Insel Serifos




Serifos (zu unserem Törn ), ein vom Massentourismus noch verschont gebliebenes Eiland, empfängt Segler an der Südwestecke im Hafen Leivadiou mit der malerisch hoch auf dem Hügel liegenden Chora. Zu Fuß eine gute halbe Stunde und man ist mitten in einem typisch kykladischen Dorf mit kleinen Gässchen, kommt mit freundlichen Fischerleuten ins Gespräch, und genießt die grandiosen Ausblicke aufs veilchenblaue Meer der Ägäis.
Wer die Südküse der Kykladeninsel passiert, dem öffnet sich im östlichen Teil die Bucht Ormos Koutala.



Wie so oft täuschen schöne Bilder.
Erzverladestellen, Ketten im Wasser, die als dunkle, gerade Linie zum Strand verlaufen, die vormals der Festmachertonne für die Erzfrachter in der Mitte der Bucht Halt gaben, erinnern an die Tragödien, die sich hier abspielten.
Denn seit 5.000 Jahren wird Bergbau auf Serifos betrieben, das 1537 bis 1821 osmanisch ist, 1912 sind von 4.000 Einwohnern 2.000 Minenarbeiter, exportiert wird das Erz in die USA, nach England, Schweden und Belgien. 1916 eskaliert ein Streik. 1941 besetzt Italien, 1943 Deutschland die Insel, seit 1965 ruht der Bergbau.





Früheste Hinweise auf die Metallgewinnung finden Geologen der Uni Oxford 1982. Die ca. 3000t Schlacke stammen vermutlich aus einer frühbronzezeitlichen Kupferhütte. Die gefundenen Lehmbrocken ordnet das Forscherteam Schmelzöfen zu.
Auch in minoischer Zeit beuten die Menschen die Eisenerz- und Kupfervorkommen der Insel aus. 146 v. Chr. erobern die Römer die Insel, machen sie zum Verbannungsort missliebiger Politiker (u. a. war Cassius Severus hier) und setzen den Erzabbau bis ins 2. Jahrhundert n. Chr. fort.


Marco Sanudo

ein veneziansicher Adliger, integriert die Insel 1207 in das venezianischen Herzogtum Archipelagos und überträgt den Grundbesitz an venezianische Adelsfamilien. Die neuen Herren nehmen den Erzabbau wieder auf, unter den unmenschlichen Arbeitsbedingungen finden Tausende Sklaven den Tod. Die Abholzung der Insel geht voran. 1537 erobert die Insel der osmanischer Korsar, Herrscher von Algier und Kaptan-i Derya des Osmanischen Reiches:


Khair ad-Din Barbarossa

Serifos wird dem Osmanischen Reich tributpflichtig und ab 1566 endgültig Teil dieses Reichs. Gleichzeitig wird der Bergbau eingestellt. Kurzzeitig wird Serifos russisch, bleibt dann aber bis 1821 im osmanischen Reich. Nach der Griechischen Revolution ist die Insel ab 1829 wie die anderen Kykladeninseln Teil des neuen griechischen Staates.
Beeinflusst vom wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg der Insel Syros verlassen zahlreiche Menschen die Insel nach Ägypten oder ins Osmanische Reich. Mit der systematischen Ausbeutung der Eisenerzvorkommen zum Ende des 19. Jahrhunderts siedeln sich wieder mehr Menschen auf der Insel an. 1912 leben auf Serifos 4.400 Einwohner, 2.000 davon arbeiten in den Minen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bricht in Griechenland das Bergbaufieber aus, Serifos rückt wieder in den Vordergrund.
Verschiedene Gesellschaften fördern Eisenerz, 1886 übernimmt die französische "Societe des Mines Seriphos-Spiliazeza" unter Leitung des deutschen Mineralogen A. Grohmann die Anteile der anderen Gesellschaften und kontrolliert alle Arbeiten bis zur Verladung, exportiert in die USA, nach England, Schweden und Belgien.
Als Sohn George Grohmann 1904 den Betrieb übernimmt, gibt es bald Ärger: Tödliche Unfälle, Unzufriedenheit unter der Belegschaft nehmen zu. Grohmann weigert sich auch, Arbeitnehmer, in die Armee eingezogen, dann demobilisiert, wieder einzustellen.
1912 organisieren sich 460 Bergarbeiter unter Führung von Konstantinos Speras im Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in einer Gewerkschaft, die erste gewerkschaftliche Errungenschaft in Griechenland. Am 7. August 1916 kommt es zum Streik, die Arbeiter weigern sich, ein Schiff zu beladen.

Ihr Forderungen: achtstündige Arbeitszeit, Lohnerhöhung sowie Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen. Grohmann fordert Hilfe bei den Behörden an.
Die Arbeiter stellen Serifos unter den Schutz der Französischen Flotte in Milos. Diese weigert sich einzugreifen, weil auch ein griechisches Kriegsschiff sich nähert.
Um Nahrungsmittel- und Solidaritätslieferungen aus Patras und Athen zu unterbinden, hat die Regierung Polizeikräfte und das Kriegsschiff AULIS zur Insel beordert. Der Streik eskaliert. Die Polizei setzt die Gewerkschaftsführer gefangen, die Arbeiter versammeln sich zusammen mit ihren Familien - etwa 2.000 Menschen - an der Verladebrücke, um die Beladung eines österreichischen Dampfschiffes zu verhindern. Der Dienst habende Leutnant Chrysantos Xanthos gibt nach Ablauf eines Ultimatums Feuerbefehl. Die Soldaten töten vier (Michael Zoilis, Themistoklis Kouzoupis, Michael Mitrofanis, Ioannis Protopapas) und verletzen mehr als 30 Menschen. Die Leute setzen sich mit Steinen zur Wehr, da lässt auch George Grohmann seine Wachleute in die Menge schießen. Der Leutnant, ein Unteroffizier sowie zwei Polizisten werden getötet. Vikar Papa Yannis und Konstantinos Speras beruhigen die aufgebrachten Massen.


Konstantinos Speras

wird verhaftet und des Hochverrats angeklagt, kommt aber, als die royalistischen Regierung gestürzt wird, ein paar Monate später frei. Er war die meiste Zeit seines Lebens wegen seines Kampfes für die Arbeiter im Gefängnis. Kommunistische Partisanen ermorden ihn 1943.
Der Kapitulation Italiens folgt von 1943 bis 1944 die deutsche Besatzung. Nach dem WK 2 klagt die Justiz die Grohmanns wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Deutschen an, sie müssen die Insel verlassen.
"Societe des Mines Seriphos-Spiliazeza" beendet 1951 ihre Tätigkeiten auf der Insel, 1965 schließen die Gruben endgültig - wegen der immer billiger werdenden Importe aus Afrika. Der Abbau des restlichen Eisenerzes, das nach der räuberischen Ausnutzung durch Grohmanns Firma zurückgeblieben ist, hat seine Rentabilität verloren.
Unkraut und Büsche bedecken die Schienen und Wagen, die der Zeit überlassen sind; einige stehen noch aufrecht, andere sind umgestürzt. Tausende Bergleute verlassen die Insel.
Geblieben ist ein riesiges Freiluftmuseum mit den Überresten aus 3.000 Jahren Erzförderung. Serifos lebt von Tourismus und Kleinlandwirtschaft. Stollen, wie Wunden im Körper des harten Felsen, gegraben mit Pickeln und Schweiß, grobe Steinstufen bis hinab an die tiefblauen Küsten; darüber trotzen frech robuste Eisenkonstruktionen: das ist geblieben vom Erzabbau ...