Toteninsel




Wer nach der Einfahrt in die Bucht von Kotor (Boka Kotorska) in Montenegro, im Land der schwarzen Berge auf Nordkurs die Kaps Turski und Verige passiert, trifft auf die malerischen, der Stadt Perast vorgelagerten Inselchen Sv. Juraj und Gospa od Skrpelj.


Die Bucht - überwältigendes Landchaftserlebnis nach der mediterranen Heiterkeit Dalmatiens und Istriens:
Steile Berge fallen ernst und schweigsam in das dunkle Wasser des Fjords.


Im 17. Jahrhundert beginnt die Seebruderschaft von Perast Skripelj, was ursprünglich nur ein Felsriff war, zu befestigen: Sie beladen gekaperte Piratenschiffe mit Steinen und versenken sie dort. Und wer am 22. Juni dort vorbei kommt, kann teilnehmen am Andenken daran.


Die Einheimischen feiern dort mit Volksliedern, bekränzten Fischerbooten, sie versenken weitere Steinlasten. Eine Kirche steht auf der künstlichen Insel Sveti Gospa od Skrpelj ("Jungfrau auf dem Felsen"), ausgeschmückt mit Ölgemälden, Bronzearbeiten, vergoldeten Tauen und einer bemerkenswerten Platte aus Silber: Sie stellt den Angriff der Türken von den Bergen herab auf Perast dar...



Sv. Juraj

Auf Sveti Juraj oder Sveti Djordje ("St. Georg") steht zwischen dunklen Zypressen ein Benediktinerkloster mit Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Immer wieder plündern Seeräuber die Abtei, Erdbeben zerstören sie mehrfach. In Admiral Nelsons Tagen ist Juraj eine "die Durchfahrt zum Hafen Kotor beherrschende Festung" mit 12 Bronzekanonen und 150 Mann starker Garnison.

Mit 'NINA' 1989 vor Sv.Djordje - vgl. Törn Kotor


Und dazwischen dient sie Arnold Böcklin, dem Erfinder der nach ihm benannten Schiftart als Vorbild für sein wohl berühmtestes Gemälde.



5 mal Toteninsel

Im Frühjahr 1880 bestellt die junge Witwe Marie Berna, spätere Gräfin von Oriola, bei dem Schweizer Maler "ein Bild zum Träumen". Böcklin, zu der Zeit in Florenz lebend, hat eine ganz spezielle Art, Träume zu malen. Er entwickelt das Motiv einer einsamen Felseninsel, die ihn so in Bann zieht, dass er von 1880 bis 1886 fünf Werke mit demselben Motiv schafft. Seiner Auftraggeberin schreibt der Künstler:
"Das Bild muss so still werden, dass man erschrickt, wenn an die Türe gepocht wird."
Aus der Auftragsarbeit wird eines der geheimnisvollsten Werke der Kunstgeschichte. Der Witwe aber verkauft Böcklin nicht seine erste Fassung des "Traumbildes",

sie bekommmt die zweite,

die heute im Metropolitan Museum in New York hängt.
Die erste Fassung, das Urmotiv, die der Maler für sich behält, gehört dem Kunstmuseum Basel.
Auf Drängen seines Galeristen erschafft Böcklin 1883 eine dritte Version,

wovon Max Klinger eine Radierung anfertigt. Der Galerist will das Motiv in größerer Stückzahl auf den Kunstmarkt bringen. Er nennt das "Die Toteninsel" (Böcklin hatte es "Ein stiller Ort" oder "Gräberinsel" betitelt)

Diese dritte Fassung gelangt 1933 in den Besitz eines Reichskanzlers namens Hitler. Er lässt das Gemälde zunächst auf den Obersalzberg bringen, wo weitere berühmte Meisterwerke hängen. 1940 holt Hitler Böcklins "Toteninsel" in die Reichskanzlei nach Berlin, wo es heute Besitz der Nationalgalerie ist.
Noch zwei Versionen der "Toteninsel" malt Böcklin, der meistens in finanziellen Nöten steckt. Eines kommt später in den Besitz von Heinrich Baron Thyssen, wo es in dessen Berliner Bankfiliale im WK II. verbrennt - es existiert nur noch ein Schwarzweißfoto.

Die letzte - 5. Fassung -

malt Böcklin 1886 im Auftrag des Leipziger Museums,wo es noch heute zu sehen ist.

Alle Versionen unterscheiden sich in Format, Farbgebung und Details. Alle Variationen aber haben das Mystisch-Melancholische, obwohl man auf den ersten Blick zunächst eine Landschaft zu erkennen glaubt. Im Aufbau symmetrisch hat es einen tief gelegten Horizont und betont die Senkrechte, der Eindruck von Weite und Stille entsteht.
Aus einem spiegelglatten Meer ragt eine verlassene Felseninsel als überdimensionaler Altar, einer mystischen Trutzburg mit Zypressenhain gleichend und den Himmel berührend.
Eine Hafenanlage, in den Fels gehauene Grabkammern und einiges Mauerwerk sind Zeichen der Zivilisation. Die Insel scheint verlassen, vor der Hafeneinfahrt aber ein Kahn vom Fährmann gerudert.
An Bord eine weiß vermummte Gestalt, vor ihr der verhangene blumengeschmückte Sarg. Uns überfällt Melancholie und Weltschmerz. Die Schönheit der stummen Natur – selbst das Meer hält den den Atem an – erinnert an unsere Vergänglichkeit.
Vermutlich zeigt es die letzte Reise Böcklins selbst, das Thema Tod spielt eine wichtige Rolle. 1872 malt er er die sterbende Königin Kleopatra, im gleichen Jahr sein Selbstporträt mit dem "fiedelnden Tod".

Auch sein Leben ist gezeichnet, er erkrankt an Typhus und erleidet einen Schlaganfall. Mit seiner Frau trägt er acht seiner 14 Kinder zu Grabe.
Ab der dritten Fassung der Gemälde entdeckt man Böcklins Signatur über dem Eingang zu einer Grabkammer. Sein Name wird zum Motiv, er malt sein Denkmal. Er trägt aber auch eine ganze Epoche zu Grabe:
die europäische Kultur, basierend auf den Werten der Antike, er fürchtet den Untergang von Kultur und Humanismus durch die Industrialisierung.
Arnold Böcklin selbst auf die Frage nach der Bedeutung des Bildes: "Das, was Sie sehen. Ich male nur Bilder und keine Bilderrätsel!"
1901 stirbt Arnold Böcklin und wird auf dem protestantischen Friedhof in Florenz beigesetzt.









































Und hier sein Bild "Lebensinsel" von 1888.

Schuf Böcklin mit dieser Idylle einen Gegenpol zur Toteninsel?

... heute strahlt das Toten-Inselchen mit Seemannsfriedhof, gotischer Kirche und einer Reihe hoher Zypressen am Ufer ungemeinen Frieden aus - mitten in einer kriegerischen Welt...