den Blick auf den Horizont gerichtet, kann ich den Fahrtwind, der durch Haare und Kleidung fährt, richtig genießen. Hier oben gibt es viel zu tun. Beim Segeln gegen den Wind, dem sogenannten Kreuzen, muss an den Wendepunkten die Genua, das ist unser Vorsegel, auf die andere Seite, also nach Lee flattern können. Dazu müssen bestimmte Leinen, die so genannten Schoten, dichtgeholt und andere gefiert, locker gelassen, werden. Wichtig ist, den richtigen Augenblick abzuwarten. Der Skipper gibt das Kommando. Der Schrei Ree hat hier nichts mit dem „Widerspruch“ beim Skat zu tun, sondern ist das Signal zur Wende. Und falls man gerade faul auf dem Vordeck liegt, heißt es Kopf einziehen, denn der Baum, das ist die untere Befestigung des Segels, schlägt dabei auf die andere Seite.

Am Abend suchen wir uns ein nettes Plätzchen zum Ankern. Wir haben Glück, wir finden eine einsame Bucht, wie für uns gemacht. Hier können wir ausgelassen, auch ohne störende Badebekleidung, planschen. Das Wasser ist herrlich warm. Nur wenn man zu nah ans Ufer kommt, muss man sich vor Seeigeln in Acht nehmen.
Nach dem Baden haben alle Hunger. Gekocht wird immer abwechselnd. Jeder ist mal Smutje. Es gibt leckere Aufläufe, scharfes Chili con Carne oder Spaghetti in allen Variationen. Abends wird an Deck gesungen. Wir haben zwei begnadete Gitarrenspieler dabei. Die scheinen sich gegenseitig zu inspirieren. Die Nächte sind lau und laden zum Schlafen auf Deck ein, denn die drei Kojen sind eng wie Sardinenbüchsen. Schon mit dem Gepäck sind die Kajüten voll.
Die Tage an Bord sind ausgefüllt. Kaum komme ich dazu, in die mitgebrachten Bücher zu schauen. Allein die vielen kleinen Inseln der Kornaten, an denen unsere Segelyacht vorbeifliegt, die anderen bunten Segelboote, die unseren Kurs kreuzen, das alles will bewundert werden. An besonders interessanten Punkten gehen wir vor Anker und machen Ausflüge mit dem kleinen Beiboot, dem Dingi. Leider fasst es maximal nur vier Personen, so dass wir immer zweimal fahren müssen, um uns sechs Personen ans Ziel zu bringen.

Wir besichtigen einen alten Bunker. Hier kann man mit dem Boot vielleicht 100 Meter in den Berg hineinfahren. Ein andermal schauen wir uns ein Schiffswrack an. Es ist auf einer flachen Sandbank in den 70er Jahren gestrandet. Nun rostet es friedlich vor sich hin.
Am dritten Tag unserer „Kreuzfahrt“ laufen wir einen kleinen Hafen an: Veli Iz. Endlich duschen und das Salzwasser aus den verklebten Haaren waschen, denn an Bord muss mit Süßwasser gespart werden. Es wird hauptsächlich zum Kochen verwendet. Nur ein kurzes Abspülen ist nach dem Baden erlaubt.

Das Städtchen Veli Iz liegt eng an das Ufer geschmiegt, weiß getünchte Häuser mit roten Dächern. Heute kochen wir nicht selbst, sondern gehen essen. Ich bestelle Langusten. Als der Teller kommt, bin ich dann doch überrascht. Die Tierchen sind noch im Ganzen mit vielen Beinchen und Stielaugen. Wie soll ich die bitteschön essen? Zwar habe ich schon mal Hummer gegessen, aber der war größer und ich hatte das entsprechende Werkzeug: Hummerzange und -gabel. Am Nachbartisch sitzen ebenfalls Deutsche und die haben wohl meinen erst entsetzten dann hilflosen Gesichtsausdruck gesehen. Die Frau kommt mir zu Hilfe. Ich soll den Schwanz des Tieres vom Rumpf trennen und dann das Fleisch mit den Fingern herauspulen. Lecker! Nur leider ist nicht allzu viel dran.

Am nächsten Morgen: wir wollen ablegen. Doch nichts geht. Der Buganker hat sich verfangen. Was nun? Muss einer hinabtauchen und den Anker herausziehen? Zum Glück ist unser Segelboot mit einem Dieselmotor ausgestattet. Das ist sehr hilfreich beim An- und Ablegen, bei schwierigen Manövern sowie bei Flaute. Auch jetzt kommt der Motor zum Einsatz. Wir wollen versuchen, den Anker nach der anderen Richtung herauszuschleppen. Alle halten den Atem an. Wird es gelingen? Ein Ruck geht durch das Boot. Geschafft! Wir sind frei.
Der Wind weht heute vom Heck her. Wir fahren einen sogenannten Raumschotkurs. Es wird nicht gewendet sondern gehalst, das bedeutet, dass das Heck des Bootes beim Richtungswechsel durch den Wind geht. Dabei muss man besonders darauf achten, dass der Baum kontrolliert auf die andere Seite wechselt, sonst kann die Schräglage des Bootes extrem werden, das Boot bekommt zu viel Krängung. Außerdem kann der Baum jemanden am Kopf treffen oder der Mast brechen – eine „Patenthalse“. Interessant finde ich, dass man beim Wind von heckwärts nicht etwa schneller vorwärts kommt, als wenn der Wind von der Bugseite her weht.

Wir sind noch nicht lange unterwegs, da hören wir auf Kanal 16 einen Hilferuf. Die Yacht „Ingrid“ hat Motorschaden, ist navigationsunfähig und treibt auf die Brücke zwischen den Inseln Uglian und Pasman zu. Andere Schiffe würden nahe an ihnen vorbeieilen, aber keiner käme zu Hilfe. Ein gut gemeinter Ratschlag eines anderen Schiffes war: „dann setzt doch die Segel“. Aber bei Ingrid handelt es sich um eine Motoryacht. Die Brücke liegt auf unserem Kurs. Wir nähern uns nur langsam. Inzwischen haben auch andere Boote das SOS vernommen. Ein reger Funkkontakt geht hin und her. Ein deutsches Motorschiff ist näher und bietet an, die havarierte Yacht nach Zadar zu schleppen. Gerettet.
Bei wenig Wind haben wir uns einen neuen Badespaß ausgedacht. Ein Fender, das ist ein großer Sack, der als Puffer beim Anlegen an eine Kaimauer oder an ein anderes Schiff dient, wird an langem Seil vom Boot ins Wasser gelassen und hinterher gezogen. Der Sack schwimmt und man kann auf ihm reiten. So lassen wir uns vom Boot durchs Wasser ziehen, dann wieder ein Stück treiben, um erneut nach dem Seil zu greifen und uns Richtung Boot zu hangeln.
Die Woche vergeht wie im Fluge. Im Süden von Dugi Otok, der größten Insel der Kornaten, gehen wir wieder an Land. Hier gibt es einen Salzsee, der viele Besucher zum Baden einlädt. Uns ist das saubere Meer lieber und so verweilen wir nur kurz. Am Südwestufer der Insel fallen die Klippen gute 100 Meter ins Meer. Der helle Karstfels gibt einen wunderbaren Kontrast zum grünblauen Wasser. Kein Wunder, dass dieser Teil von Dugi Otok zum Kornati-Nationalpark gehört.

Unser letzter Tag an Bord bricht an. Die Eintragungen im Logbuch werden auf den aktuellen Stand gebracht und unsere Seesäcke, in Form von Reisetaschen und Rücksäcken, gepackt. Nun heißt es Abschied nehmen, nicht nur von unserem Segelboot, sondern auch von unserem Skipper, der das Glück hat, noch eine Woche in dieser herrlichen Inselwelt segeln zu dürfen.

Dr. Sabine Schroeder



Segeltörn mit Sabine


Begriffserläuterungen, Anmerkungen
(nach Henry Beard u.v.a.)


Angeln


Schiffstyp: Ketsch mFdW, am Ruder: admiral

jasnosch
Ankern
Richtig Ankern!

Schiffstyp: Ketsch mFdW, am Ruder: admiral

udo
Bayer
Des Segelns überdrüssig

Schiffstyp: Ketsch mFdW, am Ruder: admiral

Nicht jugendfrei!

Clo
Theoretisch die Toilette jeder Yacht, praktisch eine Apparatur, gegen die eine Anlage zur Beseitigung von Atom-Müll ein Kinderspiel ist. Eine erprobte Technik zur Benutzung eines Schiffsklos wird, wenn auch etwas oberflächlich, in dem siebenbändigen Werk "Prinzip und Funktion des Schiffsklos" beschrieben, veröffentlicht vom Bundesministerium der Verteidigung in Zusammenarbeit mit den Bundesministerien der Justiz und für Gesundheit sowie Umwelt.
In ein Schiffsklo darf niemals etwas gelangen, was nicht vorher gegessen wurde. Schiffsklos, die verstopft sind, können nicht nur erhebliche Unbequemlichkeiten verursachen, sondern ausserdem beachtliche Kosten. Denn ihre Reparatur erfordert das Eingreifen von Fachleuten mit Entgiftungsanlagen, Entkeimungsausrüstung sowie ferngesteuerten Arbeitsgeräten. Die Situation kann, in Extremfällen, die Aufgabe des Schiffes auf See bedeuten.

Schiffstyp: Ketsch mFdW, am Ruder: admiral

nicht bei uns!

Crew
Schwere und unbewegliche Gegenstände an Bord, die dazu dienen, die Ecken von Seekarten zu halten, Fender auszubringen und den Baum mit ihrem oberem Ende bei schnellen und plötzlichen Bewegungen zu bremsen. Versuche, sie in intelligente Lebewesen zu verwandeln, misslingen in der Regel


Dusche
Wegen des geringen Platzes und der beschränkten Wasserkapazität sowie der Schwierigkeit, auf einem Schiff heisses Wasser zu erzeugen, unterscheiden sich Duschen an Bord erheblich von Duschen an Land. Obwohl es kein Ersatz für die direkte Erfahrung ist, kann die Wirkung einer Dusche an Bord ungefähr mit dem Gefühl verglichen werden, das man hat, wenn man sich zwei Minuten lang nackt mit einem grossen nassen Bernhardiner in einem ungeheizten Klo aufhält.

Schiffstyp: Ketsch mFdW, am Ruder: admiral
Navi-Computer

Seit es die Computer der Bundesbahn gibt, ist das Scheine-Machen überflüssig geworden!
Bitte geben sie Ihren Zielort sein!



Schiffstyp: Ketsch mFdW, am Ruder: admiral

Notfall sempé

Schiffstyp: Ketsch mFdW, am Ruder: admiral
Proviant

eine Weiternetwicklung der Staumethode von Korsika-Törn

Nichts für eine vegetarisch gesonnene Crew

Schiffstyp: Ketsch mFdW, am Ruder: admiral Schiffstyp: Ketsch mFdW, am Ruder: admiral Schiffstyp: Ketsch mFdW, am Ruder: admiral




Siehe auch Siybylles wunderbares Lexikon der Seglersprache